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Essen in Berlin: Tipps von Sternerestaurants bis Street Food

So kulinarisch spannend und vielfältig wie Berlin, ist derzeit kaum eine andere Stadt Europas. Auch das benachbarte Brandenburg zählt längst nicht mehr zur gastronomischen Diaspora. Höchste Zeit für eine genussvolle Reise durch die deutsche Hauptstadt und ihre kleine schöne Schwester Potsdam.

Freitag

Auf einer Tour vom rauen Kreuzberg nach Charlottenburg erleben wir beeindruckende Kunst und Berlins vielfältige Kulinarik, um am Abend beides zu verbinden.

Sie sei »dazu verdammt, immerfort zu werden und niemals zu sein«, attestierte Kunstkritiker Karl Scheffler der deutschen Hauptstadt in seiner berühmten Analyse »Berlin – ein Stadtschicksal«. Wie richtig er mit diesem 1910 verfassten Diktum lag, zeigt allein der Wandel Berlins in den vergangenen 35 Jahren: vom Kollisionspunkt unvereinbarer politischer Ideologien zur Gourmet-Metropole, die selbst in ihren rauesten Ecken kulinarische Hotspots bietet. Es gibt dafür kaum einen besseren Beweis als das »Annelies« am Görlitzer Park. Hier, am Startpunkt unserer kulinarischen Erkundungstour, sind wahre Frühstücksprofis zugange. Am liebsten würden wir die ganze Karte bestellen, hoffen aber, dass uns mit den Buttermilch-Pancakes, den gegrillten Zucchini mit gerösteter Hefe und dem traditionell zubereiteten »Burnt Basque Cheesecake« zumindest ein guter Querschnitt gelungen ist.

Gestärkt ziehen wir weiter über den Lausitzer Platz zur »Markthalle Neun«, Berlins Genussadresse schlechthin. Von Montag bis Samstag greifen hier Streetfood- und klassischer Bauernmarkt ineinander über. Wir könnten den halben Tag damit zubringen, uns durch das immense Angebot zu arbeiten, stünden uns nicht noch viele weitere Genussmomente bevor. Und mit dem »Richard« liegt der nächste lediglich fünf Minuten entfernt. Kürzlich hat Inhaber Hans Richard das Konzepts seines Sterne-Restaurants um eine günstigere, mediterrane Bistro-Küche erweitert. Was soll man sagen: Die Berliner rennen ihm dafür die Bude ein.

In der »Markthalle Neun«  trifft Wochenmarkt auf Streetfood und Kreuzberger Kiez auf internationales Publikum.
© Markthallte Neun / Foto beigestellt
In der »Markthalle Neun« trifft Wochenmarkt auf Streetfood und Kreuzberger Kiez auf internationales Publikum.

Auf dem Weg nach Charlottenburg lernen wir mit der Berlinischen Galerie und dem Jüdischen Museum einen ersten Teil von Berlins vielfältiger Kulturlandschaft kennen. Direkt gegenüber Zweiterem hat jüngst das »Frühstück 3000« eröffnet, wo man – selbst wenn man seit dem Vormittag am Essen ist – dem Eindruck unterliegen könnte, man nehme die erste Mahlzeit des Tages zu sich. Was am schlichten Umstand liegt, dass hier den ganzen Tag über nur Frühstück angeboten wird. Allerdings in ambitionierten Ausformungen – wie die Cheddarwaffel mit frittiertem Hühnchen und Bacon-Karamell-Soße beweist.

Frühstückskreationen der Extraklasse:  An keinem Ort Berlins wird die wichtigste Mahlzeit des Tages so genüsslich zelebriert, wie im »Frühstück 3000«.
Foto beigestellt
Frühstückskreationen der Extraklasse: An keinem Ort Berlins wird die wichtigste Mahlzeit des Tages so genüsslich zelebriert, wie im »Frühstück 3000«.

Auf dem Weg zum KaDeWe, auf dessen sechster Etage uns das erlesenste Champagnerangebot der Stadt erwartet, machen wir einen Schlenker über die Neue Nationalgalerie. Und weil uns nach dieser Langstreckenwanderung das dringende Bedürfnis überkommt, die Füße zu schonen, bleiben wir einfach in Charlottenburg. Hier stehen ohnehin gleich mehrere Top-Adressen zur Auswahl. Das »Pars« erhält unseren Zuschlag. Kristiane Kegelmann, bildende Künstlerin und Patissière, kreiert hier regelrechte essbare Kunstwerk, zusammengestellt zu einem Sechs-Gänge-Menü.

