Von Mergellina und Posillipo, den noblen Vierteln im Westen, hat man einen spektakulären Blick über die Bucht hinüber zum Vesuv.

Von Mergellina und Posillipo, den noblen Vierteln im Westen, hat man einen spektakulären Blick über die Bucht hinüber zum Vesuv.
© Shutterstock

Long Weekend in Neapel: Der Stern des Südens

Neapel sehen und sterben? Die süditalienische Metropole ist längst nicht mehr so wild und gefährlich wie ihr Ruf. Statt der Mafia erwarten Sie hier mehr als 3000 Jahre Geschichte und mediterrane Esskultur.

Freitag

Stehespresso, griechische Altstadt, Barockkapellen, Nobelboutiquen: Neapel ist äußerst vielseitig. Wir stürzen uns direkt ins Getümmel.

Das erste Mal in Neapel? Das kann schon ein Kulturschock sein. Erst einmal bei einem Kaffee entspannen, entweder im imperialen Fin-de-Siècle-Flair im »Gran Caffè Gambrinus« oder im 50er-Jahre-Futurismus des »Caffè Mexico« auf der Piazza Dante. Eine so schrill orange Kaffeemaschine haben Sie noch nie gesehen! Und wenn Sie schon da sind, gönnen Sie sich eine von Neapels fantastischen Mehlspeisen, etwa ein Baba au rhum oder eine Sfogliata riccia, ein knuspriges Blätterteiggebäck gefüllt mit Ricotta und kandierten Früchten.

Geometrische Muster und barocke Marmororgien

Bei einem Bummel durch die Altstadt holen Sie sich Appetit fürs Mittagessen: Schauen Sie sich die Straßen an, deren geometrisches Muster noch von den alten Griechen stammt. Und nehmen Sie sich Zeit, einen Blick in Höfe und Seitengässchen zu werfen – es lohnt sich immer wieder! Wenn die Schlange nicht zu lang ist, besuchen Sie die Kapelle Sansevero: eine barocke Marmororgie, die ihresgleichen sucht und in der Sie den verschleierten Christus bewundern können, eine der tollsten jemals in Marmor gehauenen Statuen.

Ricotta im Pizzarand

Jetzt haben Sie sich Ihre erste Pizza redlich verdient: Sparen Sie sich die Schlange bei »Sorbillo«, der berühmtesten Pizzeria der Stadt (die Pizza ist bei Weitem nicht so gut wie die Wartezeiten lang) und gehen Sie lieber zu »Di Matteo« (sehr ursprünglich), »Di Attilio« (unbedingt die mit dem Ricotta im Rand nehmen!) oder »Palazzo Petrucci« (gediegen). Wer ein richtiges neapolitanisches Beisl will: »Mangi e Bevi« ist ein Erlebnis.

Siesta oder Kultur?

Weil die Geschäfte zwischen drei und fünf fast alle zu haben, gehen Sie entweder ins Museo Madre und genießen etwas moderne Kunst oder machen es wie die Einheimischen und halten erst einmal Siesta. Dann ist Shopping angesagt: Spazieren Sie durch die malerischen Gassen des schicken Viertels Chiaia mit seinen Luxusboutiquen und Delikatessengeschäften. In einer der zahlreichen Bars können Sie dann auch gleich den Aperitivo nehmen. Stressen Sie sich nicht: Neapolitaner essen spät, abends eher nicht vor neun.

Zum Essen wählen Sie entweder moderne neapolitanische Küche und Natural Wine in schickem Ambiente bei »Dialetti« gleich in Chiaia – oder Sie gehen es ganz klassisch an, springen in ein Taxi und fahren zu »Mimì alla Ferrovia«, einer neapolitanischen Restaurant-Institution beim Bahnhof.

Samstag

Die einen fahren nach Pompeji, die anderen gehen ans Meer Fisch essen. Am Abend treffen sich alle zum edlen Tastingmenü.

