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Falstaff Icons: IWC - Die wahre Größe der Zeit

Die International Watch Company begann als amerikanischer Traum – und wurde mit Schweizer Präzision zum Leben erweckt.

Die Geschichten exklusiver Schweizer Luxusuhren beginnen meist so: »In einer kleinen Uhrenmanufaktur im Valle de Joux …« Nicht so die von IWC. Die Story der International Watch Company beginnt wie jede amerikanische Geschichte – als großer Traum. IWC wurde 1868 vom amerikanischen Uhrmacher und Ingenieur Florentine Ariosto Jones gegründet, und zwar gleich als Aktiengesellschaft. Er fasste den Entschluss, in der Schweiz qualitativ hochwertige Uhren für den US-Markt fertigen zu lassen. Die Schweiz war aus seiner Sicht ein attraktiver Standort, weil dort qualifizierte Uhrmacher zur Verfügung standen und das Lohnniveau unter (!) dem der USA lag. Doch in Genf und den abgelegenen Juratälern der Westschweiz stand man Jones’ Plänen skeptisch gegenüber. Seit dem 17. Jahrhundert arbeiteten Uhrmacher dort zu Hause oder in kleinen Ateliers. Jones hingegen träumte von einer modernen Manufaktur mit straffem Management.
Die Firmengründung sowie der Kauf von Maschinen und die Errichtung des Neubaus für die Produktion in Schaffhausen 1875 verschlangen aber mehr Geld als ge­plant, sodass Jones seinen Plan aufgab und zurück in die USA ging. Auch seinem Nachfolger Fred Seeland gelang es nicht, IWC in die schwarzen Zahlen zu führen. Die Wirtschaftskrise in Europa und die hohen Einfuhrzölle wirkten sich negativ auf die Geschäfte aus. Seeland verließ IWC 1879. Nachdem zwei amerikanische Geschäftsführer den Betrieb gelenkt hatten, kaufte der Schaffhausener Industrielle Johannes Rauschenbach-Vogel 1879 die IWC. Unter seiner Leitung und später unter der seines Sohns gelang der wirtschaftliche Durchbruch. Enkelin Emma Marie Rauschenbach heiratete den berühmten Psychologen und Psychiater Dr. Carl Gustav Jung, ihre Schwester Bertha Margaretha nahm den Industriellen Ernst Jakob Homberger zum Mann. 1929 übernahm dieser den Anteil seines Schwagers C. G. Jung und wurde Alleininhaber von IWC.
Spezialuhren für Piloten
1936 setzte IWC ein Zeichen, das die Marke zu einer Ikone der Uhrmacherkunst machen sollte: Die erste »Spezialuhr für Flieger« wurde lanciert. Piloten orientierten sich damals mithilfe von Taschen- und Armbanduhren für Flieger gab’s noch selten. Die erste IWC-Spezialuhr für Flieger verfügte bereits über ein stabiles Glas, eine Drehlünette mit Registrierzeiger für Kurzzeitablesung, eine antimagnetische Gangpartie sowie stark kontrastierende und bei Dunkelheit leuchtende Zeiger.