Samstag

Im Prenzlauer Berg werden wir Zeuge lebendiger Geschichte, während uns in Mitte futuristische Konzepte erwarten.

So genussvoll der gestrige Tag zu Ende ging, so starten wir auch in den Samstag. Der Prenzlauer Berg mit seinem fantastischen gastronomischen Angebot ist der ideale Ausgangspunkt.

Hier erstreckt sich auch Deutschlands größter erhaltener Bestand an Gründerzeit-Bauten. Wie durch ein Wunder blieben die prächtigen Mehrfamilienhäuser im Zweiten Weltkrieg verschont. Ur-Berliner verbinden jedoch wenig Romantisches mit dem im Osten liegenden Stadtteil, gilt er ihnen doch als Inbegriff der Gentrifizierung, weil das ehemalige Arbeiterviertel nach der Wende von gut situierten Familien, größtenteils aus Südwestdeutschland, gekapert wurde.

© Masa Stanic

Da solch eine Nachhilfeeinheit in deutscher Nachwendegeschichte mit leerem Magen nur mäßig fruchtet, trifft es sich gut, dass mit dem »Café Frieda« eine der stadtweit angesagtesten Frühstücksadressen direkt vor uns lieg. Beim Eintreten strömt uns der Duft frischer Backwaren entgegen. Wir platzieren uns am Tresen und ordern die Hausspezialität: ein Roggen-Buchweizen-Croissant mit ganzer Burrata-Kugel und Sirup aus gerösteten Kaffeebohnenschalen. Außergewöhnlich, aber köstlich!

Mit dem »Otto« liegt eine weitere Top-Gourmet-Adresse nur einen Katzensprung entfernt. Küchenchef Vadim Otto Ursus Henselder, übrigens hier im Bezirk aufgewachsen, verarbeitet ausschließlich Lebensmittel aus dem Berliner Umland und verzichtet für seinen radikalen Regionalitätsanspruch sogar auf vermeintliche Basis-Produkte wie Pfeffer, Olivenöl und Zitronen. Insbesondere in den Wintermonaten kommt man in den Genuss seiner grandiosen Fermentationskünste.

Das auf Instagram meistgepostete Gericht im »Café Frieda«: ein Roggen-Buchweizencroissant mit Burrata-Käse und Kaffeeschalensirup.
© Robert Riegler
Das auf Instagram meistgepostete Gericht im »Café Frieda«: ein Roggen-Buchweizencroissant mit Burrata-Käse und Kaffeeschalensirup.

Über die Eberswalder Straße machen wir uns auf den Weg in Richtung Berlin-Mitte und passieren den Mauerpark. Zu Zeiten der deutschen Teilung erstreckte sich hier, wo nun am Wochenende Flohmärkte und Livemusik locken, eine der grauenvollen Grenzschutzanlagen der DDR. Wir verfolgen die Darbietungen der dortigen Straßenkünstler nur aus der Ferne und ziehen über Kastanienallee und Rosenthaler Straße zur Museumsinsel, einem der bedeutendsten Museumskomplexe Europas. Die Sammlungen seiner fünf Häuser spannen einen Bogen von der Prähistorie bis zur Kunst des 19. Jahrhunderts. Atemberaubend!

Den Samstagabend begehen wir fleischlos, was zumindest in Berlin keinen Verzicht bedeutet. Die vegane Küche besitzt nirgendwo sonst in Deutschland eine so große Qualität und Vielfalt. Es gelingt uns, einen Tisch im »Oukan« zu ergattern, einem der für Berlin so typischen Hinterhof-Lokale. Zum Sieben-Gänge-Menü fällt die Wahl – experimentierfreudig wie wir sind –  auf die Tee-Begleitung. Dem Alkohol entsagen wir an diesem Abend dennoch nicht gänzlich, im Gegenteil. Begierig machen wir uns auf den Weg zum »Le Jardin«, der Bar-Neueröffnung des Jahres. Jeder Drink enthält mindestens eine Ingredienz, die in einem der vertikalen Hochbeete inmitten des Lokals heranwächst.