Heute müssen Sie sich erst einmal entscheiden: Kultur oder Dolce Vita. Wer Kultur wählt, bricht morgens nicht zu spät auf und fährt nach Pompeji: lebendiger als hier wird die Antike nirgends. Die Ruinenstadt zu erkunden ist ein Erlebnis, es dauert allerdings leicht einen ganzen Tag. Packen Sie ein Picknick und nehmen Sie sich sonst nicht viel vor: Pompeji ist riesig. Wer es etwas gemütlicher angehen will, schaut sich Herculaneum an, die weniger berühmte, aber noch besser erhaltene Ausgrabung, die deutlich kleiner ist.

Zeit für neapolitanische Märkte

Keine Lust auf Kultur? Das Wetter ist prächtig, und eigentlich sind Sie zum süßen Nichtstun hier? Gehen Sie erst einmal auf einen der tollen neapolitanischen Märkte: La Pignasecca in den Quartieri Spagnoli oder der große Markt bei der Porta Nolana sind besonders sehenswert.

Frischer Fisch mit Aussicht

Zum Mittagessen geht’s nach Posillipo, wo das alte Geld in herrschaftlichen Villen wohnt: Bei »Cicciotto« speisen Sie frischen Fisch und Meeresfrüchte an weiß gedeckten Tischen mit einer umwerfenden Aussicht auf die Bucht und den Vesuv. Im Sommer fährt ein Boot aus Mergellina hierher, sonst nehmen Sie am besten ein Taxi. Wenn es warm ist, können Sie hier von den Felsen aus schwimmen gehen.

Rund um die Eierburg flanieren

Zurück in der Stadt (wo auch immer Sie untertags waren) können Sie sich noch die Caravaggios in Capodimonte anschauen, frühchristliche Katakomben unter der Kirche San Gennaro erkunden oder einfach am Lungomare rund um das Castell dell’Ovo, die Eierburg, flanieren und das Meer genießen. Abends wartet dann der krönende Höhepunkt des Genusses bei einem michelinbesternten Menü im »Palazzo Petrucci« oder »Il Comandante«. Wer jetzt immer noch nicht genug hat: Die Bars rund um die Piazza Bellini geben erst ab Mitternacht so richtig Gas.

Sonntag

Die tollste Antikensammlung der Welt, ein Höhlenfriedhof und grandiose Pizza: ein Sonntag, nach dem sie bestimmt wiederkommen wollen.

Auch wenn Sie sonst nicht so der Museumstyp sind, dem Archäologischen Nationalmuseum von Neapel sollten Sie eine Chance geben: Es beherbergt die ziemlich sicher tollste Antikensammlung der Welt. Nicht nur all die Mosaike, Malereien und sonstigen Schätze aus Pompeji und Herculaneum sind hier ausgestellt – auch die berühmte Farnese-Sammlung ist zu sehen, also all jene beeindruckenden Marmorstatuen, die in der italienischen Renaissance vor allem in Rom (wieder)entdeckt und im 18. Jahrhundert nach Neapel gebracht wurden.

Zu Mittag gibt’s noch einmal Pizza, so schnell kommen Sie schließlich nicht mehr hierher: Unweit des Museums, ein wenig den Berg hinauf, liegt »Starita«, eine der allerbesten Pizzerien der Stadt. Am Sonntag zu Mittag sind die unvermeidlichen Schlangen meist kürzer, weil die halbe Stadt bei Mamma zum Mittagessen ist.

Pasta zum Abschied

Wer jetzt noch nicht zum Flughafen muss, der kann ein Stück sehr ursprüngliches Neapel erleben und zum Cimitero delle Fontanelle spazieren. Der Höhlenfriedhof ist berühmt für seine morbiden Knochen- und Schädelberge. Der Weg dorthin führt durch Materdei, ein sehr traditionelles neapolitanisches Viertel. Wer jetzt schnell zurück ins 21. Jahrhundert will: Die »Salumeria Upnea« in der Altstadt serviert herrlich frische Pasta mit rohen Meeresfrüchten in stylish-modernem Ambiente.

Erschienen in
Falstaff Nr. 07/2019

Zum Magazin

Tobias Müller
Autor
Mehr entdecken
Tokio ist allein für seine Skyline und die fantastische Aussicht auf den Fuji eine Reise wert.
Japan
Long Weekend in Tokio
Tokio ist nicht bloß eine Stadt, sondern ein eigenes Universum. Wir erkundeten die Metropole an...
Von Tobias Müller
Mehr zum Thema