Saisonal und frisch: Das sind die Schlagworte für moderne Großküchen.

Saisonal und frisch: Das sind die Schlagworte für moderne Großküchen.
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Masse mit Klasse – Neue Großküchenkonzepte

Gemeinschaftsverpflegung und Großküchen im KARRIERE-Check: die Herausforderungen, die Trends und der große Unterschied zu den À-la-carte-Küchen.

Mehr als drei Millionen Menschen nutzen in Österreich täglich Gemeinschaftsverpflegungen. Kindergärten, Schulbuffets, Mitarbeiterkantinen, Krankenhäuser oder Senioreneinrichtungen – Frühstück, Mittag-, Abendessen, Jause und Snacks: Es sind die Großküchen und ihre Mitarbeiter, die in diesem wesentlichen Bereich der Gastronomie Tag für Tag Tonnen an Lebensmitteln verarbeiten und diese für ein hochsensibles Publikum zubereiten. Es ist aber auch jener Bereich, der oft im Schatten steht im Vergleich zu den Restaurants im Rampenlicht und ihren gefeierten Spitzenköchen.

»Auch eine Großküche kann sexy sein. Die Menge ist die Herausforderung. Denn auch hier muss am Ende Qualität
auf die Teller.«
Walter Mayer Küchenchef LKH Graz-Süd

Zu Unrecht, wie Walter Mayer sagt. Der Steirer ist seit 2004 Küchenchef des LKH Graz-Süd. An einem durchschnittlichen Tag verlassen seine Küche mehr als tausend Frühstücke und um die 2700 Menüs. Beliefert wird nicht nur das LKH selbst, sondern auch ein weiteres Krankenhaus in Voitsberg, ein Seminarzentrum, eine Mitarbeiterkantine und ein Kindergarten. »Auch eine Großküche kann sexy sein«, sagt Mayer. Gesehen hat er beide Seiten. Bevor er sich für die Herausforderung der Gemeinschaftsverpflegung entschieden hat, war er in der nationalen und internationalen Spitzengastronomie beschäftigt, Auszeichnungen und Bewertungen der wichtigsten Guides inklusive. »Der große Unterschied ist natürlich die Menge«, so Mayer. »Aber genau die macht das Ganze sensibel. Ein kleiner Fehler in der Kalkulation wirkt sich hier riesig aus.« Die Herausforderungen sind in den vergangenen Jahren gestiegen: Seine Menüs kann Mayer in mehr als 40 unterschiedliche Kostformen abändern. Eine Rolle spielen Unverträglichkeiten, Allergien und Diäten und immer mehr auch eine ethische Küche, die Rücksicht auf die Ernährungsregeln unterschiedlicher Religionen nimmt.

Wachsender Markt

»Der Trend bei der Gemeinschaftsversorgung geht ganz klar hin zu einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Verpflegung«, sagt Martina Pecher. Seit vier Jahren ist die Niederösterreicherin einer der bestimmenden Köpfe der »ARGE Gemeinschaftsverpflegung«, die Unternehmen nicht nur hinsichtlich der Ernährung berät, sondern auch zu Themen wie Hygiene in Großküchen oder Optimierung von Speiseplänen und Rezepturen. Der Bereich der Gemeinschaftsverpflegung sei ein stark anwachsender, sagt Pecher. »Bei den Kindern nimmt die Tagesbetreuung zu und ebenso die Ganztagsschulen. Und es entstehen auch immer mehr Senioreneinrichtungen. Gemeinschaftsverpflegung wird also zu einem wesentlichen gastronomischen Faktor.« Längst drängen sich am Markt zahlreiche Unternehmen, die optimale Lösungen für die Gemeinschaftsverpflegung anbieten. 

Die Eurest-Kantine im IZD-Tower nach ihrer Neugestaltung.
© Eurest
Die Eurest-Kantine im IZD-Tower nach ihrer Neugestaltung.