Von 1940 an fertigt IWC die nach militärischen Anforderungen konstruierte »Grosse Fliegeruhr 52 T. S. C.« mit Manufakturwerk. Mit einem Gehäusedurchmesser von 55 Millimetern und einem Gewicht von 183 Gramm ist sie die voluminöseste je bei IWC gebaute Armbanduhr. Sie erfüllt hinsichtlich Genauigkeit die Chronometernorm und die damaligen technischen Anforderungen einer Navigationsuhr. Dazu gehören u. a. eine Zentrumsekunde mit Stoppvorrichtung, damit Piloten ihre Uhren sekundengenau synchronisieren können, sowie ein überlanger Lederriemen zum Tragen der Uhr über der Fliegerkombi. Ihr übersichtliches, extrem reduziertes Zifferblattdesign orientiert sich an den Bordinstrumenten damaliger Flugzeuge wie der legendären Ju 52. Der rasante technische Fortschritt bringt es mit sich, dass die Piloten während des Fluges immer mehr Anzeigen überwachen müssen. Deshalb legen sie größten Wert auf ein übersichtlich gestaltetes Cockpit und beste Ablesbarkeit auch bei schwierigsten Lichtverhältnissen. Die Instrumente sind meist rund und haben helle, mit Leuchtmasse versehene Zeiger auf schwarzem Grund. Dieser Look inspirierte die Designer von IWC auch bei der Gestaltung der ab 1948 gebauten »Mark 11« mit dem Handaufzugkaliber 89. Die berühmteste Fliegeruhr der Schaffhausener Manufaktur wurde ursprünglich für die Royal Air Force gebaut und war dort mehr als dreißig Jahre im Einsatz. Ihr Werk ist mit einem Weicheisen-Innengehäuse ummantelt, um das Uhrwerk vor Magnetfeldern zu schützen. Die ersten Exemplare der »Mark 11« und der »Grossen Fliegeruhr« laufen heute immer noch wie am ersten Tag und sind gesuchte Sammlerobjekte in Spitzenqualität.

Uhren für Seefahrer
Nur wenige Jahre nach der Einführung der Fliegeruhr brachte IWC 1939 das zweite große Prestigestück auf den Markt: die »Portugieser«-Uhr. Zwei portugiesische Importeure bestellten eine Serie großer Armbanduhren im Stahlgehäuse, die ebenso ganggenau sein sollten wie ein Marinechronometer. Da sich dies damals nur mit einem Taschenuhrwerk erfüllen ließ, baute IWC ein Savonette-Uhrwerk (bei dem sich die Aufzugskrone ohnehin auf der rechten Seite befand) in ein Armbanduhrgehäuse ein. 1967 präsentierte IWC auf der Uhrenmesse in Basel die »Portugieser Yacht Club Automatic« – eine edle Herrenarmbanduhr, die für die Strapazen auf rauer See wie geschaffen war. Ihr Werk war im Gehäuse federnd aufgehängt, auf Gummipuffern gelagert und damit doppelt stoßgesichert. Das Kaliber 8541 konnte so bei Schlageinwirkung ausweichen und auf diese Weise Stöße und Schläge neutralisieren. Die Stahlvariante war bis zu zehn Bar wasserdicht, die Variante im Goldgehäuse bis zu sechs Bar. Exklusivität, kombiniert mit Robustheit und Alltagstauglichkeit – kein Wunder, dass die »Yacht Club« zu einer der meistverkauften IWC-Uhren avancierte.

Das »Ur-Uhrwerk« Da Vincis
Mitte der Sechzigerjahre gab es einen Einschnitt in der Uhrenwelt: Ein Quarz brachte die Räder der Zeit zum Laufen – nicht mehr eine Spiralfeder. IWC beteiligte sich an der Entwicklung des Quarzwerks Beta 21, eines von Schweizern produzierten Armbanduhrkalibers mit einer Schwingungsfrequenz von 8192 Hertz. Es wurde eine uhrmacherische Revolution. Diese Umwälzung bewog IWC dazu, Ende der Sechzigerjahre eine Uhr vorzustellen, die nach Erfinder Leonardo da Vinci benannt ist. Dieser erfand zwar Dinge wie den Hubschrauber, den Panzerwagen, die Mehrfachkanone, das Fahrrad, den Fallschirm und den Tauchapparat – all diese Geräte konnte man mit den damaligen Technologien aber noch nicht bauen. Im Rahmen einer von IWC initiierten Da-Vinci-Ausstellung entpuppte sich ein vermeintlicher Flugantrieb als »Ur-Uhrwerk« – eine Entdeckung, die weltweit für Aufsehen sorgte. Die »Da Vinci«-Uhr kam auf den Markt, allerdings führten der Massenimport günstiger Quarzwerke aus Fernost, die Ölkrise und der Fall des Dollarkurses gegenüber dem Franken die Schweizer Uhrenindustrie in ihre größte Krise. Trotz allem hatte sich bei IWC die klassische Kunst der Mechanik erhalten, etwa in komplizierten Taschenuhren. So präsentierte der Betrieb 1985 ein Meisterstück der Haute Horlogerie: die Da Vinci als mechanischen Chronographen mit vollständig mechanisch programmiertem ewigem Kalender und Anzeige mit vierstelliger Jahreszahl.

