Reto Brändli, Küchenchef des »Lorenz Adlon Esszimmer«.

Reto Brändli, Küchenchef des »Lorenz Adlon Esszimmer«.
Thomas Buchwalder

»Mein Ziel war es immer, Küchenchef zu werden«

Reto Brändli gilt aktuell als einer der gefeiertsten Koch-Superstars. Im Interview spricht der Küchenchef des »Lorenz Adlon Esszimmer« über die Herausforderungen in der Spitzengastronomie, was sein Team glücklich macht und verrät seine Pläne für die Zukunft.

Reto Brändli wechselte im vergangenen Jahr vom «Cà d’Oro« im «Grand Hotel des Bains Kempinski St. Moritz« ,  wo er seit Juni 2020 als Küchenchef verantwortlich zeichnete, nach Berlin.  Mit Falstaff spricht der Spitzenkoch über seine Vision für das «Lorenz Adlon Esszimmer« am Brandenburger Tor, über die Rolle der High-End-Gastronomie in Zeiten wie diesen, warum Top-Köche scheinbar immer jünger werden und wo er überall seinen Namen stehen sehen will.

Falstaff: Sie gelten als einer der größten Kochstars der Schweiz, jetzt stehen sie in einem der berühmtesten Hotels Deutschlands am Herd. Wie kann es dazu?

Brändli: Im Lorenz Adlon Esszimmer des Hotel Adlon Kempinski Berlin wurde nach zwölf Jahren die Stelle des Küchenchefs frei. Gleichzeitig standen personelle Veränderungen in meiner damaligen Arbeitsstätte im Grand Hotel des Bains Kempinski in St. Moritz an. Und wenn dann ein Hotel wie das Adlon auf mich zukommt und fragt, ob ich mir einen Wechsel nach Berlin vorstellen könne, ist klar, dass man nicht nein sagt.

In der Schweiz scheint es ja gerade so viele Herdrochaden zu geben wie nie zuvor. Was könnten die Gründe dafür sein?

Ich glaube, das ist reiner Zufall. Die meisten Küchenchefs im Fine Dining-Bereich sind schon sehr lange in ihren« Restaurants.

Stand das «Lorenz Adlon Esszimmer« eigentlich schon immer auf Ihrer Wunschliste ganz oben?

Eigentlich hatte ich mir bis zu dem Zeitpunkt keine Gedanken darüber gemacht, die Schweiz zu verlassen.

Haben Sie schon immer eine Spitzenposition angestrebt oder anders gefragt, welche Faktoren waren in Ihrem Fall für die große Karriere ausschlaggebend?

Klar, mein Ziel war es immer, Küchenchef zu werden. Damit, diese Position doch schnell erreicht und auch noch mit zwei Michelin Sternen ausgezeichnet zu werden, habe ich tatsächlich nicht gerechnet.

Welche Stationen waren für Ihre Karriere die wichtigsten?

Das »Waldhaus« in Sils Maria, »l´Hôtel de Ville« in Crissier, »Schloss Schauenstein« in Fürstenau und das »Ecco« in Ascona.

Welche Einflüsse davon lassen Sie nun im »Adlon« einfließen?

Ich habe in jeder Station sehr viel gelernt und vieles davon verinnerlicht, aber meinen Küchenstil hat mit Sicherheit Rolf Fliegauf aus dem »Ecco« in Ascona am meisten geprägt.

Wenn man an ihre Kompositionen denkt, kommt einem auf jeden Fall eine französische Prägung in den Sinn. Wie würden Sie selbst Ihre Linie charakterisieren?

Ja, auf jeden Fall eine modern interpretierte französische Küche mit asiatischen Akzenten.

Während die meisten Köche auf Regionalität setzen, wird Ihnen eine Vorliebe für edelste Produkte aus aller Welt nachgesagt. Ist der Einkauf in Zeiten wie diesen besonders herausfordernd?

In Berlin ist das in der Tat eine kleine Herausforderung, weil der kulinarische Stil der Stadt sehr auf Regionalität setzt. Aber mittlerweile habe ich ein sehr gutes Lieferanten-Netzwerk aufgebaut und somit klappt es sehr gut.

Mit dem »Noma« schließt das beste Restaurant der Welt, auch aus wirtschaftlichen Gründen. Wie beurteilen Sie die Zukunft der Spitzengastronomie?

Das ist wirklich sehr schade! Dennoch bin ich überzeugt, das sich die Spitzengastronomie nach wie vor behaupten wird. Gute Konzepte werden sich etablieren können.

Sie sind 1991 geboren, es scheint so, als würden Top-Köche immer jünger werden. Wie kam es zu dieser Entwicklung? Denn andererseits hört man ja immer vom Fachkräftemangel und Nachwuchsproblemen?

Ich weiß nicht, ob dieser Schein trügt ? Ein Rolf Fliegauf, ein Andreas Caminada oder ein Kevin Fehling waren auch alle sehr jung, als sie ihren zweiten oder dritten Stern erhielten.

Nachwuchsprobleme und Fachkräftemangel sind leider wirklich eine große, globale Herausforderung. Als ich meine Ausbildung absolvierte, waren wir noch zehn Kochazubis. Nun liegt es an uns, unseren Beruf für junge Menschen wieder attraktiver zu machen. Das fängt bei geregelten Arbeitszeiten an und hört bei einer fairen Bezahlung auf. Hier im »Lorenz Adlon Esszimmer«  arbeiten wir nur noch vier Tage die Woche. Mein Team ist voll besetzt und alle sind glücklich.

Welche Visionen treiben Sie an? Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Ich würde es schön finden, wenn ich in zehn, fünfzehn Jahren mehrere Restaurants auf der Welt verteilt hätte, die meinen Namen tragen würden.

 

Reto Brändli
Der Werdegang
In Pfäffikon geboren startete Brändli seine Ausbildung bei Kurt Röösli im Hotel Waldhaus Sils in Sils-Maria, danach hospitierte er im Restaurant de l’Hôtel de Ville in Crissier bei Benoît Violier (drei Michelin-Sterne). Daraufhin folgten Stationen im Hotel Villa Principe Leopoldo in Lugano bei Dario Ranza, im Restaurant Schloss Schauenstein in Fürstenau bei Andreas Caminada (drei Michelin-Sterne), im Restaurant Ecco in Ascona und in St. Moritz bei 2-Sterne-Koch Rolf Fliegauf. 2017 erfolgte dann der Wechsel als Souschef ins Restaurant Cà d’Oro im Grand Hotel des Bains Kempinski in St. Moritz (ein Michelin-Stern) bei Matthias Schmidberger. Im Juni 2020 avancierte er zum Küchenchef des Cà d’Oro, das 2021 mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde. Im Mai 2022 folgte er Hendrik Otto als Küchenchef des Restaurants Lorenz Adlon Esszimmer im Hotel Adlon in Berlin.
Julia Emma Weninger
Julia Emma Weninger
Chefredakteurin Online
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