Pure Inspiration: Monica Berg.

Pure Inspiration: Monica Berg.
© Adrian Almasan

Monica Berg: »Das wahre Instrument bist du selbst«

Sie hat es an die Spitze der Barwelt geschafft. Im Interview mit Falstaff erzählt die Londoner Bar-Ikone, was sich in der Branche ändern muss, welchen Rat sie jungen Barkeeper:innen geben würde und wie man den perfekten Schluck Cocktail hinbekommt.

»Mir wurde gesagt, ich sei der schlechteste Barkeeper der Welt, weil ich nicht weiß, wie man Flaschen wirft, ich weiß nicht, wie man Freepour macht, ich sehe nicht aus wie Tom Cruise... ihr kennt die Geschichte«, erklärt die Frau auf der Bühne. Ganz entspannt steht sie dort, die Haare locker hochgebunden, in Shorts und einem schwarzen T-Shirt mit einem kleinen pinken Logo. »Tayēr« steht dort. Kennt man die erwähnte Geschichte nicht, würde man hinter dieser gänzlich unprätentiösen und grundsympathischen Person wohl kaum eine der mit Abstand besten Barkeeperinnen der Welt vermuten. Es handelt sich um keine andere als Monica Berg, die beim Wiener »Liquid Market« auf Einladung von Kollegin und »Hendrick’s Markenbotschafterin« Katharina Schwaller eine ebenso exklusive wie inspirierende Masterclass gibt.

Alles hat seinen Preis

2019 landete die gebürtige Norwegerin mit ihrer gemeinsam mit Partner Alex Kratena eröffneten Concept-Bar »Tayēr + Elementary« ohne Umwege auf Platz fünf der »World's 50 Best«, nur um sich keine zwei Jahre später den zweiten Platz zu sichern, den sie bis heute verteidigt. Sie erhielt den »Altos Bartenders' Bartender« Award, wurde »International Bartender of The Year« und setzt sich mit ihren Initiativen »P(our)« und »Back of House« für nachhaltige Veränderungen und Ausbildung in der Barszene ein.

Man könnte meinen, dass Berg nach diesem karrieretechnischen High die Bodenhaftung verloren haben könnte, doch was sie antreibt, sind ist der Kern einer jeden Sache. Vor allem natürlich, wenn es um richtig gute Drinks geht. Sie arbeitet am liebsten so minimalistisch wie möglich und stellt die Zutaten ihrer Cocktails in den Vordergrund. Hinter ihrem Tresen wird nur verarbeitet, was zu dieser Zeit in Saison und seiner bestmöglichen Form ist. »Man bezahlt entweder mit Qualität, man bezahlt mit Geld oder man bezahlt mit Zeit. Alles hat seinen Preis, auch wenn die Währung variieren kann. Ich würde niemals die Qualität opfern«, erklärt Berg in ihrer Masterclass. Das fängt natürlich bei den Spirits an, die sie verwendet und geht über Früchte bis hin zum Zucker.

Alles hat den gleichen kulinarischen Wert, zum Beispiel sind in einem Daiquiri Limetten, Zucker und Rum gleichwertig, auch wenn man vielleicht mehr Rum verwendet. Limette ist auch nicht gleich Limette, es gibt 20 verschiedene Arten von Limetten, die wir in einer Bar verwenden, aber vielleicht nur zehn, die einen guten Daiquiri ergeben. Man muss sich Fragen stellen wie: Woher kommt diese bestimmte Sorte, warum schmeckt sie so, wie sie schmeckt, und wo ist sie gewachsen?

Monica Berg bei der Masterclass in Wien.
© Adrian Almasan
Monica Berg bei der Masterclass in Wien.

Das wahre Instrument

Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, verändert sich die Karte im »Tayēr« jeden einzelnen Tag, abhängig von dem, was gerade in perfekter Qualität verfügbar ist. Alle Drinks werden, so weit möglich, prebatched und auf die perfekte Temperatur gekühlt. Im Betrieb selbst wird dann nur noch ausgeschenkt, was in detaillierter Kleinarbeit tagsüber zubereitet wurde. »Ich mag es nicht, auf etwas zu warten – deshalb ist unsere Vision, inspirierende und köstliche Getränke und Speisen schnell zu servieren«, so Berg weiter. Die Drinks selbst sind minutiös kombiniert und von Arbeitsweisen und Kompositionen inspiriert, die ihren Ursprung in der Parfümerie haben. Komplementiert wird das durch den »instinktiven« und kreativen offenen Prozess des gesamten Teams, wie Berg erzählt. Viel Zeit und Herzblut investiert Berg nämlich nicht nur in die Vorbereitung ihrer Zutaten sondern auch die Ausbildung ihrer Mitarbeiter:innen, die teilweise monatelange Programme durchlaufen. Um es mit einem Drink auf die Karte des »Tayēr« zu schaffen, muss dieser nämlich einstimmig vom Team abgesegnet werden. Es passt zum minimalistischen Konzept – wenn man auf alles Unnötige verzichtet und beste Qualität in den Vordergrund stellt, bleibt nur das übrig, was wirklich zählt: »Ganz gleich, mit welchen Hilfsmitteln man arbeitet, das wahre Instrument bist du selbst«, so Berg.

