Im Schmelztiegel: Alle Aromen der Welt

In Manhattan findet man nicht nur ein Neben- und Miteinander unterschiedlichster Kulturen, sondern auch deren Küchen. Im Grunde aber findet man auf der Halbinsel weniger den viel zitierten Schmelztiegel, sondern auf engstem Raum ein aufregendes Konzen­trat der Geschmäcker und Aromen dieser Welt, die es in solcher Dichte an keinem zweiten Platz der Welt zu entdecken gibt. Zwischen dem legendären Kunstbezirk Chelsea und der exklusiven Upper East Side, zwischen dem angesagten ­Greenwich Village und dem chic wiederbelebten Meatpacking District, zwischen den berühmten Einwanderervierteln Little Italy und ­Chinatown ­können kulinarische ­Weltreisen ­stattfinden. Dabei konzentrieren sich Restaurants gern auf regionale Besonderheiten der jeweiligen ­Länderküche und heben sich so von der Masse ab. Das «­Rezdôra» von Koch Stefano Secchi, der zuvor unter anderem in der berühmten «­Osteria ­Francescana» in Modena tätig war, zelebriert die Küche der Emilia-­Romagna-Region. Manchen gilt das Restaurant derzeit als bester ­Italiener ­Manhattans. Nach Indien führt das «­Dhamaka», dessen Name übersetzt so viel wie Explosion ­bedeutet. Die findet nicht nur durch die bunten Farbwirbel an den Wänden statt, sondern auch im Geschmack der Gerichte, die teils auch aus weniger ­bekannten Gegenden des ­Subkontinents kommen.

Das im East Village gelegene «Van Đa» hingegen lädt zum Ausflug nach Vietnam – mit ausgesprochenem Sinn für technisch exquisite Kompositionen, was dem Restaurant genauso zwei Sterne einbrachte wie dem «Atomix». Dort erlebt man in intimer Atmosphäre die neue koreanische Küche in einem Degustationsmenü von Koch ­Junghyun Park mit zehn Gängen.

Mitunter könnte man bei dieser globalen Herumstreiferei vergessen, dass man sich in den USA befindet. Doch es gibt auch dafür einige hochkarätige Erinnerungsstützen. Das «Red Rooster» etwa lohnt den Abstecher nach Harlem, dem Bezirk im Norden Manhattans, der vor allem für seine Musikgeschichte, für Gospel und Jazz bekannt ist. 

Promikoch Marcus Samuelsson bringt dort seinen Dreh deftiger US-Klassiker mit starkem Südstaateneinschlag auf den Tisch – von seiner «Deviled Eggs»-­Variation bis zu «Shrimp & Grits» mit Tomaten-Okra-Eintopf und Chorizo. Starke Kost von einem starken Typen.

Für viel Aufregung hat zur Eröffnung zudem auch das «Bad Roman» gesorgt. Statt einer Römerstatue sitzt dort die Skulptur einer stolzen Wildsau im Restaurant. Auch darüber hinaus kreischt dieser Neo-Italiener um Aufmerksamkeit und will ein deutlich anderer, ein unitalienischer Italiener sein – verspielt und lautstark zwischen Knoblauch-Babka und mit kalabrischer Pasta gefülltem Hummer. Junge Römer tanzen anders als die anderen. Ob es dem Hype gerecht wird? Polarisierend ist das Konzept auf jeden Fall. Und so aussergewöhnlich wie Manhattan in seiner kulinarischen Opulenz selbst.

New York Delis: Klassiker mit Biss

Mit den Delis erschliesst sich einem ein ganz eigener kulinarischer Kosmos. Das Angebot ist deftig, fleischlastig, bodenständig, also Comfort Food und entsprechend unwiderstehlich. Dabei sind die Delis, kurz für Delicatessen, eine besondere Tradition, die wie die gelben Taxis untrennbar mit New York verbunden ist: jüdische Feinkostgeschäfte, in der Regel koscher, mit traditionellen Köstlichkeiten vom Pastrami-Sandwich über Suppe mit Matzeknödeln bis zum einfachen Bagel mit Frischkäse. Zur Hochzeit gab es mal Tausende Delis in der Stadt, doch seit Jahrzehnten befindet sich dieses Genuss-Kulturgut im Niedergang – nicht zuletzt, weil diese Art reichhaltiger Küche zunehmend aus der Mode kam. Und doch trotzen einige Delis bis heute dieser Abwärtsspirale und sind Anlaufstellen für Nostalgiker mit Geschmack. «Russ & Daughters» in der Lower East Side ist beliebt wie eh und je. Genauso wie «Katz’s Delicatessen». Nicht erst seit Meg Ryan in «Harry und Sally» an einem der Tische in der berühmtesten Szene des Films einen Orgasmus vorspielte, wird das Deli auch von ­Touristen gestürmt. Klassiker hier ist natürlich das Pastrami-Sandwich. Deutlich teurer als in anderen Delis, aber auch faustdick belegt, nach wie vor süchtig machend und jeden Cent wert.

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