Die »Ingenieur«-Familie
Mitte der Siebzigerjahre lieferte IWC mit der »Ingenieur«-Familie dann eine Antwort auf Quarzwerke. Als der Uhrendesigner Gérald Genta am Ufer des Genfer Sees spazieren ging, bemerkte er einen Taucher, dessen Helm durch Schrauben mit seinem Taucheranzug verbunden war. Das inspirierte ihn. Statt Schrauben zu kaschieren, präsentierte er sie auf der Uhrenlünette. Für IWC entwarf er die legendäre Ingenieur SL, Referenz 1832. Ihre Lünette weist fünf Ansatzbohrungen auf, in die bei der Herstellung ein spezielles Werkzeug eingriff, um die Glasfassung beim Aufschrauben in Position zu bringen. Die Uhr kam 1976 auf den Markt. Ihr Design steht für Werte wie Robustheit, Sportlichkeit und Technikfaszination und prägt das Erscheinungsbild der Ingenieuruhren bis heute.
Stiller Star: Die Portofino
Ende der Achtzigerjahre setzte IWC einen Kontrapunkt zur technischen »Ingenieur«-Uhr. »I found my love in Portofino«, heißt es in einem Chanson aus den Fünfzigerjahren. Es war die Zeit, als Stars wie Grace Kelly, Elizabeth Taylor und Humphrey Bogart das Fischerdorf an der ligurischen Küste entdeckten – und mit ihm die Leichtigkeit mediterraner Lebensart. Man saß in den Cafés am Hafen, nippte am Espresso, schaute den einlaufenden Booten zu. Die klassisch-elegante »Portofino«-Uhrenfamilie spiegelt dieses Lebensgefühl wider. Seither ist sie stiller Star der IWC-Kollektionen. Eine »Portofino« ist zuverlässig, wertbeständig und zeitlos modern. Die Referenz 5251 stand für die »Portofino«-Linie Pate. Sie zeigte 1984 gegen allen Zeitgeist Mut zur Größe – mit 46 Millimetern war sie kaum zu übersehen. Auffällig waren auch ihre klaren Proportionen und der Hauch von Extravaganz: die Mondphasenanzeige aus echtem Goldfluss mit eingeschlossenen Kupferpartikeln als blinkende Sternchen – eine kunstvolle Arbeit aus der italienischen Glasstadt Murano. Das originelle Design und die geringe Auflage trugen dazu bei, dass die Ur-»Portofino« heute unter Sammlern als Rarität gehandelt wird.

Der Aufstieg zur Weltmarke
1978 übernahm der Instrumentenbauer VDO Adolf Schindling AG den Betrieb. IWC produzierte den weltweit ersten Chronographen im Titangehäuse, die Gestaltung kam von F. A. Porsche. Die Uhr wurde zu einer weiteren Ikone der Uhrmacherkunst. Zu Beginn der Achtzigerjahre übernahm Günter Blümlein das Management und führte die Marke zum Höhepunkt ihrer Bedeutung. IWC feierte 1993 das 125-jährige Bestehen mit einer uhrmacherischen Leistung der Sonderklasse: Die »Il Destriero Scafusia« wurde in einer Auflage von nur 125 Stück hergestellt. 1999 tauchte IWC auch in die Welt der Unterwasseruhren ein: Die »GST Deep One« ist die erste IWC-Uhr mit mechanischem Tiefen­messer. Im Jahr 2000 erfüllte sich dann der Traum des IWC-Gründers Jones. Das Unternehmen wurde Teil eines weltumspannenden Konzerns, doch nicht eines amerikanischen, sondern eines schweizerischen. Die Richemont-Gruppe übernahm die Schaffhausener Watch Company und machte IWC endgültig zur Ikone in der Welt der Luxusuhren.
Mehr Info:
www.iwc.com
Text von Thomas Martinek
Aus Falstaff Magazin 04/13

Thomas Martinek
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