Wenn man einen Burgunder kaufen möchte, muss man auf einige Dinge achten.

Wenn man einen Burgunder kaufen möchte, muss man auf einige Dinge achten.
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Burgunder-Kauf: Das müssen Sie beachten

Burgunder zu verkaufen heißt für Winzer und Händler sehr oft, Burgunder zu verteilen. Denn die besten Flaschen sind so rar und begehrt, dass zuweilen sogar die Gesetze der Marktwirtschaft ins Wanken geraten.

Angebot und Nachfrage regeln den Preis – so weit die Theorie. In der Tat findet dieser Lehrsatz auch auf dem so genannten Sekundärmarkt seine Bestätigung, also auf Weinauktionen oder beim Kauf namhafter Burgunder aus den Beständen von Wein-Brokern. Möchte man hingegen direkt beim Winzer oder auch beim spezialisierten Weinhandel Burgunder kaufen, dann stellt sich die Situation deutlich komplizierter dar.

Zauberwort Allokation

Reist man über die Winzerdörfer der Côte d’Or, kann man an den Türen der selbstvermarktenden Weingüter zwei Typen von Schildern begegnen. Der eine Typ verkündet: »pas de visites« – wir empfangen keinen Besuch. Auf dem Schild des zweiten Typs steht: »Nous n’acceptons pas des nouveaux clients« – wir nehmen keine neuen Kunden auf. Während das Schild des ersten Typs vor allem von der Überforderung eines Familienbetriebs kündet, an dessen Haustür Privatkunden und Händler aus aller Welt vorsprechen – oft genug unangemeldet –, zielt die zweite Form der Mitteilung auf die bereits etwas kenntnisreichere Klientel. Denn den größten Schatz, den ein privater Weinkenner, ein Gastronom oder ein Händler in Burgund heben kann, ist es, einen Platz auf der Kundenliste eines Weinguts ergattert zu haben.

Wer beispielseise seit Jahrzehnten auf der Kundenliste bei Coche Dury steht, bekommt kraft dieses Status jedes Jahr eine bestimmte Anzahl von Flaschen angeboten. Die Dauer der Handelsbeziehung und die Wichtigkeit des Kunden für den Winzer bestimmen die Größe seiner »Allokation«: Also ob er in einem gegebenen Jahr zwei, sechs, zwölf oder sogar noch mehr Flaschen Meursault angeboten bekommt, wie viele Premiers Crus er dazu bekommen kann und ob vielleicht sogar ein paar Flaschen vom Grand Cru Corton Charlemagne dabei sind. Durch das Allokationssystem verzichtet das Weingut auf Gewinnmaximierung, dafür hat es den Vorteil, Sicherheit zu geben und den Vermarktungsaufwand zu minimieren.

Kunden, die ihre Allokation nicht abrufen, werden einfach von einem Nachrücker auf der Warteliste ersetzt. Bei Weingütern wie Coche Dury dürfte es zudem ausgesprochen selten sein, dass jemand seine Allokation verfallen lässt: Denn eine Flasche Meursault wird ab Weingut mit nicht einmal hundert Euro verrechnet. Sobald diese Flasche die Türschwelle des Weinguts verlassen hat, hat sich ihr Wert bereits verzehnfacht.

In Burgund ist vieles eine Frage der Verfügbarkeit. Der Preis wird durch die enorme Nachfrage in die Höhe getrieben.
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In Burgund ist vieles eine Frage der Verfügbarkeit. Der Preis wird durch die enorme Nachfrage in die Höhe getrieben.

Es menschelt

Wie viel Wein jemand ab Weingut bekommt, hat in extremem Maß auch mit Sympathie zu tun. Köche, bei denen der Winzer selbst gerne essen geht, bekommen selbstredend eine größere Allokation als solche, die er nur aus dem Telefonbuch kennt. Ebenso geht es Privatleuten: Hat der Winzer jemanden (meist auf Empfehlung) einmal im Keller empfangen und ihn als höflichen und sachkundigen Zeitgenossen erlebt, finden sich manchmal auch von ausverkauften Weinen noch ein paar Flaschen. Auch mit Fachhändlern muss die Chemie stimmen, damit sie mehr als nur ein Mini-Kontingent bekommen.