Neue Konzepte

Die Ansprüche der Gäste sind hoch, Regionalität, Qualität und Frische auch in diesem Bereich gefragt. Eine Möglichkeit, dem gerecht zu werden, ist, auf das innovative System Cook & Chill zu setzen. Bei diesem Verfahren werden die frisch zubereiteten Speisen innerhalb kurzer Zeit auf eine Temperatur von unter vier Grad gekühlt und können bei ununterbrochener Kühlkette einige Tage ohne Qualitätsverlust gelagert werden. Unmittelbar vor der Ausgabe werden die Speisen dann auf Verzehrtemperatur gebracht. Das bringt viele Vorteile mit sich: gleichbleibend hohe Qualität der Speisen – unabhängig von der Person, die sie zubereitet, weniger Stress in der Küche sowie hohe Flexibilität, denn die Speisen können innerhalb kürzester Zeit nachproduziert werden. Zudem benötigt eine Cook-&-Chill-Küche etwa 30 Prozent weniger Platz als eine konventionelle Küche. Ein System, mit dem unter anderem etwa auch Sodexo, einer der größten Player in diesem Markt, arbeitet. Sodexo unterhält allein in der DACH-Region für die sogenannten On-site-Services 700 Betriebe mit 12.500 Mitarbeitern und versorgt täglich 430.000 Gäste. In Österreich ist Sodexo an 1200 Standorten mit rund 3800 Mitarbeitern vertreten und erreicht mit seinen Services rund 70.000 Menschen täglich.

Innovationen

»Service, Wertschöpfung und Innovation sind heute auch in Großküchen unerlässlich«, sagt man bei Eurest, ebenfalls eine der Größen der Branche. In Österreich sind es 85 Firmen, Institutionen, Seniorenheime, Krankenhäuser, Schulen und exklusive Veranstalter, die auf das Know-how von Eurest in puncto Menüs, Zwischenmahlzeiten, Snacks und Buffets setzen. Darunter namhafte Marken wie OMV, Siemens, Mediaprint oder Opel. Unerlässliche Messinstrumente für die Gemeinschaftsgastronomie sind laufende Gästebefragungen und Kundeninterviews. Daraus resultiert auch das Wissen um die Wichtigkeit von Regionalität, die in dieser Sparte einen Schwerpunkt einnimmt. »Fairtrade, Bio und Regionalität sind uns besondere Anliegen. Derzeit liegt der Kaufanteil an in Österreich verfügbaren Produkten bereits bei über 82 Prozent. Die Zusammenarbeit mit Landwirten und Lieferanten aus der Region soll in Zukunft noch weiter ausgebaut werden«, heißt es bei Eurest.

Speiseplanung

Ein wesentlicher Faktor ist damit auch die Planung. Im LKH Graz-Süd plant Walter Mayer seine Menüs stets vier Wochen im Voraus. Dazu rät auch Martina Pecher von der »ARGE Gemeinschaftsverpflegung«: »Um den Anforderungen nach Vielfalt und Abwechslung gerecht zu werden, soll die Speiseplanung für das Mittagessen zumindest auf einen vierwöchigen Menüzyklus ausgerichtet sein. Keine Speise sollte sich in diesen vier Wochen wiederholen.« In der Zusammensetzung der Speisen orientiert man sich an den Empfehlungen der Gesellschaft für Ernährung. So etwa auch beim Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser (KWP), das österreichweit der größte Anbieter für Seniorenbetreuung ist: 9000 Bewohner in 30 Häusern werden in ebenso vielen Frischeküchen verpflegt. Seit 2014 sind sie alle Träger des Österreichischen Umweltzeichens für die Gemeinschaftsverpflegung. Das Wort Verpflegung will man bei KWP nicht hören: »Essen ist nicht nur Verpflegung. Vor allem ist es Genuss, Geschmack, gesunde Ernährung und ein effizienter Einsatz der Ressourcen.«

Story aus Falstaff Karriere 02/18.

Spitzenkoch Roland Trettl entwickelte für Sodexo die Linie »Peter + Silie«.
© Mario Andreya / Sodexo
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Michael Pöcheim Pech
Autor
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