Falstaff durfte Berg nach der Masterclass zum Interview treffen.  Über Veränderungen, die die Branche dringend braucht, wie man eigentlich an den berühmten »perfekten Sip« kommt und einen goldenen Ratschlag für aufstrebende Barkeeper:innen.

Sagen Sie mal... Monica Berg

Falstaff: Sie wurden 2019 von »World's 50 Best« mit dem »Altos Bartenders Bartender«-Award ausgezeichnet, neben zahlreichen anderen Anerkennungen. Was hat sich seither für Sie verändert?

Monica Berg: Nun, es hat sich unabhängig davon eine Menge geändert, aber die Pandemie hat sehr großen Einfluss gehabt. Viele der Ereignisse während Covid, die Lockdowns und alles, haben die Art und Weise verändert, wie man die Branche betrachtet, was vielleicht wichtig ist und wohin oder in welche Richtung man die Branche bringen will und wie man dorthin kommt. Es müssen sich viele Dinge ändern, aber es wird einige Zeit dauern und harte Arbeit erfordern. Vieles davon hat mit Bildung zu tun. Wir haben nicht unbedingt dafür gesorgt, dass wir die Ausbildung erhalten, die wir brauchen, um für uns selbst sprechen zu können.

Wir müssen am Tisch anwesend sein, an allen Tischen. Wir müssen dort anwesend sein, wo Regeln gemacht werden, wo Gesetze gemacht werden, wo Politik gemacht wird, sodass wir für uns selbst sprechen können und ein Mitspracherecht bei dem haben, was gemacht wird. Wir haben gesehen, dass das Gastgewerbe zwar einen großen Beitrag zur Wirtschaft der meisten Länder leistet, wir aber immer noch nicht gleich behandelt werden und auch nicht den Schutz bekommen, den wir brauchen. Wir haben (»Tayēr + Elementary«, Anm.) 2019 eröffnet, nur sieben Monate vor dem ersten Lockdown und jetzt möchte ich einen Schritt zurücktreten und mich auf meine Bar konzentrieren. Ich möchte egoistisch sein und einfach die Arbeit in der Bar mit meinem Team genießen und mich um nichts anderes kümmern. Aber gleichzeitig sieht man, dass man sich um andere Dinge kümmern muss, damit man die Arbeit in der Bar überhaupt genießen kann, sonst funktioniert es nicht.

Was für einen Trend sehen Sie in der Mixologie, in der Getränkebranche, aber auch in der Industrie selbst?

Ich denke, es gibt viele verschiedene Bewegungen. Eines der wirklich interessanten und coolen Dinge ist, dass es mehr unabhängige Betreiber gibt, es gibt mehr Barkeeper, die den ganzen Weg gehen, um ihre eigenen Lokale zu eröffnen. Es sind oft Lokale, die eine Erweiterung ihrer selbst sind, so wie es unsere Bar für uns ist. Man sieht auch, dass die großen Modemarken sich jetzt mehr auf Food und Beverage konzentrieren. »Dior« hat dieses ganze Riviera Spa Pop-Up eröffnet, »Jaquemus« ebenso. Aber man sieht auch, dass die Alkoholmarken beginnen, dieser Seite mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Das ist eine natürliche Entwicklung, denn für jede Marke geht es darum, mit den Menschen dort in Kontakt zu treten, wo sie sich wohl die meiste Zeit aufhalten.

Es gibt die Theorie über den dritten Raum. Man hat die Arbeit, das Zuhause und dann die Orte, an denen man seine Freizeit verbringen, sei es ein Café, ein Restaurant, eine Bibliothek oder ein Fitnessstudio. Man hält sich dort auf, weil man es möchte, und natürlich wollen die Marken einen dort erreichen. Ich glaube auch, dass das Wissen und Interesse in der breiten Bevölkerung allgemein zunimmt. Die Menschen sind sich bewusster, was sie trinken, sie sind wählerischer, was sie trinken. Ich denke, dass Spirituosenkategorien wie Agave und sogar diese kleineren Kategorien wie Obstbrände, wie Calvados mehr Aufmerksamkeit erhalten werden. Und auch die allgemeine Konzentration auf Qualität statt Quantität halte ich für eine gute Sache. Und natürlich der Spritz. Der Spritz wird nie mehr verschwinden. Aber warum sollte er?

