Manufaktur Gölles

»Herr Gölles, wie kann ich guten von schlechtem Essig unterscheiden?«

Vor 40 Jahren hat Alois Gölles den Apfel-Balsamico erfunden und den Essigmarkt weltweit verändert. Im Interview mit Falstaff erzählt der Chef der steirischen »Gölles«-Manufaktur, warum man mit einem guten Essig mehr als nur einen Salat verfeinern kann, welches Feedback er von Spitzenköchen bekommen hat und warum die Welt des Essigs unendlich ist.

Sein empfindlicher Magen und ein Praktikum in Italien waren vor über 40 Jahren die Initialzündung für Alois Gölles um sich selbst an der Herstellung eines Balsamico zu versuchen. 1984 war es dann so weit: Der Steirer hatte seinen ersten Apfel-Balsamico hergestellt und der erste Anlauf war gleich so erfolgreich, dass er die Rezeptur über die folgenden Jahre so verfeinerte, dass er bei einem Falstaff-Tasting Anfang der 1990er gleich einen der Top-Plätze ergatterte. Heute ist die Marke »Gölles« immer noch ein Garant für hochwertige Essige und Spirituosen. Im Gespräch mit Falstaff gewährt Alois Gölles einen Einblick in ein faszinierendes und unglaublich facettenreiches Produkt.

Falstaff: Herr Gölles, mit ihrem Apfel-Balsamico haben Sie die Welt des Essigs gewissermaßen revolutioniert. Haben Sie von Herstellern des »klassischen« Balsamico, also des »Aceto Balsamico di Modena«, jemals Feedback zu Ihrer Innovation bekommen?

Alois Gölles: Am Anfang sind wir nach Italien gepilgert, aber viel Zuwendung haben wir, ehrlich gesagt, nicht erfahren. Das hat sich in der Folge zunehmend geändert. Wir sind damals häufig mit Winzern zu den verschiedenen Fachmessen, wie die »Vinitaly« gereist. Dort sind wir dann ins Gespräch gekommen und haben Kontakte geknüpft, aber die Balsamico-Produzenten haben sich immer noch sehr bedeckt gehalten und es hat 15 bis 20 Jahre gedauert, bis sie sich geöffnet haben. Heute begegnet man sich auf Augenhöhe.

Wie entscheiden Sie, welche Frucht Sie für einen Essig verwenden?

Bei den Balsamessigen konzentrieren wir uns vor allem auf Früchte, die nicht nur vom primären Aroma, sondern auch von anderen Geschmäckern leben. Wir haben natürlich einen Wein-Balsam im Sortiment und ansonsten haben wir uns primär auf Apfel und Birne konzentriert. Die Birne ist etwas zarter fruchtig, während der Apfel mehr malzige Noten hat.

Welcher Ihrer Essige ist geschmacklich Ihr persönlicher Favorit?

Manche lieben den Birnenessig, weil er so fruchtig ist. Mir gefällt aber der Apfel so gut, weil er einerseits eine tolle Grundharmonie und auf der anderen Seite, die für einen Balsamico typischen Röstaromen und malzigen Noten hat. Bei einem Essig geht es nicht darum, eine übersteile Kreation zu machen, sondern etwas herzustellen, das man immer wieder gern verwendet und das ist beim Apfelbalsam definitiv der Fall.

Welche Einsatzmöglichkeiten, über Salat hinaus, empfehlen Sie für den Apfel-Balsamico?

Man kann beispielsweise ein Steak brutzeln und mit einem Löffel Butter und zwei Löffeln Balsamessig eine wunderbare Sauce machen, die auch noch eine schöne braune Farbe hat. Man kann aber auch ein paar Tropfen aufs Dessert – etwa ein Vanille- oder Yoghurteis – geben. Es gibt so viele Einsatzmöglichkeiten und deswegen wird er auch so oft verwendet. Wir haben mittlerweile 1.400 Fässer, damit wir den Apfel-Balsamico auch zehn Jahre reifen lassen können, ohne dass es zu Engpässen kommt. Es ist ein wertvolles Nahrungsmittel, das seinen Preis hat. Aber auf der anderen Seite wissen viele Leute diese Qualität zu schätzen und sagen, dass der Preis für das, was der Essig kann, ein fairer ist.

Hat es auch Obstsorten gegeben, bei denen die Essigproduktion nicht funktioniert hat bzw. Sie es nicht geschafft haben, ein schmackhaftes Endprodukt herzustellen?

