© Stine Christensen, Johannes Kernmayer

Cortis Küchenzettel: Taverna in Balkonien

Die griechische Küche schöpft aus einem gewaltigen Erbe und verschiedensten Einflüssen. Am besten schmeckt sie, wie so oft, wohl vor Ort, vom »Genius Loci« geküsst. Daheim hingegen darf man sich ihr auch wenig orthodox nähern.

Es ist ein paar Monate her, dass ich im Weinkeller meiner Mutter eine sehr alte Flasche Retsina entdeckte. Niedriger Füllstand, eine Farbe, die mehr an Tee als an Wein denken lässt, vergilbtes Etikett. Eine handschriftliche Notiz meines längst verstorbenen Vaters am oberen rechten Rand war aber zu entziffern: ­»Patmos 1978«.

Offenbar ein längst vergessenes Mitbringsel von einer Reise meiner Eltern. Der Geschmack des geharzten Weins (»wie das Blut der Erde« gemäß Udo Jürgens) muss sie auf Patmos bezaubert haben, anders ist die Mühe kaum zu erklären, die Flasche trotz mehrmaligen Umsteigens (damals unvermeidlich) von der kleinen Insel bis nach Wien zu schleppen.

Zu Hause wurde sie im Keller geparkt, für einen besonderen Moment zur Seite gelegt – und vergessen. Wer in unseren Breiten am Retsina nippt, kann das verstehen. Was in Urlaubsstimmung, in der archaischen Schönheit des Dodekanes, wie ein Geschmack aus den Tiefen der Zeit, voll herb antiker Schönheit, erscheinen mag, das kommt im nüchternen Ambiente der eigenen vier Wände schnell einmal als jenseitig (im Sinne von jenseits der Genießbarkeit) rüber. Im Zweifel bleibt der Zauber der Erinnerung deshalb besser fest in der Flasche verschlossen.

Mit der griechischen Küche verhält es sich nicht ganz so eindeutig, auch sie schmeckt vor Ort, in Ferienstimmung, meist besser als daheim. Zwar kann man in Griechenland mitunter wirklich hochklassig essen, der generelle Standard tut sich aber immer noch schwer, mit jenem anderer Mittelmeerländer mitzuhalten. Dabei ist die Tradition reich und auch die Einflüsse der umliegenden, grandiosen Küchentraditionen – von der osmanischen bis zur libanesischen – würden Hoffnung zu großen Leistungen geben. Doch selbst die Idee, den türkischen Döner mit Schweinefleisch statt Rind zu schichten (Gyros), fraglos eine köstliche kulinarische Bereicherung, hat den Welterfolg erst in der Form von Tacos al Pastor in der mexikanischen Tradition erleben dürfen. Hier ist der große, vertikal gegrillte Schweinefleischspieß freilich durch libanesische Auswanderer bekannt geworden.

So freuen wir uns an den Klassikern der griechischen Kulinarik, und da gehört Spanakopita ganz eindeutig dazu. Der außen zart splitternde, knusprige Strudelteig und das cremig gemüsige Innere mit Feta, Dill und Spinat gehen eine geniale Kombination ein. Für daheim kann das Vorrichten aber wirklich in Arbeit ausarten. Die Abwandlung als eine Art Pfannenauflauf mit Strudelkrone hingegen ist wirklich werktagsdinnertauglich. Frischer Blattspinat macht aber auch hier einen gewaltigen sensorischen Unterschied. Tipp: In den zahlreichen türkischen Supermärkten ist er fast immer zu haben!

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Erschienen in
Falstaff Nr. 03/2024

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Severin Corti
Severin Corti
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