Der elegante Speisesaal ist im geschichtsträchtigen »Hôtel de Paris« untergebracht, das seit über 150 Jahren illustre Gäste empfängt.

Der elegante Speisesaal ist im geschichtsträchtigen »Hôtel de Paris« untergebracht, das seit über 150 Jahren illustre Gäste empfängt.
© pmonetta

Restaurant-Legenden: Alain von Monaco

In der europäischen Hauptstadt des Glücksspiels und des schönen Scheins setzt Alain Ducasse auf Natürlichkeit: Auf der Karte seines Flagship-Restaurants »Le Louis XV« stehen Gemüse, Fisch und Meeresfrüchte im Mittelpunkt, und das schon seit 35 Jahren. Erst kürzlich hat der Meister einen neuen Küchenchef und einen neuen Sommelier eingesetzt.

Nach dem Motto »Grand Art de Vivre« vereint die Gesellschaft der Seebäder (Société des Bains de Mer, kurz SBM) von Monte-Carlo ein legendäres Casino, prestigeträchtige Hotels, Luxusmarken und Nachtclubs. Und erst 2019 wurde das nagelneue Viertel One Monte-Carlo eingeweiht: ein exklusiver Modedistrikt mit zwei Dutzend Geschäften.

Außerdem ist der weltberühmte Bezirk des Stadtstaates Monaco eine Destination für Feinschmecker. Es gibt über 30 Restaurants, von denen vier zusammen sieben Michelin-Sterne vorweisen können. Der kulinarische Leitstern ist das »Le Louis XV«, das Flagship-Restaurant des legendären Kochs Alain Ducasse (geb. 1956).

Seit 2008 ist er sogar monegassischer Staatsbürger – und damit laut Pass kein Franzose mehr. Dieses Privileg ist bloß rund 8500 Menschen vorbehalten, und nur etwa jeder Fünfte der 40.000 Einwohner des Millionärsparadieses hat auch die Nationalität. Jedes Jahr stellen Hunderte einen Antrag, und es ist Fürst Albert II. persönlich, der über die Zuteilung und Ablehnung entscheidet. Es gab Jahre, da wurden nur eine Handvoll Gesuche bewilligt.

Die Beziehung zwischen ­Ducasse und Monaco besteht seit Jahrzehnten. In den Achtzigern begann alles mit einer Wette: Prinz Rainier III. von Monaco (1923–2005) und die Gesellschaft der Seebäder, die seit den 1860er-Jahren den Tourismus in ­Monaco fördert und bis heute der größte Arbeitgeber des kleinen Staates ist, ­forderten Ducasse heraus, im »Hôtel de Paris« ein Gourmetrestaurant zu eröffnen. Innerhalb von vier Jahren sollte er dort drei Sterne erkochen. Für den Meister der Haute Cuisine sollte es nach der Eröffnung 1987 nur 33 Monate dauern, dieses hochgesteckte Ziel zu erreichen und die Auszeichnung zu halten.

Damals wie heute folgt man in der Küche des »Le Louis XV« dem ­Ducasse’schen Anspruch an eine originelle Küche, die dem Schlagwort »­Naturalité« – Natürlichkeit – gerecht wird. Schon Jahrzehnte bevor Nachhaltigkeit und ­Biozutaten trendig wurden, ging es auf den ­Einkaufslisten des Pioniers ganz geerdet zu: Fisch, Gemüse und Getreide spielen die Hauptrollen in vielen seiner Rezepte, während rotes Fleisch und Butter – zwei essenzielle Bestandteile der französischen Küche – seit fast zehn Jahren bewusst reduziert werden. Der ursprüngliche Zugang drückt sich jedoch nicht nur durch die Wahl der Zutaten aus, sondern auch durch die Anwendung zeitloser Techniken, wie etwa einen ganzen Fisch über offener Flamme zu grillen.

Der Meisterkoch und Geschäftsmann Alain Ducasse (Mitte) umgibt sich mit einem handverlesenen Team. Seit Sommer 2022 ist Emmanuel Pilon (2. v. r.) neuer Küchenchef, während Maxime Pastor (r.) als Sommelier für die Weinbegleitung verantwortlich zeichnet. 
© Matteo Carassale
Der Meisterkoch und Geschäftsmann Alain Ducasse (Mitte) umgibt sich mit einem handverlesenen Team. Seit Sommer 2022 ist Emmanuel Pilon (2. v. r.) neuer Küchenchef, während Maxime Pastor (r.) als Sommelier für die Weinbegleitung verantwortlich zeichnet. 

Neuer Chef in der Küche

Im »Le Louis XV« werden die Aromen des Mittelmeerraums immer wieder neu gemischt. Alain Ducasse kann sich beim Komponieren und Zubereiten der Gerichte auf seine rechte Hand vor Ort verlassen: Seit Juni 2022 ist Emmanuel Pilon, der seit 13 Jahren im Ducasse-Imperium tätig ist, der neue Küchenchef. Zuletzt arbeitete er im Pariser Drei-Sterne-Restaurant »Plaza Athénée«, aus dem Ducasse jedoch im vergangenen Sommer ausgestiegen ist. »Er ist mit der mediterranen Küche bestens vertraut und bringt Kreativität, Präzision und Feingefühl mit«, sagt Alain Ducasse. »Dank seiner Erfahrung mit der natürlichen Küche wird er das mediterrane Angebot des Restaurants noch weiter verbessern.«

Die Gäste dieser prestigeträchtigen Einrichtung haben abends die Auswahl zwischen Einzelgerichten und zwei Verkostungsmenüs mit je vier Gängen, Käse und Dessert. Das berühmte »Jardin«-Menü auf Gemüsebasis wurde bereits im Eröffnungsjahr 1987 eingeführt und ist seitdem ein kulinarischer Leitstern der französischen Gastronomie. Mittags kann man sich einen »Riviera-Lunch« aus Vorspeise, Hauptspeise, Käseplatte und Dessert selbst zusammenstellen.