Anfangs sind wir immer zu den Spitzenköchen gegangen – etwa zu Josef Viehhauser oder Eckart Witzigmann – und haben sie gefragt, aus welcher Frucht sie gerne einen Essig hätten. Wir haben dann beispielsweise einen Brombeeren-Essig hergestellt, der war aber schon so in der Nische von der Nische von der Nische, dass wir es nicht geschafft hätten, ihn berühmt zu machen. Aber viele Früchte, die wir auf diesem Weg ausprobiert haben – etwa die Marille, die Kirsche oder die Zwetschke – sind dann auch geblieben. Der Kirschessig in Kombination mit Sesamöl ergibt eine sehr interessante Kombination. Wenn ich Rotkraut mit Zwetschkenessig mache, dann entsteht eine ganz eigene Harmonie. Der absolute Fruchtessig ist jener aus Himbeere: Er ist sehr intensiv und klar im Aroma. Mittlerweile machen wir auch Essig aus Gemüse, etwa aus Tomaten oder Spargel. Tomatenessig ist beispielsweise sehr interessant, weil es dafür so viele Einsatzmöglichkeiten gibt. Was auch daran liegt, dass die Tomate »gelernt« ist und uns regelmäßig begegnet: sei es als Sauce auf der Pizza oder mit Nudeln, sei es frisch im Salat oder als Ketchup. Spargelessig hingegen ist wieder ausgefallener, weil er sehr saisonal ist und beim Marillenessig muss man sich genau überlegen, zu welchem Gericht er passt.

Können Sie uns verraten an welchen Essiginnovationen sie derzeit tüfteln?

Die Welt des Essigs ist unendlich und wenn man das Thema global betrachtet, dann ist es nicht eine Welt des Essigs, sondern eine Welt von Säuerungsmitteln. In Japan etwa wird vornehmlich Reisessig verwendet. Dieser wird in verschiedenster Art und Weise eingesetzt und hat Kultstatus erreicht. Es gibt beim Reisessig drei bis fünf deutlich abgegrenzte Kategorien, für die es ganz spezielle Anwendungsmethoden gibt, denen man gar nicht folgen kann, wenn man in der Materie nicht tief drinnen ist. Die Chinesen essen Gemüse wiederum vornehmlich warm und brauchen gar nicht viel Essig und trotzdem kommt einer der teuersten Balsamessige aus der chinesischen Provinz Shanxi. Dieser wird aus Sorghumhirse hergestellt und liegt geschmacklich irgendwo zwischen einem Balsamessig, wie wir ihn kennen, und einer Sojasauce. In mediterranen Gegenden wird oft nur frische Zitrone verwendet, während im Vorderen Orient wiederum Granatapfelsaft statt Essig zum Einsatz kommt. Jeder geht an dieses Thema anders ran und wir schauen uns natürlich diese unterschiedlichen Zugänge an und überlegen, was wir davon aufgreifen können.

Und was haben Sie davon konkret aufgegriffen?

Bei der Zitrone haben wir gesehen, dass sie so wichtig ist, dass wir einen guten Zitronenessig machen wollen. Wir haben dann versucht gute Zitronensäfte zu bekommen, weil wir nicht das technische Equipment haben, um große Mengen an Zitronen auszupressen. Schließlich haben wir in Spanien eine Firma gefunden, die das professionell machen kann. Sie pressen den Zitronensaft und gefrieren in sofort tief. Wir verarbeiten den tiefgefrorenen Zitronensaft dann weiter und erzeugen daraus Zitronenessig. Beim Zitronensaft ist es oft so, dass er aggressiv sauer ist. Deshalb haben wir den Zitronensaft mit dem hauseigenen »Weißen Balsamessig« 1:1 vermengt, um diese »aggressivere« Zitronensäure etwas auszugleichen und daraus ist eine schöne Harmonie zwischen der Zitronenfrucht und der Milde des Balsamico entstanden. Das nennen wir dann die »Zitronenwürze«, weil es in dieser Kreuzung eigentlich kein Essig mehr ist.

Wie kann ich als Konsument guten von schlechtem Essig unterscheiden?

Bei den Balsamici würde ich einfach auf die Zutatenliste schauen. Wenn beispielsweise Schwefel oder Farbstoffe zugefügt sind, dann muss das angegeben werden. Gerade bei ganz billigen Balsamessigen ist diese Zutatenliste oft sehr lang. Da muss man sich dann überlegen, ob man das will oder nicht. Das Wichtigste ist aber auf jeden Fall Geschmack, Geschmack, Geschmack. Ich kann nur empfehlen so viel wie möglich zu probieren. Das Gute bei Essig ist, dass es eine Deklarationspflicht gibt. Bei Spirituosen ist das nicht so klar geregelt. Zumindest soll es EU-weit bald so weit sein, dass bei braunen Bränden Zuckercouleur deklariert werden muss.

Wie seine Leidenschaft für Essig entstanden ist, wie er den Apfel-Balsamico erfunden hat, wie sich Klimawandel und Krisen auf die Essig- und Spirituosenproduktion auswirken und warum es keinen Bananen-Essig braucht, verrät Alois Gölles im Interview mit den Kolleg:innen von Falstaff PROFI.


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