Das pittoreske Viertel »La Petite France« an der Ill mit dem 1572 errichteten Gerberhaus (Maison des Tanneurs) in der Mitte.

Das pittoreske Viertel »La Petite France« an der Ill mit dem 1572 errichteten Gerberhaus (Maison des Tanneurs) in der Mitte.
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Long Weekend Straßburg: Flair & Flammkuchen

Die Europastadt Straßburg nahe der französisch-deutschen Grenze wartet mit einer idyllischen Altstadt auf. An drei Tagen ist genug Zeit, um nicht nur die City ausgiebig zu erkunden, sondern auch in die Küche und Kultur der umliegenden Region Elsass einzutauchen.

Freitag

Bienvenue und Wellkumma: Straßburg zeigt seine Reize auf der Altstadtinsel Grande Île.

Mit knapp 300.000 Einwohnern ist Straßburg die achtgrößte Stadt Frankreichs und die größte in ihrer Region, dem Grand Est, das sich aus dem Elsass sowie Lothringen und Cham­pagne-Ardenne zusammensetzt. Es ist aber nicht die Größe, die Straßburg zu einer besonderen Mini-Metropole macht, sondern die Lage: Im südlichen Rheintal vermischen sich seit Jahrhunderten die Einflüsse des heutigen Frankreichs und Deutschlands.

Das macht sich an Namen wie »La Maison du Kougelhopf« bemerkbar, in denen französische und alemannische Begriffe aufeinandertreffen. Über die komplexe und bewegte Geschichte – das Elsass wechselte mehrfach zwischen deutscher und französischer Herrschaft hin und her – berichten auch zahlreiche Sehenswürdigkeiten auf der Altstadtinsel Grande Île, etwa das ab 1176 errichtete Liebfrauenmünster zu Straßburg, das Geschichtsmuseum und der Museumskomplex im Palais Rohan.

Das 1742 fertiggestellte Palais Rohan beherbergt drei Museen, darunter die Gemäldegalerie mit Werken europäischer Meister.
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Das 1742 fertiggestellte Palais Rohan beherbergt drei Museen, darunter die Gemäldegalerie mit Werken europäischer Meister.

In der beschaulichen Fußgängerzone Rue des Juifs lädt »La Casserole« zum Mittagessen ein. Dort werden französische Gerichte in einem eleganten Speisesaal gereicht. Man kann entweder nach Karte essen oder sich vom wöchentlich wechselnden Menü überraschen lassen (55 Euro für vier Gänge).

Nach dem Mittagessen steht der Abstieg in einen einzigartigen historischen Weinkeller an: die »Cave Historique des Hospices de Strasbourg«. Richtig gelesen: Die 1.200 Quadratmeter umfassenden Gewölbe befinden sich unter dem städtischen Spital. Zur Zeit der Gründung im Jahr 1395 war es eine von Ordensleuten geführte Einrichtung, die nicht nur Kranke pflegte, sondern auch Pilger und Arme verköstigte. Mittlerweile werden in den Fässern Spitzenweine ausgebaut. Bei einem Rundgang kommt man an einem Fass von 1472 vorbei, das den ältesten Weißwein der Welt enthält. Wer den Keller besuchen möchte, sollte den Abstecher südlich der Altstadt wirklich am Freitag einplanen (8.30 bis 12.00 Uhr und 13.30 bis 17.30). Samstags ist er nämlich nur vormittags geöffnet, sonntags gar nicht.

Wer in einem der beiden Hotels »Les Haras« oder »Cour du Corbeau« absteigt, die südlich der Altstadtinsel liegen, muss vom Weinkeller jeweils nur einen zehnminütigen Spaziergang zurücklegen, bevor er vor dem Abendessen noch einmal die Beine hochlegen kann. Man ist aber auch schnell wieder in der Altstadt; zum Hotel »Maison Rouge« geht man beispielsweise eine Viertelstunde.

Und um das Restaurant fürs Abendessen zu erreichen, sollte dann ohnehin ein Taxi gerufen werden: Das »de:ja« liegt zwei Kilometer außerhalb. Den Umweg belohnen die innovativen Kreationen des Duos Jeanne Satori und David Degoursy, die erst heuer mit ihrem ersten Stern geehrt wurden. Das 16-Gänge-Menü wird in einem skandinavisch angehauchten Lokal serviert. Durch eine von Fenstern durchbrochene Wand haben die Gäste Einblick in die Küche. Satori und Degoursy setzen auf traditionelle Techniken sowie regionale Bio-Zutaten. Das Streben nach Nachhaltigkeit hat dem »de:ja« auch schon einen grünen Stern eingebracht.