Mit dem Mauerpark, zwischen Wedding und Prenzlauer Berg, wurde aus dem Todesstreifen der ehemaligen DDR-Grenzanlage eine beliebte Grünanlage.
© Shutterstock
Mit dem Mauerpark, zwischen Wedding und Prenzlauer Berg, wurde aus dem Todesstreifen der ehemaligen DDR-Grenzanlage eine beliebte Grünanlage.

Sonntag

An barocken Schlössern vorbeispazieren und dann ein richtig gutes Essen – so sieht ein perfekter Tagestrip nach Potsdam aus.

Durch den Grunewald die Königsstraße herunter fahren wir nach Südwesten, bis die Glienicker Brücke auftaucht. Einst war diese die Havel überspannende Stahl-Fachwerk-Konstruktion spektakulärer Schauplatz des Kalten Krieges. Die USA und die UdSSR tauschten gegnerische Spione auf dieser Überführung aus, was ihr den Beinamen »Agentenbrücke« einbrachte. Rechter Hand liegt Schloss Glienicke mit seiner herrlichen Parkanlage, die sich streng genommen noch auf Berliner Boden befindet, von Potsdam allerdings als »Vorgarten« okkupiert wird.

Ein Spaziergang könnte nun etwa über die Brücke in den Neuen Garten führen –mit dem Marmorpalais oder Schloss Cecilienhof. Zuvor allerdings machen wir Rast im »Garage du Pont«, einem Café-Restaurant in einer ehemaligen, sorgsam restaurierten Tankstelle aus den 1930er-Jahren. Tagsüber werden Kuchen, kleine Snacks und französische Küchenklassiker serviert.

Die »Garage du Pont« ist eine außergewöhnliche Mischung aus französischem Restaurant und Oldtimermuseum.
Foto beigestellt
Die »Garage du Pont« ist eine außergewöhnliche Mischung aus französischem Restaurant und Oldtimermuseum.

Fußläufig entfernt liegt die denkmalgeschützte »Villa Kellermann«. Nach langjähriger Regie von Tim Raue haben im Juni Küchenchef Christopher Wecker und Restaurantleiter Joschka Rauch die Leitung des Restaurants am Heiligen See übernommen, das TV-Moderator Günther Jauch gehört. Der Fokus liegt weiter auf modern interpretierter Brandenburger Küche.

Weiter südlich ragt Schloss Sanssouci in den Horizont, jenes Rokoko-Juwel, das Friedrich II. als Sommerresidenz diente und das der Preußenkönig – Historikern zufolge ein Mann von seltenem Format, Schöngeist und erbarmungsloser Kriegsherr zugleich – nach eigenen Skizzen anfertigen ließ. Hier verfasste er Gedichte und philosophische Texte oder komponierte Musik. »Fritz« prägte das Preußen-Reich wie kein anderer und erhob es zur zweiten großen deutschen Macht neben Österreich. Erkundigt man sich in Potsdam heute nach der für die Stadt prägendsten Person, fällt aber meist ein anderer Name: Hasso Plattner. Der Milliardär und SAP-Gründer förderte den Wiederaufbau des hiesigen Stadtschlosses und stiftete seiner Wahlheimat mit dem Museum Barberini und dem Minsk zwei bedeutende Kunsthäuser.

Nach unserem Spaziergang durch die weitläufige Parkanlage Sanssoucis neigt sich der Tag dem Ende zu und wir begeben uns zur letzten Station unserer Genussreise: dem Edel-Restaurant »Kochzimmer«, in dem schon Bundeskanzler Scholz und Frankreichs Präsident Macron miteinander speisten. Ein gebührendes Ende.

Tipps  & Adressen

Hotels

Hotel Telegraphenamt (1)
Borchardt-Chef Roland Mary hat das frühere Haupttelegrafenamt Berlin mit Detailliebe in ein trendiges Luxushotel verwandelt. 97 Zimmer stehen bereit, darunter zwei Maisonette-Apartments.
Monbijoustraße 11, 10117 Berlin
T: +49 309940590, telegraphenamt.com

Hotel de Rome (2)
Im ehemaligen Hauptsitz der Dresdner Bank aus dem 19. Jahrhundert vereint dieses Fünf-Sterne-Haus modernes Design mit Nostalgie. Die Rooftop-Terrasse lädt ein, Berlins Skyline zu beobachten.
Behrenstraße 37, 10117 Berlin
T: +49 304606090, roccofortehotels.com

