Gerne wird der Gruyère als Meisterwerk Schweizer Käserkunst bezeichnet. Liebhaber schätzen den Hartkäse aus der ehemaligen Grafschaft Greyerz für sein ausgeprägt würziges Aroma.

Gerne wird der Gruyère als Meisterwerk Schweizer Käserkunst bezeichnet. Liebhaber schätzen den Hartkäse aus der ehemaligen Grafschaft Greyerz für sein ausgeprägt würziges Aroma.
© Le Gruyère AOP

Le Gruyère: Vater aller Hartkäse

Gruyère ist der Inbegriff eines Hartkäses – mehr oder minder salzig im Geschmack, würzig und mit krümeliger Konsistenz bei fortschreitender Reife. Le Gruyère AOP – wie der Schweizer Käse mit vollem Namen heißt – gehört zu den berühmtesten Spezialitäten des alpinen Käselandes.

Die Produzenten des Le Gruyère AOP in der Westschweiz sind Opfer ihres eigenen Erfolgs. Während ihr Gruyère-Käse in der Schweiz und der EU mittels einer geschützten Ursprungsbezeichnung umfassenden Schutz genießt, lehnte es ein US-Gericht Anfang 2021 ab, den Käse und seine Herkunft zu schützen. Und das ganz einfach deshalb, weil er zu etabliert sei: Gruyère gelte in den USA als eine Käseart und bezeichne nicht eine bestimmte Sorte, ließ das Gericht in seinem Urteil verlauten. Als Gruyère bezeichnete Käse, die eben nicht aus der gleichnamigen ehemaligen Grafschaft in der Westschweiz stammen, gibt es aber nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auch in einigen anderen Ländern. Dem Erfolg tut das keinen Abbruch, wie die Exportzahlen für Le Gruyère AOP belegen. Noch nie wurde so viel Le Gruyère AOP in die USA exportiert wie im Jahr 2022 – Gruyère ist und bleibt der exportstärkste Käse der Schweiz. 


Steckbrief: Le Gruyère AOP

Typ: Hartkäse aus Rohmilch

Produktionsgebiet: Schweizer Kantone Freiburg, Waadt, Neuenburg, Jura und einige Gemeinden des Kantons Bern

Geschmack: Würzig-fruchtig, mehr oder minder salzig

Konsistenz: Je nach Reifezeit mehr oder minder krümelig

Gewicht eines Laibs: 25 bis 40 kg

Reifezeit: Mindestens 5 Monate

© Le Gruyère AOP

Ein Käse mit Geschichte

Nicht nur in Übersee ist Gruyère in aller Munde, in Frankreich etwa benutzt man den Begriff gerne als Synonym für Hartkäse im Allgemeinen – und liegt damit vielleicht gar nicht so falsch. In der Herkunftsregion des Gruyère mit seinem Zentrum im Schweizer Kanton Freiburg ist die Käseherstellung seit Jahrhunderten etabliert und der Gruyère-Käse, wie wir ihn bis heute kennen, vermutlich seit dem Ende des 16. Jahrhunderts bekannt. Gesichert ist, dass das Wort »Gruyère« für einen Käse mit bestimmter Herkunft 1762 in das Wörterbuch der Académie française aufgenommen wurde.

In dieser Epoche war der Gruyère-Käse bereits international bekannt und beliebt. Rund 2500 bis 3000 Tonnen wurden damals auf den Alpen des Greyerzerlandes hergestellt – heute ist es mehr als das Zehnfache. Überwiegend wirtschaftlich bedingt, wanderten die Produzenten und mit ihnen das Fachwissen vom Kanton Freiburg in andere Regionen ab – vorwiegend in die Kantone Waadt und Neuenburg, aber auch in den Jura und ins benachbarte Frankreich. Die Produktionszone des Gruyère weitete sich aus, gleichzeitig wurde er vielfach abgewandelt oder kopiert. Als Abkömmlinge des traditionellen Gruyères gelten etwa die Schweizer Käse L’Etivaz, Emmentaler und Sbrinz sowie die französischen Paradesorten Comté und Beaufort.

Erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts bemühten sich die Produzenten in der Urzone des Gruyère gemeinsam um den Schutz ihres Käses. In dieser Zeit entstanden auch die ersten Talkäsereien und im Zuge des Übergangs von saisonaler zu ganzjähriger Produktion konnte der Ausstoß an Gruyère-Käse beträchtlich gesteigert werden. 

