Ein grosses Tapasangebot gehört auch in Andalusien fest zur Esskultur.

Ein grosses Tapasangebot gehört auch in Andalusien fest zur Esskultur.
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Lob der Vielfalt: Die Kulinarik Andalusiens

Schneebedeckte Berge und lange Sandstrände – in Andalusien liegt bisweilen nur eine gute Stunde Fahrt dazwischen. Ähnlich abwechslungsreich zeigt sich die Kulinarik, die Spaniens Süden zu einem attraktiven Ziel für Gourmets macht.

Die Füsse stecken im Sand, der Blick ist auf die Brandung gerichtet. In wenigen Minuten bringt der Kellner die ersten «tortillitas de camarones» als Aperitif, kleine Shrimpspuffer, und die Flasche Wein steht auch schon auf Eis. Das Leben lässt sich nicht schlecht an für Besucher Andalusiens. Etwa in einer der kleinen «Chiringuitos», wie die kleinen Bars direkt am Strand in liebevoller Verkleinerungsform genannt werden. Kaum ein Wein kostet hier mehr als 30 Euro, selbst Cava und Champagner sind Spanien-typisch zu zivilen Preisen erhältlich.

Geniessen am Strand

Das ist Andalusien, und tatsächlich ist ein Besuch etwa im «Chiringuito El Huerto» am Strand des Städtchens Conil de la Frontera ein idealer Einstieg in die andalusische Lebenswelt. Die Vitrinen platzen schier vor frischem Fisch. Muscheln, Doraden, Garnelen liegen darin, auch ein kleines Thunfisch-Tasting ist möglich, wie die Karte verrät, vom Tataki bis zum fetten Bauch (Otoro) und Nacken lässt sich dabei alles probieren. 

In Olivenöl frittierter Fisch ist fester Bestandteil der andalusischen Küche.
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In Olivenöl frittierter Fisch ist fester Bestandteil der andalusischen Küche.

Frischeste Sashimi-Qualität ist ebenfalls darunter, denn angelandet haben den Roten Thun traditionsreiche Almadraba-Fischer aus den Nachbardörfern. Sie laufen im Frühjahr von den Häfen zwischen Tarifa und Cádiz mit ihren Booten aus, um ein Gewirr aus Fangnetzen im Atlantik auszubringen. Schon in vorrömischen Zeiten war diese Methode populär, eine «Kunst», wie die Almadraba-Fischer selbst sagen. Fette Thunfische, die am Ende ihres Lebens­zyklus vom Atlantik ins Mittelmeer migrieren (zuweilen auch andersherum), verfangen sich in den Netzen und werden von den Fischern getötet. Verglichen mit den grossen Fangflotten auf den Weltmeeren wirken die Thunfische aus Almadraba-Fang fast wie Manufakturware. So gut ist die Qualität, dass auch Japaner hier seit Jahrzehnten kaufen und den Fisch tiefgefroren über die Weltmeere schicken. 

Ein internationales Publikum sorgt dafür, dass auch im Inland genügend Nachfrage nach Premiumqualität herrscht – ein Stück Otoro wird nicht mehr zwingend durchgebraten, sondern roh serviert. Auch in vermeintlich einfacher Umgebung wie einem Chiringuito.

Wer allerdings die Küche von Spaniens südlichster – und zweitgrösster – Region auf die Küsten von Atlantik und Mittelmeer reduziert, so wie es im Urlaub möglicherweise naheliegt, verpasst eine Menge. Die Region, grösser als Österreich, zeichnet sich durch eine hohe Vielfalt aus, landschaftlich genauso wie klimatisch und kulinarisch. Im riesigen Anbaugebiet bei Almería, das aufgrund der Plastikplanen sogar vom Weltall aus erkennbar ist, wächst ein Grossteil von ­Europas Obst und Gemüse, teils unter fragwürdigen Bedingungen. An der Costa ­Tropical, die östlich von Almuñécar beginnt, gedeihen sogar Mangos und Avocados.

Wenige Kilometer ins Landesinnere ­ändert sich das Klima. Fährt man etwa von Málaga gen Norden, spürt man schnell Druck auf den Ohren, so rasch steigt die Höhe an. Die Temperaturen sinken, die Landschaft wird grüner. Mit der Sierra de Grazalema liegt sogar der Ort mit dem meisten Niederschlag Spaniens im vermeintlich so staubtrockenen ­Andalusien. Probieren Sie unbedingt den Käse von dort. Aus der Milch der Payoya-Ziegen und Merino-Schafen entstehen köstliche Sorten, die wunderbar zu einem Fino passen und die selbst spanische Gourmets nur selten kennen. 

Weitaus bekannter sind die ­legendären Schinken aus Jabugo, die mit einer Herkunftsbezeichnung geschützt sind. Ihre Qualität entsteht nicht nur durch die Haltung und Mast der teils reinrassigen Ibérico-Schweine, sondern auch durch die Reifung bei optimaler Temperatur und Feuchtigkeit nahe der Stadt Huelva. Gut, wenngleich weniger populär, sind die ebenfalls mit Herkunftsbezeichnung geschützten Schinken aus Trevélez und Los Pedroches, die von anderen Rassen stammen.

Immer wieder tauchen riesige Olivenhaine am Strassenrand auf; aus Andalusien kommt etwa ein Fünftel des weltweiten Olivenöls. In Spanien macht der Anteil sogar annähernd 75 Prozent aus. ­Italien gehört zu den grössten Importeuren, weshalb Kenner munkeln, dass ein Teil des als «italienisch» verkauften Olivenöls in Wahrheit aus Spanien kommt und mit spanischem Öl verschnitten wird. Verschiedene Betrugsfälle, über die spanische und italienische Zeitungen berichteten, verleihen dieser Annahme Plausibilität. 