Samstag

Am zweiten Tag gilt es, tiefer ins elsässische Kulturgut einzutauchen.

Kulturell und kulinarisch ist Straßburg ganz ins Elsass eingebettet. Das ist Frankreichs östlichste historische Landschaft, die knapp zwei Millionen Einwohner zählt. Über die Eigenheiten dieser Region, die sich seit jeher im Spannungsfeld des germanischen und romanischen Kulturraums befindet, informiert das »Musée alsacien«. Es ist in einem Fachwerkhaus aus dem 17. Jahrhundert untergebracht, und seine diskrete Fassade ist der Ill zugewandt. Die Hauptausstellung beleuchtet die Identität und den Alltag der Elsässer vom 18. Jahrhundert bis heute. Beim Rundgang, der durch drei Gebäude führt, gibt es unter anderem nachgebaute Wohnräume und eine nostalgische Apotheke zu erkunden.

Die bekannteste Spezialität des Elsass ist der Flammkuchen: ein dünner Boden aus Brotteig, der mit Sauerrahm, Speck und Zwiebeln belegt und kurz und heiß gebacken wird. Dieses Gericht eignet sich ideal als Stärkung untertags, und so geht’s zum Mittagessen in die »Binchstub Broglie«. Neben dem Original stehen dort noch viele andere Varianten zur Auswahl, darunter eine mit Preiselbeeren, Rucola und Hartkäse aus der Region.

Der Verdauungsspaziergang vom Restaurant, das im Norden der Altstadtinsel liegt, führt durch den historischen Stadtkern ins westlich vorgelagerte Viertel namens Petite France (im elsässischen Dialekt übrigens »Französel«). Dort findet man sich in Straßburgs idyllischster Ecke wieder: Die Straßenzüge sind von Fachwerkhäusern aus dem 16. und 17. Jahrhundert gesäumt und muten wie ein Dorf auf dem Hinterland an. In der kalten Jahreszeit bietet sich dort ein Glühwein zum Aufwärmen an.

Zusammen mit dem Rest der Altstadt gehört das Quartier zum UNESCO-Weltkulturerbe. Es wird von vier Kanälen durchzogen. Was heute so malerisch anmutet, war jedoch vor wenigen Jahrhunderten ein verschmähter Stadtteil: Die dort ansässigen Gerbereien hielten mit ihren unangenehmen Gerüchen die feinen Leute fern. Höchstens Müller, arme Fischer, Henker und Prostituierte hatten dort ihre Bleiben. Wenn sie wüssten, dass es in ihren bescheidenen Häusern heute ein Fünf-Stern-Hotel gibt: Im »Régent Petite France« haben sämtliche Zimmer und Suiten Ausblick auf die pittoreske Umgebung.

Der Tag klingt schließlich in einer typischen »Winstub« aus. In Straßburg gibt es mehrere urige Gaststätten, in die man auf ein Glas Wein und ein deftiges Gericht einkehrt. Das bekannteste ist »Chez Yvonne«, das in seiner 150-jährigen Geschichte schon Prominente wie Nicolas Sarkozy und Léa Seydoux bewirtet hat. Zu den jüngeren Lokalen der Kategorie gehört »La Vieille Enseigne«. Und direkt neben dem Elsass-Museum liegt »Au Pont Corbeau«. 

Dort sollte man das traditionelle Sauerkraut, das »Choucroute garnie«, bestellen: Das Kraut wird mit trockenem Weißwein aufgekocht und erinnert mit seiner Garnitur an Würsteln, Fleischstücken und Kartoffeln an einen Bauernschmaus. Passend dazu wünscht man sich mit »E Güeter!« einen guten Appetit; die Antwort darauf lautet: »E Bessere!« Wer es nobler will, der muss übrigens zu »Choucroute royale« greifen, das üblicherweise mit Champagner und Foie gras serviert wird.


Sonntag

Ausflug nach Wingen an der Moder: Jugendstil-Schmuck und ein österreichischer Spitzenkoch.

Wenn sich in Straßburg die Geschäfte und auch viele Restaurants von der geschäftigen Woche erholen, sorgt ein Tagesausflug für Abwechslung. Rund um die elsässische Hauptstadt liegen einige lohnende Ziele, darunter das Schokoladenmuseum in Geispolsheim (zwölf Kilometer südlich von Straßburg) und das Sternerestaurant »Le Relais de la Poste« in La Wantzenau (zwölf Kilometer nördlich).

