Tasting vom 10.02.2017
Totgesagte leben länger. Immer wieder ist vom Abgesang des Chianti Classico zu lesen und zu hören. Zu uneinheitlich in der Stilistik, zu kompliziert zu verstehen, zu teuer, so hört man. In den USA sei der Markt eingebrochen, in Europa würde der Konsument kaum zwischen Chianti Classico und Classico unterscheiden. Mag alles sein. Unbestritten, dass in der Vergangenheit grobe Fehler gemacht wurden: keine klare bis gar keine Kommunikation, erhebliche Schwankungsbreiten in der Qualität, ebenso im Preis. Dazu kommt, dass vielfach die besten Weine nicht als Chianti Classico sondern als Super Tuscans (IGT) erschienen. Die aber wurden in der Kommunikation des mächtigen Consorzio, der Vereinigung der Weingüter im Chianti Classico, beharrlich tot geschwiegen. Schade um diese Misere, denn die Qualität des Chianti Classico erlebt gerade einen unglaublichen Aufschwung. Die etwas unglücklich gestartete Gran Selezione, die neue Premium-Kategorie bei Chianti Classico, steht immer besser da. Immer mehr Produzenten setzen auf diese Kategorie und erzeugen unter dieser Bezeichnung herrliche Weine! Gas es in früheren Jahren immer ein starkes Gefälle zwischen der Güte der Super Tuscans und der Chianti Classico, so kann man nun getrost beide Kategorien als gleichwertig betrachten. Die Jahrgänge 2011 bis 2013 waren etwas durchwachsen. Nicht schlecht, aber auch keine Jahrgänge mit durchgängiger Spitzenqualität. Bei 2011 und 2013 gibt einige wunderschöne Weine, die auch sehr gutes Reifepotential haben. Der Jahrgang 2012 war im Vergleich dazu deutlich heißer und trockener. Viele Weine zeigen sich breit, mit hohem Alkohol und lassen es gelegentlich an Frische fehlen. Ein Jahrgang für Power-Trinker. Sehr problematisch hingegen war 2014. Frühjahr und Sommer waren kühl und verregnet. Ab der zweiten Septemberhälfte stabilisierte sich zwar das Wetter, aber da was das meiste schon passiert. Die Qualität der Weine ist entsprechend, kantig und verwässert. Eine große Ausnahme waren da von den bisher verkosteten Weine nur jene der Tenuta di Trinoro. Da fragt man sich unwillkürlich: wie machen das Andrea Franchetti und sein Team nur? Wie man sieht, kann man auch in sehr schwierigen Jahrgängen großartige Weine erzeugen. Notizen von Othmar Kiem