Prinz Albert von Monaco engagiert sich für Bodengesundheit.

Prinz Albert von Monaco engagiert sich für Bodengesundheit.
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Living Soil Forum in Arles

Moët Hennessy veranstaltet einen großen Kongress zum Thema Bodenleben, Nachhaltigkeit und Klimaschutz.

Schon die Wahl der Ortes hat Symbolkraft: Arles in der Provence liegt nicht nur wenige Kilometer von einem der größten und unberührtesten Naturschutzgebiete Europas entfernt, der Camargue. Arles hat auch eine bis zur Antike zurückreichende Geschichte und ein römisches Theater. An die Idee des Forums, des offenen und öffentlichen Diskurses, knüpft das Tagungsformat ganz explizit an, auch in der Architektur der Tagungsstätte, die aus vier beweglichen Segmenten einer Art Arena besteht, die für Plenumsveranstaltungen zu einem Kreis zusammengeschoben werden können, oder sich dann trennen und voneinander abwenden lassen, so dass vier kleine Bereiche für »Ateliers«, also für Workshops im kleineren Kreis entstehen.

»The floor is to you, scientists«

Warum schreibt sich ein Unternehmen von der Größe und Marktmacht Moët & Chandons Themen auf die Fahne, die noch vor wenigen Jahren definitiv eher am Rand der Branche diskutiert wurden? Moët-CEO und President Philippe Schaus gab darüber bei seiner Begrüßung der rund 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer Auskunft: Es seien in der Vergangenheit so viele Böden zerstört worden, dass Handeln geboten sei. Moët wolle der Katalysator einer neuen, »offenen und möglichst diversen« Community werden. »Wir sind glücklich, dass heute  auch zahlreiche Mitbewerber hier sind, NGOs und Forscher. Und alle unsere eigenen Maisons sind hier.« Schauss spricht von »Integrität« und darüber, dass die Öffentlichkeit zurecht erwarte, dass die Akteure am Weinmarkt vorangingen, Initiativen ergreifen, dass sie Verantwortung wahrnähmen. »And now«, endete er seine Ansprache, »the floor is to you, scientists!«.

Diagnosen und Lösungsansätze

Am ersten Tag ging es bereits tief in einzelne Themen hinein, und man erfuhr interessante Zahlen: So schilderte Dr. Kris Nichols, Forschungsdirektorin beim Beratungsunternehmen »My Land«, dass jedes Jahr weltweit etwa 1,7 Milliarden Tonnen an Oberböden alleine durch Erosion verloren gehen. Stuart Orr vom WWF nannte eine weitere Zahl, die erstaunt: 70 Prozent allen Wassers, das aus Flüssen und Seen entnommen werde, diene der Bewässerung landwirtschaftlicher Kulturen. Professorin Diana Wall von der Colorado State University legte dar, dass sich 40 bis 50 Prozent aller Biodiversität auf unserem Planete unter der Erde befinde: Tiere und Mikroben, die wir in der Regel nicht sehen, die aber für die Funktion des Ökosystems Boden essentiell sind.

Zur Bearbeitung der mit solchen Diagnosen verknüpften Problemfelder wird viel weitere Grundlagenforschung notwendig sein. Doch aus der Praxis heraus stehen bereits zahlreiche Lösungsansätze bereit: So legte beispielsweise Lillian Berillon, der Betreiber einer Rebschule, dar, dass beim Pfropfen der Reben die Wahl einer richtigen Unterlagsrebe eine zentrale Rolle spiele, um eine optimale Aufnahme des verfügbaren Wassers zu gewährleisten. Kees van Leeuwen von Bordeaux Science Agro ereiferte sich darüber, dass weltweit immer nur die selben 20 Rebsorten gepflanzt würden, obwohl es schätzungsweise 10.000 vinifera-Sorten mit den unterschiedlichsten Profilen gebe: »Es gibt enorme Ressourcen die schon da sind, die wir aber kaum nützen«. Edouard Bergeon, selbst Landwirt und TV-Produzent, legte dar, dass das Bedecken der Böden mit Begrünungsmaßnahmen zentral sei für alle weiteren Überlegungen: »Wenn der Boden nackt ist, tötet das alles.«.

Ein Blick in die Zukunft des Weinbaus

Auch an Prominenz fehlte es nicht: Prinz Albert von Monaco mahnte, ohne Zögern voranzugehe. Und er zitierte in einem Grußwort Theodore Roosevelt mit dem bemerkenswerten Satz aus dem Jahr 1935: »Eine Nation, die ihre Böden zerstört, zerstört sich selbst«.

In den Diskussionen blitzen immer wieder Lösungsansätze auf: Ein staatlich geleitetes Wassermanagment beispielsweise, das mit Echtzeitdaten und mittelfristigen Niederschlagsprogonosen die Verteilung der verfügabren Wassermengen steuert, gehört ebenso zu diesen Ansätzen wie das Pflanzen von Bäumen, um landwirtschaftlcihe Monokulturen zu brechen und das Wasserhaltevermögen der Böden zu verbessern. Auch als CO2-Speicher sind gesunde Böden übrigens einsetzbar, was der Landwirtschaft einen bedeutenden Hebel an die Hand geben könnte, um notwendige Maßnahmen auch zu finanzieren. Auch auf politischer Ebene tut sich etwas: Claudia Olazabal, in der EU-Kommission zuständig für »land use and management«, kündigte für Sommer 2023 die Vorlage eines »soil health law« ans europäische Parlament an.

Nicht alle Themen wurden unkontrovers diskutiert, natürlich nicht. Das ist ja auch der Sinn eines solchen Forums. In einem Punkt jedoch herrscht große Einigkeit: Zusmmenarbeit ist wesentlich, unter den Akteuren vor Ort, aber auch global. Alleingänge seien dazu verurteilt, nur kurzfristige Besserung zu bringen, so der Tenor der Forschung. Sehr emotional und sympathsich brachte es Gilles Boeuf, Biologieprofessor an der Sorbonne und ehemaliger Staatsminister für Umwelt, Energie und Meer, in einer Art Schlusswort des Tages auf den Punkt: Es gehe um das hier, sagt er, und klopft dabei mehrfach mit der Hand auf den Scheitel seines eigenen Kopfes. Alles eine Frage der Einstellung. Und dann schließt er das Plädoyer an: »changeons ensemble!« – Verändern wir uns doch gemeinsam alle miteinander!

Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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Von Redaktion