Beim Burgunderkauf im Fachhandel trifft man überdies oft auf eine weitere Besonderheit: das Kombinationsgeschäft. Da kein Händler von einem Weingut nur die Perlen kaufen und die »kleineren« Weine ablehnen kann, geben so gut wie alle Burgund-Spezialisten in Frankreich und anderswo diese Form der Koppelung an ihre Kunden weiter: Pro gewünschter Flasche Grand Cru muss der Kunde auch in gewissem Umfang Hautes Côtes, Bourgogne générique oder andere Basisqualitäten mitkaufen.

Diese Praxis führt oft zu ähnlich großer Verärgerung wie das »Pas de visites«-Schild an der Haustüre des Winzers. Doch man sollte sich in beiden Fällen vor Augen führen, dass dasselbe Ethos, das die Erzeugung solch großartiger Weine erst ermöglicht, auch das Zeitbudget der Winzer und ihre Beziehung zu den Kunden bestimmt. Sich mit der Gerechtigkeit der Verteilung zu beschäftigen, ist in Burgund ein untrennbarer Teil des Winzerberufs.


Das strenge Regime von Romanée Conti

Weltweit gibt es nur zwei oder drei Dutzend Händler, welche die Weine der Domaine de la Romanée Conti (DRC) vertreiben dürfen. Wer zu dem erlesenen Club gehört, verpflichtet sich der Domaine gegenüber, sehr klar definierte Spielregeln einzuhalten. Zu diesen Regeln gehört auch eiserne Verschwiegenheit. Da DRC die Maßnahmen, mit denen der Betrieb seine Geschäftspolitik abzusichern versucht, nicht in der Öffentlichkeit sehen möchte, war es Falstaff leider nicht möglich, ein ausführliches Interview mit einem der Importeure zu führen.

Klar ist jedoch, dass die Geschäftpolitik von DRC vor allem auf zwei Dinge abzielt: Zum einen sollen die Weine, die auf dem Wege der Allokation an Privatleute und Gastronomen gelangen, von diesen nicht weiter veräußert werden. Das Argument von DRC ist nachvollziehbar, man könnte es etwas salopp wie folgt umschreiben: »Wir, DRC, geben euch die Weine zu einem Preis weit unter Marktwert, weil wir wollen, dass echte Kenner nicht durch die spekulativen Tendenzen des Markts vom Genuss eines DRC-Weins ausgeschlossen werden. Deshalb macht bitte diese Flaschen nicht einfach nur zu schnellem Geld!«

Der Traum aller Burgunder-Fans: Mit Aubert de Villaine (l.) die Weine der Domaine de la Romanée vom Fass probieren dürfen.
© Getty Images
Der Traum aller Burgunder-Fans: Mit Aubert de Villaine (l.) die Weine der Domaine de la Romanée vom Fass probieren dürfen.

Das heißt: Privatleute sollen die Weine selbst einkellern und früher oder später auch selbst trinken, Gastronomen sollen sie zu fairen Preisen auf die Karte setzen. Zu Preisen, die reflektieren, dass das Restaurant nicht den Preis des Sekundärmarkts bezahlt hat, sondern nur einen Bruchteil davon.

Das zweite sehr wesentliche Interesse der Domaine hat mit dem Versuch zu tun, Fälschern das Leben so schwer wie möglich zu machen. Da DRC-Weine zu den am häufigsten gefälschten Objekten auf dem Fi­ne-Wine-Markt gehören, ist die Allokationsliste zugleich eine White List ehrlicher Zeitgenossen. Die Flaschen gehen ausschließlich an Liebhaber, die unverdächtig sind, etwa eine selbst geleerte Flasche an Fälscher zu verkaufen, die sie dann mit irgendeinem Wein füllen und mit einer gefälschten Kapsel so rekondi­tionnieren, dass die gefakte Flasche für teures Geld versteigert werden kann.

Gerüchteweise war auch schon zu hören, dass DRC seine Privatkunden bittet, eine geleerte Flasche zu zertrümmern, und ein Foto von der unbrauchbar gemachten Flasche zur Verfügung zu stellen. Diese Fälschungsprohylaxe erklärt auch zum großen Teil, warum die Domaine so verschwiegen ist: Man möchte einfach nicht, dass sich die Kriminellen auf die Maßnahmen einstellen können, die DRC trifft.


Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2022

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Wein-Chefredakteur Deutschland
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