Hotel Château Royal (3)
Sieben Gehminuten vom Brandenburger Tor entfernt hat »Grill Royal«-Betreiber Stephan Landwehr 2022 sein Hotel eröffnet. Jedes der 93 Zimmer wurde individuell von einem zeitgenössischen Künstler gestaltet.
Neustädtische Kirchstraße 3, 10117 Berlin
T: +49 3023456770, chateauroyalberlin.com

InterContinental Berlin (4)
Das am Tiergarten gelegene Fünf-Sterne-Hotel war einst das erste Hochhaus der Stadt und wurde feierlich vom damaligen Bürgermeister Willi Brandt eingeweiht. Nun wurde es aufwendig saniert.
Budapester Str. 2, 10787 Berlin
T: +49 03026020, berlin.intercontinental.com


Restaurants

Richard Bistro (1)
Das Lokal von Hans Richard (ursprünglich Maler) kann Sterne- und legere Bistroküche. Man sitzt unter Bildern, die der Chef persönlich gemalt hat.
Köpenicker Str. 174, 10997 Berlin
T: +49 3049207242, restaurant-richard.com

Oukan (2)
Zu buddhistisch inspirierter Küche wird hier eine speziell abgestimmte Tee-Begleitung von Tee-Sommelière Kwok Ying von Beuningen angeboten.
Ackerstraße 144 | Im Hinterhof, 10115 Berlin
T: +49 3054 774716, oukan.de

November Brasserie (3)

Modernes japanisches Lokal mit fantastischem Sushi und Naturweinen. Geehrt wurde diese Leistung bereits mit einem Eintrag im Bib Gourmand.
Husemannstraße 15, 10435 Berlin
T: +49 1623332135, november-brasserie.com

Pars (4)

Mit ihren Sechs-Gänge-Menüs überschreiten Kristiane Kegelmannn und Alina Jakobsmeier die Grenzen zur Kunst. Ein Ort der kulinarischen Experimente.
Grolmanstraße 53-54, 10623 Berlin
T: +49 3049919786, pars.berlin

Otto (5)

Ein Ort, an dem der deutschen Küche die kulinarische Transformation von typisch schwerer Hausmannskost zu einer modernen Interpretation gelingt. Küchenchef Vadim Otto Ursus Henselder steht für eine neue Ära der Gastronomie: Produktküche, ganz ohne Show.
Oderberger Str. 56, 10435 Berlin
T: +4930 58705176, otto-berlin.net


Café, Bar

Annelies (1)
Das Café von Sophie Hardy, Hannes Haake und Matthew Maue überzeugt mit ungewohnten Geschmackskombinationen wie Croissant mit Burrata, die ganz neue Aromen entstehen lassen.
Görlitzer Str. 68, 10997 Berlin
anneliesberlin.com

Le Jardin (2)
Futuristische Bar mit Indoor-Beeten, in denen ein Teil der Ingridenzien für die Drinks heranwachsen. Verarbeitet werden sie im für die Gäste einseh-baren »Lab«. Das nennt sich »Farm to table«.
Kleine Präsidentenstraße 4, 10178 Berlin
T: +49 15750999418, lejardin-bar.de


Hotels

Dorint Hotel Sanssouci
Perfekte Mischung aus moderner Architektur und zeitloser Eleganz inmitten der historischen Schlösser Sanssouci und Cecilienhof. Entspannung bietet der Aqua Spa Bereich mit Schwimmbad und Sauna.
Jägerallee 20, 14469 Potsdam
T: + 49 331 2740, hotel-potsdam.dorint.com


Restaurants

Villa Kellermann (1)
Geschmackvoll eingerichtes Lokal in einer 1914 erbauten Villa. Tipp: Zum Menü von Christopher Wecker einen »Von Othegraven« probieren, den Villa-Inhaber Günther Jauch und seine Frau produzieren.
Mangerstraße 34, 14467 Potsdam
T: 49 33120046540, villakellermann.de

Kochzimmer (2)
Das Restaurant in der Gaststätte zur Ratswaage am Neuen Markt gilt als bestes in ganz Brandenburg. In diesem Jahr hat Küchenchef David Schubert seine zwei Sterne verteidigt.
Am Neuen Markt 10, 14467 Potsdam
T: +49 33120090666, restaurant-kochzimmer.de

© Stefanie Hilgarth / carolineseidler.com

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Sebastian Späth
Sebastian Späth
Chefredakteur Deutschland
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