Bis der Käse des Greyerzerlandes geschützt war, sollten aber noch einige Jahre vergehen. Gespräche in Madrid (1891), Paris (1926) und anschließend in Rom (1939) führten zunächst zur Unterzeichnung eines ersten Vertrags über den Schutz der Bezeichnungen und des Ursprungs von Handelswaren. Le Gruyère AOP wurde aber erst im Jahr 2001 international mit der kontrollierten Ursprungsbezeichnung AOC versehen und erhielt erst 2011 die geschützte Ursprungsbezeichnung AOP für ganz Europa.

Seit der Einführung der Ursprungsbezeichnung im Jahr 2001 sind die traditionellen Herstellungsschritte des Le Gruyère AOP detailliert in einem Pflichtenheft aufgeführt. Grundlage für die Herstellung ist immer Rohmilch von Kühen, die nur natürliches Futter zu sich nehmen – im Sommer ist dies frisches Gras und im Winter Heu. Bei der eigentlichen Käseherstellung kommen Milchsäurebakterien sowie Lab zum Einsatz. Da die Milch vor der Gerinnung nicht erwärmt wird, behält sie all ihre Aromen – der Clou bei jedem Rohmilchkäse.

Der durch die Gerinnung entstandene Käsebruch wird mit Hilfe großer Messer – den Käseharfen – in Käsekörner geteilt. Die Masse wird langsam in einem Kupferkessel auf 57 Grad erwärmt, woraufhin sie in Pressformen kommt. Der Käse wird jetzt 20 Stunden gepresst, kommt dann für 24 Stunden in ein Salzbad und reift anschließend drei Monate lang im Keller der jeweiligen Käserei. Dabei wird er fast täglich gepflegt, damit sich die Schmiere bildet, die den Laib schützt. Nach dreimonatiger Lagerung kommt der Le Gruyère AOP in einen Reifungskeller. Fünf bis 18 Monate lang reifen die Laibe hier bei rund 15 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von 90 Prozent der Perfektion entgegen. Während dieser Phase werden sie regelmäßig gewendet und mit Salzwasser eingerieben. Nach vier Monaten kontrolliert eine Kommission die Qualität. Sie entscheidet, ob der betreffende Käse den Namen Le Gruyère AOP verdient, erst danach kommt er in den Verkauf oder reift noch weiter.

Vielfältig im Geschmack

Unterschieden wird zunächst zwischen Le Gruyère AOP sowie Gruyère d’Alpage, wobei Letzterer nur im Sommer auf den Alpen hergestellt wird. Weiter entscheidet die Reifung über den finalen Geschmack. Nach sechs bis neun Monaten ist der Käse sanft und fein, nach zehn Monaten wird er rezenter und als Réserve bezeichnet. Einige Laibe werden bis zu 18 oder gar 24 Monate gereift. Liebhaber schwören auf reifen Le Gruyère AOP, dieser entwickelt Salzkristalle im Teig und wird besonders mürbe. Eine weit verbreitete, reife Gruyère-Version ist der Kaltbach Le Gruyère AOP, der während zwölf Monaten in Salzsteinhöhlen im Kanton Luzern reift. Löcher hat Le Gruyère AOP übrigens keine, oder wenn, dann nur kleine – auch das wird streng kontrolliert. Diese sind vor allem im zweiten Schweizer Paradekäse – dem Emmentaler – zu finden.

Le Gruyère AOP in perfekter Reife gehört eigentlich auf jede Käseplatte, der Käse ist jedoch auch wichtiger Bestandteil der Schweizer Küche und wird in vielen Rezepten verwendet. Das berühmteste? Natürlich Käsefondue, bei dem der Hartkäse eine zentrale Rolle einnimmt. Bei der klassischen Version moitié-moitié – was so viel wie halb-halb bedeutet – macht Le Gruyère AOP die Hälfte des Käses aus, zur anderen Hälfte wird der weichere Vacherin Fribourgeois AOP verwendet – der zweite berühmte Käse mit Wurzeln in der Region Freiburg. Doch der kennt seine ganz eigene Geschichte.


 

Erschienen in
Falstaff Nr. 01/2023

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