Am meisten zu erleben gibt es aber in Wingen an der Moder: Dieses 1.600-Seelen-Nest liegt 60 Kilometer nordwestlich von Straßburg im Naturpark Nordvogesen. Wer Zeit sparen möchte, kann sich per Helikopter aus Straßburg einfliegen lassen und ist in einer Viertelstunde da.

Dort findet man das elegante Gasthaus »Villa René Lalique«, das sich aus einem Fünf-Sterne-Hotel und einem Restaurant mit zwei Sternen im Guide Michelin zusammensetzt. Dort kocht seit 2017 der Österreicher Paul Stradner, der 2020 seinen langjährigen Mentor Jean-Georges Klein als Küchenchef abgelöst hat. Außerdem verfügt die »Villa René Lalique« über einen beeindruckenden Weinkeller, den Gäste besichtigen können: In einem 200 Quadratmeter großen Raum werden die Weinkisten, die insgesamt rund 12.000 Flaschen beinhalten, hinter Glas ausgestellt.

Wem der Name Lalique bekannt vorgekommen ist, der ist auf der richtigen Spur: Der Franzose René Lalique (1860–1945) war einer der bekanntesten Schmuck- und Glaskünstler des französischen Jugendstils. Bis heute fertigt die von ihm gegründete Manufaktur unter der Marke »Lalique« Glaskunst und Schmuck vom Feinsten. Nur zwei Kilometer vom Hotel und Restaurant entfernt liegt das sehenswerte Museum, das sich mit dem Leben und Werk des Ausnahmekünstlers beschäftigt (sonntags 10–18 Uhr geöffnet). Es wurde im Jahr 2011 eröffnet und findet sich am Standort der ehemaligen Glashütte Hochberg. Für die Neugestaltung zeichnete das Architekturbüro Wilmotte verantwortlich, das auch am Pariser Musée d’Orsay sowie am Rijksmuseum in Amsterdam beteiligt war.

Das umliegende Naturgebiet der Nordvogesen lässt sich auf mehr als 1.650 Kilometern an markierten Fuß- und Radwegen erkunden. Bei Wingen verläuft unter anderem ein 17,5 Kilometer langer Rundweg auf den Spuren der Glasmacher. Keine Sorge, es gibt auch kürzere Alternativen.

Und so endet das verlängerte Wochenende in Straßburg vielleicht erschöpft, aber jedenfalls um vielseitige Erlebnisse reicher. »Àdie«, sagt man in der elsässischen Mundart, und auch: »Bù Voyage!«


Tipps & Adressen

Hotels

Régent Petite France***** (1)
Romantischer geht’s nicht: Alle 75 Zimmer und Suiten haben eine Aussicht auf das charmante Viertel »Klein-Frankreich«. Für ruhige Abende gibt es eine Terrasse am Wasser und ein Spa.

6 Rue des Moulins, 67000 Straßburg
T: +33 3 88764343, regent-petite-france.com

Maison Rouge***** (2)
Beim »roten Haus« handelt es sich um das älteste Hotel der Stadt: Seine Geschichte der Gastfreundschaft begann schon 1387.

4 Rue des Francs-Bourgeois, 67000 Straßburg
T: +33 3 88320860, maison-rouge.com

Cour du Corbeau – MGallery**** (3)
Dieses faszinierende Boutiquehotel mit 63 Zimmern verteilt sich über zehn Fachwerkhäuser, von denen das älteste seit 1528 steht.

6–8 Rue des Couples, 67000 Straßburg
T: +33 3 90002626, all.accor.com

Les Haras**** (4)
Außen ein Anwesen aus dem 18. Jahrhundert, innen ein Designtempel des Duos Patrick Jouin und Sanjit Manku. Neben 55 Zimmern gibt es einen Wellnessbereich mit Pool, Sauna und Hammam.

23 Rue des Glacières, 67000 Straßburg
T: +33 3 90205000, les-haras-hotel.com

Léonor**** (5)
Dieses 2021 eröffnete Lifestyle-Hotel auf der Altstadtinsel wurde von Designer Jean-Philippe Nuel in einem denkmalgeschützten Gebäude aus dem 18. Jahrhundert gestaltet. Der sonnige Innenhof misst 500 Quadratmeter.