© Adrian Almasan

Sie haben die NGO »P(our)« ins Leben gerufen, bei der es um die Weitergabe von Wissen geht, und die Plattform »Back of House«, die sich mit tiefer gehenden Problemen in der Branche befasst. Was muss sich Ihrer Meinung nach im Barkeepergewerbe ändern? 

Was sich jetzt ändern muss, wird von Land zu Land sehr unterschiedlich sein. Aber aus britischer Sicht muss sich die Art und Weise, wie Menschen beschäftigt werden, und die Art und Weise, wie sie bezahlt werden, ändern. Die Arbeit, die geleistet wird, hat einen Wert, und die Menschen sollten fair und entsprechend ihrer Leistung bezahlt werden und sie sollten geschützt werden. Im Allgemeinen werden in den meisten Ländern und Gesellschaften die Notwendigkeit und der Bedarf an bestimmten Berufen nicht auf dieselbe Weise finanziell honoriert. So ist es auch bei Lehrern, Krankenschwestern, all diesen Berufen.

Ein weiterer Punkt ist, dass die Branche transparenter werden muss, damit Menschen wissen, dass sie im Gastgewerbe eine wirklich gute Karriere machen können. Eine gut bezahlte Karriere mit viel Flexibilität, viel Potenzial und vielen Möglichkeiten. Man muss nicht unbedingt nur nachts und abends arbeiten, wenn man das nicht will. Wir brauchen einen systematischeren Ansatz für Wissen und Lernen, damit es einheitlich wird. Viele Menschen wissen zum Beispiel gar nicht, dass man sich das Schmecken beibringen lassen kann. Oder wie man Dinge auf sichere Weise schneidet, wie man Maschinen sicher bedient, wie man alles macht. Und auch die Einhaltung aller Vorschriften, all diese Dinge.

In »Tayēr + Elementary« verfolgen Sie die »One-Sip-Philosophie« – wie schmeckt der perfekte Schluck?

Das ist eine schwierige Frage. Ich denke, dass der perfekte Schluck, egal was es ist, die Erwartungen erfüllen muss. Wenn er eiskalt sein soll, muss er eiskalt sein. Wenn er kohlensäurehaltig und sprudelnd sein soll, muss er auch kohlensäurehaltig und sprudelnd sein. Es muss also die Erwartungen erfüllen, aber vor allem auch übertreffen. Wenn ich einen guten Schluck erwarte und der dann großartig ist. Es muss auch nicht immer das Lieblingsgetränk sein. Ein Teil der Geschmacksreise sollte auch darin bestehen, sich selbst herauszufordern.

Was war das beeindruckendste Getränk, das Sie je probiert haben?

Also eines der Dinge, die ich probiert habe, das sehr überraschend, aber auch denkwürdig war, war vor ein paar Jahren, wahrscheinlich im Jahr 2018, würde ich sagen. Ich erinnere mich nicht mehr genau, aber ich war in Peru an einem Ort namens Tarapoto im Amazonasgebiet. Wir besuchten eine Native Community und probierten etwas namens »Masato«, das aus Yuka hergestellt wird, das giftig ist, wenn man es roh isst. Man muss es also fermentieren, um es zu zersetzen. Man kaut es, spuckt es dann in eine Schüssel und fügt einige Blüten von einem Baum hinzu. Es hört sich schrecklich an, aber das schmeckt dann nach Kokosnuss. Es sieht fast aus wie eine große Schüssel mit Brei. Weiß und oben schaumig. Und man trinkt es und reicht es herum und nimmt einen Schluck und erwartet, dass es nicht so toll ist, aber es war köstlich und einfach auch die Erfahrung, dort zu sein, war toll.

Welchen Rat würden Sie mir als angehende Barkeeperin geben?

Arbeite hart. Auch wenn die Leute sagen »fake it 'til you make it«. Ich glaube nicht, dass das ein guter Ratschlag ist, denn man sollte erst einmal lernen, wie man es richtig macht. Es gibt keine Abkürzungen. Man sollte aber auch nicht zu hart zu sich selbst sein. Viele Menschen haben große Angst vor dem Scheitern. Aber der einzige Weg, um zu wachsen oder besser zu werden, ist, Fehler zu machen, denn aus Fehlern lernt man am besten. Und überstürze es nicht, Verantwortung zu übernehmen. Sei einfach egoistisch. Geh einfach hin und hab Spaß. Sei das, was du sein willst. Später im Leben hat man genug Verantwortung.


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Fee Louise Schwarz
Fee Louise Schwarz
Digital Redakteurin
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