Die ganze Speisekarte ist eine geschmackvolle Hommage an die Riviera: Den Fisch liefern Berufsfischer aus der -Region, und Kräuter und Gemüse stammen aus dem Hinterland. Um den oft und gern verwendeten Klassikern der mediterranen Küche eine zweite Jugend zu schenken, sorgen Ducasse und Pilon für unerwartete Begegnungen auf dem Teller: Topinambur trifft auf Tannennadeln, Kürbis auf Kefir und Spelz auf Schlehdorn. Die marinierten Gamberoni aus Sanremo sind mit ihrem zarten Safran-Fisch-Gelee und Kaviar zu Recht ein Signature-Gericht, ebenso wie der Napfkuchen »Baba au rhum« mit Vanille, Zitrusschale und einer Wolke aus sanft geschlagener Crème Chantilly.

Wein aus legendärem Gewölbe

Mit Maxime Pastor hat Ducasse einen weiteren Joker vom »Plaza Athénée« mit nach Monaco genommen. Als Chefsommelier steht ihm der Weinkeller des »Hôtel de Paris« zur Verfügung, der mit 500.000 Flaschen als größter weltweit gilt und alle Einrichtungen der SBM mit Raritäten versorgt.

Als der französische Unternehmer François Blanc (1806–1877) in Monaco die Gesellschaft der Seebäder, die Casino-Gesellschaft und das »Hôtel de Paris« gründete, vereinte sein Spielplatz für die Reichen und Schönen die besten Annehmlichkeiten, die man in der Welt finden konnte. Doch unterirdisch gab es nur einen einfachen Raum mit ein paar Fässern. Seine Frau Marie investierte ihr persönliches Vermögen, um einen Weinkeller zu schaffen, der der exklusiven Einrichtung würdig war und mit den großen Weinlagern des Bordeaux mithalten konnte. Um den Keller zehn Meter unter der Erde ­anzulegen, gruben um die hundert ­Arbeiter anderthalb Jahre lang; 1874 ­wurde er eingeweiht.

Der Erste Weltkrieg dämpfte den Glanz des Lebens in Monaco, aber als der Frieden zurückkehrte, wurde das »Hôtel de Paris« wieder zum Treffpunkt der internationalen Elite. Im Zweiten Weltkrieg, während der vierjährigen Besatzungszeit, versuchten die Deutschen, Frankreich zu plündern, wo es nur ging. Aus Kellern des Burgund, der Champagne und des  ­Bordeaux wurden flüssige Schätze entwendet. Um das Lager im »Hôtel de Paris« zu schützen, ließ der Kellermeister einen Teil des Weinkellers zumauern. So konnten etwa 20.000 wertvolle Vintageflaschen von Lafite, Rothschild, Petrus und Cheval Blanc gerettet werden. 1945 wurde der Bereich feierlich wiedereröffnet – und zwar im Beisein des berühmten Stammgasts Winston Churchill.

Heute wird dieser Schatz von einem Kellermeister und seinem zehnköpfigen Team verwaltet. Jede Woche wird eine Bestandsaufnahme gemacht. Außerdem kommt bei einem wöchentlichen Jour fixe das Weinverkostungskomitee aus Käufern, Kellermeistern und Oberkellnern zusammen, um etwa ein Dutzend Sorten zu probieren und die Reifung diverser Weine zu überwachen. Für Außenstehende öffnet sich die Pforte hingegen nur ganz selten – etwa für Royals, Weinbauern und erlesene Gäste, die sich eine private Verkostung leisten.


Zu Gast im »Hôtel de Paris Monte-Carlo«

Das traditionsreiche Luxushotel in Monaco besteht seit 1863. Damals begann die Gesellschaft der Seebäder (Société des Bains de Mer) damit, die Stadt im fürstlichen Auftrag touristisch aufzuwerten. Mittlerweile vereint es vier kulinarische Adressen unter einem Dach.

Place du Casino, 98000 Monaco
T: +377 98 068864
www.montecarlosbm.com

Le Louis XV – Alain Ducasse im Hôtel de Paris***
Das Flagship-Restaurant von Alain Ducasse besteht seit 1987. Hier trifft Gourmetküche der Superlative auf den größten Weinkeller der Welt. Der »Riviera-Lunch« umfasst vier Gänge (190 Euro zzgl. Getränke). Abends bestellt man à la carte oder eines von zwei Vier-Gänge-Verkostungsmenüs (250/380 Euro zzgl. Getränke).

Le Grill*
Von der achten Etage des Hotels haben die Gäste einen außergewöhnlichen Panoramablick über das Fürstentum bis hin zur italienischen Küste. Nach zehn Jahren an der Seite von Ducasse im »Le Louis XV« bestimmt Küchenchef Dominique Lory nun selbst, was auf den Grill kommt.

Café de Paris
Das 1865 erbaute Kaffeehaus und Restaurant im Belle-Époque-Stil ist der monegassische Treffpunkt schlechthin. Seine Außenterrasse ist eine Oase zum Sehen und Gesehenwerden.

Em Sherif
Im Exoten unter den Hotelrestaurants zeigt die gebürtige Libanesin Yasmina Hayek -geschmackliche Highlights aus ihrer Heimat.


Erschienen in
Falstaff Nr. 10/2022

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Lisa Arnold
Autor
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