11 Rue de la Nuée-Bleue, 67000 Straßburg
T: +33 3 67292929, leonor-hotel.com

© Stefanie Hilgarth / carolineseidler.com

Restaurants

De:ja* (1)
Das Kochduo Jeanne Satori und David Degoursy hat 2023 den ersten Stern erkocht.

1 Rue Schimper, 67000 Straßburg
deja-restaurant.com

Les Plaisirs Gourmands* (2)
Küchenchef Guillaume Scheer verwendet nur die frischesten Zutaten. Seine Saucen und Jus sind ein Gedicht, und auch der Fisch wird stets perfekt gekocht serviert.

35 Rte du Général de Gaulle, 67300 Schiltigheim
T: +33 3 88835555, guillaume-scheer.fr

Le Relais de la Poste* (3)
Zehn Kilometer nordöstlich vom Straßburger Zentrum, erreichbar mit der Straßenbahn, liegt ein weiterer Genusstempel, der heuer zu seinem ersten Stern gekommen ist.

21 Rue du Général de Gaulle, 67610 La Wantzenau
T: +33 3 88592480, relais-poste.com

La Casserole (4)
Unter der Leitung von Cédric Kuster (geb. 1987) stellt das junge Team ausgefeilte französische Menüs zusammen.

24 Rue des Juifs, 67000 Straßburg
T: + 33 3 88364968, la-casserole.fr

Binchstub Broglie (5)
Flammkuchen gibt es fast überall, aber hier ist die Auswahl am größten.

28 Imp. de l’Écrevisse, 67000 Straßburg
T: +33 9 82355030, binchstub.fr

Villa René Lalique** (6)
Im Naturpark der Nordvogesen – 45 Fahrminuten von Straßburg entfernt – befindet sich mit der »Villa René Lalique« ein Ausflugsziel der Extraklasse. Der zweifach besternte Küchenchef Paul Stradner kommt aus Österreich.

18 Rue Bellevue, 67290 Wingen-sur-Moder
T: +33 3 88719898, villarenelalique.com

Winstubs & Weinbars

Chez Yvonne – S’Burjerstuewel (1)
Diese holzvertäfelte Gaststätte, die sich selbst »la winstub« nennt, ist eine Institution seit 1873.

10 Rue du Sanglier, 67000 Straßburg
T: +33 3 88328415, restaurant-chez-yvonne.net

Au Pont Corbeau (2)
In dieser gemütlichen Stube gibt es elsässische Weine und Gerichte, darunter den deftigen Sauerkrautteller namens »Choucroute garnie«.

21 Quai Saint-Nicolas, 67000 Straßburg
T: +33 3 88356068, aupontcorbeau.fr

La Vieille Enseigne (3)
Dem Namen zum Trotz gibt es »das alte Schild« erst seit 2019. Ein beachtlicher Teil der Getränkekarte besteht aus Bio-Weinen.

9 Rue des Tonneliers, 67000 Straßburg
T: +33 3 88759511, lavieilleenseigne.fr

Meiselocker (4)
Diese »Winstub« in der Nähe der Kathedrale serviert Spezialitäten wie Cordon Bleu und den elsässischen Sauerkrautteller.

39 Rue des Frères, 67000 Straßburg
T: +33 3 88223000, meiselocker.fr

Black & Wine (5)
Diese Weinbar bietet nicht nur eine große Auswahl, sondern auch die erste Rooftop Bar im Zentrum von Straßburg.

9 Rue Hannong, 67000 Straßburg
T: +33 3 88322167, blackandwinebar.com

Anreise

Der Flughafen von Straßburg (SXB) liegt in der Gemeinde Entzheim, etwa 16 Kilometer südwestlich des Stadtzentrums. Er wird von knapp 20 Fluglinien angeflogen, unter denen allerdings viele Ferienflieger sowie Verbindungen innerhalb Frankreichs sind. Die vergleichsweise wenigen internationalen Verbindungen – darunter Brüssel und Frankfurt – verweisen auf regen Geschäfts- und Politikerverkehr. Wer aus Wien fliegen will, muss jedoch mindestens einmal umsteigen. Alternativen sind das Auto (ca. 800 Kilometer von Wien bzw. 500 Kilometer aus Innsbruck) oder auch der Zug: Die ÖBB fährt mit dem Nachtzug dreimal wöchentlich nach Paris und hält unterwegs auch in Straßburg an.


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Erschienen in
Falstaff Nr. 10/2023

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Lisa Arnold
Autor
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