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Bean me up! Hülsenfrüchte erleben eine Renaissance

Die traditionelle mexikanische Esskultur vereint Einflüsse der Azteken und Mayas mit der modernen europäischen Küche. Ein Fixstern darin: Hülsenfrüchte. Sie zählen zu den ältesten und wichtigsten Nutzpflanzen und erleben bei uns nun eine Renaissance. Endlich und aus guten Gründen!

Ob klein, groß, rund, nierenförmig oder oval, rot, schwarz, weiß oder gesprenkelt – ihre vielfalt ist gigantisch: Aktuell sind Bohnen als Alternative Eiweißquelle interessant, die helfen kann, den Fleischkonsum zu reduzieren. Zahlreiche gesundheitliche Benefits liefern sie obendrein.  Mexiko zählt – neben dem Nahen Osten, dem zentralasiatischen Raum und Afrika – zu einer der Wiegen der Hülsenfrüchte. So wurden in den Höhlen in Tamaulipas Reste von kultivierten Ackerbohnen gefunden, die etwa siebentausend Jahre alt sind. Über die Zeit wurden Leguminosen schnell in nahezu allen Esskulturen ein Grundnahrungsmittel – weil sie kostengünstig, gut zu lagern, vielseitig einsetzbar und ein hervorragender Eiweißlieferant sind.

Aber auch, weil sie gut für die Subsistenzwirtschaft geeignet sind, ihr Anbau Stickstoff im Boden speichert und so Dünger gespart werden kann. Die Kombination von Mais und Bohnen brachte viele mexikanische Klassiker hervor, die nicht nur kulinarisch interessant sind. Denn die beiden ergänzen sich in ihren essenziellen Eiweißbausteinen, den Aminosäuren, und steigern so die gesamte Eiweißqualität. Das bedeutet: Der Körper kann mehr Eiweiß aus dem aufgenommenen herstellen als bei isoliertem Konsum. Das trifft auch auf den gleichzeitigen Verzehr von Hülsenfrüchten mit Getreide und Reis zu. Chili con carne, Burritos und Enchiladas punkten mit dem »Zahnrad­effekt« ebenso wie traditionelle Gerichte anderer Kulturen: Linsen mit Semmelknödel, Dal mit Reis, Falafel mit Fladenbrot.

Upgrade willkommen

Bohnen und Linsen sind daher aktuell als alternative Eiweißquelle interessant. Ein geringerer Fleischkonsum gilt schließlich als eine der wirkungsvollsten Stellschrauben für eine nachhaltige Ernährung. Dass hier deutliches Tauschpotenzial vorliegt, zeigen die Zahlen klar: Während wir etwa zwei bis drei Mal so viel Fleisch essen wie empfohlen, verspeisen wir aktuell etwa ein Zehntel der vorgesehenen Menge an Hülsenfrüchten. Die Planetary Health Diet – eine Ernährungsweise, die sowohl die menschliche Gesundheit als auch die planetaren Grenzen und ökologischen Folgen der Ernährung von geschätzt zehn Milliarden Menschen im Jahr 2050 berücksichtigt, sieht pro Woche rund 500 g (trockene) Hülsenfrüchte vor. Dabei ginge mit mehr Leguminosen nicht nur erneute Vielfalt am Teller einher. Wir lassen derzeit etliche gesundheitliche Benefits liegen. Sie können nämlich weitaus mehr als die Ernährungssicherheit zu stabilisieren.

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Potenzial bieten sie auch in Hinblick auf die Prävention der weit verbreiteten Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Hülsenfrüchte beeinflussen die häufig kritischen Parameter, wie Blutzuckerspiegel, Darmgesundheit, Cholesterin- und Triglyceridspiegel sowie Blutdruck. Ein Grund liegt in ihrem hohen Kohlenhydratanteil. Dieser wirkt vor allem deswegen so förderlich, weil es sich in erster Linie um resistente Stärke handelt. Im Gegensatz zu »normaler« Stärke (und allen anderen Kohlenhydraten) wird sie nicht von den Verdauungsenzymen in ihre Bestandteile aufgespalten und als Glukose vom Körper aufgenommen. Wie der Name schon vermuten lässt: Resistente Stärke ist widerstandsfähig und passiert den Dünndarm unverdaut. Sie beeinflusst daher den Blutzuckerspiegel nicht. Erst im Dickdarm zersetzen sie die Darmbakterien zu kurzkettigen Fettsäuren, weswegen sie zu den Ballaststoffen gehört und unter anderem die Darmgesundheit fördert. Die kurzkettigen Fettsäuren schützen die Darmbarriere und hemmen chronische Entzündungen, die mit der Entwicklung von gastrointestinalen Problemen ebenso wie mit Übergewicht und Diabetes Typ 2 verbunden sind.

Dunkel ist Trumpf

Bei Diabetikern zeigte sich, dass resistente Stärke hilft, die Blutzuckerantwort um circa ein Drittel zu verbessern. Dunkle Bohnen tun dies sogar noch mehr – aufgrund ihres Gehalts an Farbstoffen (Anthocyanen). Menschen mit Diabetes profitieren also davon, wenn sie Reis mit dunklen Bohnen essen anstatt purem Reis, weil weniger Insulin nötig ist. Mit insgesamt 700 Gattungen und rund 20.000 Arten rangieren die Hülsenfrüchte auf Platz drei der Blütenpflanzen.

Ob klein, groß, rund, nierenförmig oder oval, rot, schwarz, weiß oder gesprenkelt – ihre Vielfalt ist gigantisch. Und jene der Farben spiegelt auch ihr Spektrum an sekundären Pflanzenstoffen. Hülsenfrüchte enthalten eine Reihe von Polyphenolen. Diese wirken antioxidativ, entzündungshemmend, übermäßigem Gewebewachstum und Bluthochdruck entgegen und schützen das Herz-Kreislauf-System. Dunkle Bohnen weisen also höhere Gehalte an Polyphenolen auf als hellere und erzielen daher bessere Effekte.

Ein halbes Kilo pro Woche

Es gibt also viele gute Gründe, die lange in Vergessenheit geratenen Hülsenfrüchte wieder vermehrt auf die Teller zu setzen. Sie liefern hochwertiges Eiweiß und bilden – kombiniert mit Getreide – eine gute Möglichkeit, weniger Fleisch zu essen. Das ist für die Entwicklung hin zu einem nachhaltigerem Ernährungssystem von Relevanz. Gleichzeitig weisen sie eine Reihe von gesundheitlichen Vorteilen auf. Rund fünf Portionen à 100 g gekochte Hülsenfrüchte pro Woche (etwa 30 g rohe) zeigten in Untersuchungen bereits nach zwei Monaten wesentliche Effekte: Es verbesserten sich der Gesamt- und LDL-Cholesterinspiegel, die Triglyceride, der systolische Blutdruck und Langzeitblutzuckerspiegel (HbA1c-Wert). Die fünf Portionen führten sogar zu einem deutlicheren Gewichtsverlust.

Erschienen in
Falstaff Nr. 09/2023

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Marlies Gruber
Autor