Einige der besten Öle der Welt ­kommen aus Andalusien, insbesondere aus den Provinzen Jaén und Córdoba. Das Öl der Genossenschaft Rincón de la Subbética hat so viele Preise gewonnen wie kein anderes Olivenöl. Die Schärfe und Fruchtigkeit der Öle macht sie zu einer begehrten Zutat in der Spitzengastronomie. 


Menü mit Flamenco

Als Andalusien-Reisender sollte man eine besondere Kombination aus Essen und Flamenco nicht verpassen. Restaurants wie das «Faralá» in Granada kombinieren mehrgängige Menüs mit Flamenco-Aufführungen, die durchaus nicht nur ausländische Touristen verfolgen. Zu Preisen zwischen 60 und 100 Euro pro Kopf isst man nicht nur gut, sondern bekommt im Anschluss noch eine einstündige Vorführung geboten. Ein Flamenco-Ensemble besteht meist aus einem bis mehreren Sängern, Tänzern und Musikern, die im Zusammenspiel eine eindrucksvolle Performance zeigen. Auch wenn es zur Entstehung des Flamenco widersprüchliche Theorien gibt, ist sich die Forschung einig, dass Andalusien – und insbesondere die Küstengebiete – als Ursprungsregion dieses musikalischen Genres zu sehen sind.

Die besten Olivenöle 

Doch auch jenseits von hochdekorierten Siegerölen ist das »aceite de oliva« allgegenwärtig. Wenn frittiert oder gebraten wird, dann in Olivenöl, und auch zum Würzen und als Bestandteil von Süssspeisen ist es beliebt. 

Eine ganze Reihe davon geht auf die acht Jahrhunderte währende Besetzung durch die Mauren zurück. Und doch zeigt sich der Einfluss der Araber heute weniger in der Kulinarik als in Architektur und Sprache – «al-Andalus» bezeichnete die muslimisch beherrschten Teile der iberischen Halbinsel. Prachtvolle Gebäude wie die Alhambra in Granada oder der Real Alcázar in Sevilla, auch die beeindruckende Mezquita von Córdoba spiegeln die Geschichte wider. 

Nach der Ankunft im achten Jahrhundert errichteten die Eroberer Bewässerungssysteme und ermöglichten so den Anbau von Gemüse auch in trockenen Regionen – die Technik dahinter wird noch heute genutzt, um Schmelzwasser der Sierra Nevada mit ihren Dreitausendern zu nutzen. Sie führten neue Lebensmittel und Gewürze ein, brachten Reis, Zuckerrohr, Zitrusfrüchte, Safran, Koriander, Artischocken, ­Marillen, Melanzani, woraus viele neue Rezepte entstanden, darunter Guiso Alboronía. Außerdem vermittelten sie Wissen, um Lebens­mittel zu konservieren, etwa, indem sie in Essig eingelegt werden. 

Suppe zur Abkühlung

Klassiker wie die Gemüsesuppe Gazpacho oder die etwas dickflüssigere Salmorejo, beide kalt serviert, profitieren von den kurzen Wegen der Zutaten, die enorme Frische ermöglichen, und stehen im Sommer fast überall auf der Speisekarte.

Eine besonders edle Version des Gazpacho kreierte Ángel León, Chef des besten Restaurants der Region, «Aponiente». Er fügt neben klassischen Zutaten wie der grünen Tomate auch Sardellen und Kreuzkümmel hinzu, was der Suppe eine interessante Geschmacksfärbung verleiht und die Kritik zu Lobeshymnen bewegte.

Doch auch eine Etage darunter, etwa in der zum Weingut gehörenden Küche der «Bodegas Bentomiz» in Sayalonga, wird enorm gut und überraschend günstig gekocht: Das zehngängige Menü auf sehr hohem Niveau kostet hier 77 Euro, die Weinbegleitung schmale 29 Euro.

Eine wachsende Schar talentierter Köche mit Ambitionen schärft das kulinarische Profil zusätzlich. So kombiniert das «Ciclo» in Cádiz hochwertige Produkte mit einer guten, geradezu lächerlich günstigen Weinkarte, und auch in Sterneküchen wie «LÚ Cocina y Alma» und dem «Alevante» bekommt man ausserordentlich viel für sein Geld. Aber wer im Chiringuito sitzt, bei einem Fino und Krustentieren der Extraklasse, etwa im hübschen Sherry-Städtchen Sanlúcar de Barrameda, hat eh nie etwas anderes geglaubt.


Fine Dining

Gute Adressen für den Genuss in gehobenen Restaurants.

CICLO

Hochwertige Zutaten der Region stehen auf der Karte dieses trendigen Restaurants. Luis Callealta lernte bei so hochkarätigen Chefs wie Martín Berasategui.

Calle Amaya, 1, 11005 Cádiz
T: +34 956 256704, ciclorestaurante.com 

ALEVANTE *

Das besternte Zweitrestaurant des andalusischen Überkochs Ángel León gilt als Geheimtipp in Gourmetkreisen und befindet sich im Luxushotel «Gran Meliá».

Calle Amílcar Barca s/n, 11130 Cádiz
T: +34 956 491200, alevanteangelleon.com 

SKINA **

Knapp 1000 Weine auf der Karte, produktbetonte andalusische Haute Cuisine auf dem Menü: wunderschön gelegenes Restaurant mit Topküche.

Calle Aduar 12, 29601 Marbella
T: +34 952 765277, restauranteskina.com 

Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2023

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Philipp Elsbrock
Philipp Elsbrock
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