Best of Brioche: Zum Reinbeißen
Brioche verfeinert seit jeher die französische Haute Cuisine. Doch auch jenseits der Hochküche hat sich das wattig-weiche Hefegebäck seinen Weg gebahnt. Eine Huldigung.
Ein Mittagessen vor wenigen Wochen im Restaurant »Tantris DNA«, München. Küchenchefin Virginie Protat lässt eine Vorspeise an den Tisch bringen: eine Entenleberterrine-Schnitte geschichtet mit in Sauternes mariniertem Boskop-Apfel, dazu eine Nocke Entenleber-Paté und Frisée-Salat. Französische Klassik par excellence, ein traumhafter Teller. Zur Vollendung gebracht wird er aber auch deshalb, weil in einem separaten Korb ein weiteres Element liegt, das für die Gesamtkomposition entscheidend ist: eine warme, frisch geröstete Brioche, die hefig-buttrig duftet.
Der Gast streicht ein Stück Paté auf die Brioche, beißt hinein – und augenblicklich brennt ein sensorisches Feuerwerk ab: knuspriger, dennoch wattig-weicher Teig, der widerstandslos nachgibt, dezente Süße und satte Butteraromen vermählen sich mit dem vollmundigen Geschmack der Paté. Dafür leben Gourmets, solch perfekte Paarungen hat die französische Haute Cuisine zur Perfektion gebracht.
Brioche, das Brot der Könige, die Zutat sine qua non in der Spitzenküche – kaum ein französisch geprägtes Toprestaurant möchte auf ihren Wohlgeschmack verzichten. Ihr Geheimnis ist simpel: Neben Eiern und Mehl enthält sie vor allem reichlich Fett, die berühmte französische Kulinarik-Enzyklopädie »Larousse Gastronomique« empfiehlt auf ein Kilogramm Mehl satte 800 Gramm Butter nebst sieben bis acht Eiern. Mit ein Grund, warum das Gebäck nach seiner Erfindung um das Jahr 1400 einige Jahrhunderte lang der französischen Oberschicht vorbehalten war.
Verewigt in der Historie
Ein Zeugnis dafür liefert eines der berühmtesten Zitate der jüngeren Geschichte. Der französische Ausspruch »Dann sollen sie doch Kuchen essen«, fälschlicherweise häufig der französischen Herrscherin Marie Antoinette zugeschrieben, lautet im Original »Qu’ils mangent de la brioche«, denn es war Brioche, was sich die französische Oberschicht schmecken ließ. Der Ausspruch, den der Philosoph Jean-Jacques Rousseau 1782 in seinen »Bekenntnissen« notierte, ist zu einem Gleichnis geworden für die Kluft zwischen einer arroganten Oberschicht und der nach Brot hungernden Bevölkerung. Heute indes würde die Brioche als Symbol nicht mehr taugen, die vergangenen Jahre zeugen zweifelsfrei von ihrer Demokratisierung.
Während im Zuge der Öffnung der Spitzenküche in den letzten Jahren viele vermeintlich einfache Gerichte deutlich aufgewertet wurden und ihren Platz in Sternerestaurants gefunden haben – als Beispiel sei hier nur Pizza genannt –, hat Brioche in den vergangenen Jahren den umgekehrten Weg eingeschlagen. Als Toast, Burgerbrötchen oder im »Armen Ritter« – in der Szenegastronomie taucht das gehaltvolle Hefegebäck vielerorts auf.
Gucci meets Brioche
Zu einer Allianz des italienischen Luxuslabels Gucci mit der noblen französischen Tradition kam es im Jahr 2018, als in Florenz unter dem Namen »Gucci Osteria« das erste von mittlerweile drei Restaurants eröffnete. Das kulinarische Konzept dafür stammt von niemand Geringerem als Massimo Bottura, der bekanntlich in der Emilia-Romagna sein Drei-Sterne-Restaurant »Osteria Francescana« führt. Bottura hatte für sein Zweitlokal und Bistro »Franceschetta 58« schon den Emilia-Burger entworfen und übertrug ihn auch auf das Gucci-Konzept. Das Patty besteht aus gehacktem Entrecôte und Parmesan, hinzu kommen Kapern, Anchovis und Balsamico-Mayonnaise. All das steckt in einem Brioche-Brötchen – und die Resonanz ist offenbar fabelhaft. »Alle lieben ihn«, sagte Bottura einmal dem »Wall Street Journal«, »es ist unser Nummer-eins-Gericht«.
Sensorisch ist die Verbindung ideal: Ein feinporiges Brioche-Bun nimmt Fleischsaft und Saucen ideal auf, setzt möglichen frittierten Zutaten wattige Weichheit entgegen und rundet stark würzige Aromen mit dezenter Süße ab. Kein Wunder, dass unter den angesagten und etwas gehobeneren Burgerläden fast alle Brioche-Buns im Angebot haben. Auch andere Szenelokale haben das Potenzial erkannt. In der Wiener »Motto«-Bäckerei kann man nicht nur einen Briochestriezel mit Hagelzucker kaufen – im dazugehörigen Restaurant »Chez Bernard« gibt es auch eine herzhafte Variante: als Toast, dann kombiniert mit Beinschinken, Rührei und einer Pommery-Senfcreme. Weil der Zuckeranteil im Standardrezept gering ist, lässt Brioche sich so vielseitig wie universell nutzen.
In der Spitzengastronomie kommt sie in den verschiedensten Kombinationen zum Einsatz, die eingangs beschriebene mit Stopfleber gehört zu den Klassikern. Eine weitere unsterbliche Kreation stammt vom französischen Sternekoch Guy Savoy. Sein »Signature Dish«, eine Vorspeise, hat als Hauptkomponente Artischockensuppe, gespickt mit schwarzen Trüffeln. Dazu reicht die Küche Brioche, aber nicht in der klassischen Variante, sondern aus Blätterteig, mit Champignons gefüllt und mit Trüffelbutter bestrichen. Ein Hochgenuss! Auch in Asien genießt Brioche Beliebtheit in den Restaurants der Sterneklasse: Der finnischstämmige Koch Eric Räty baut in seinem Hongkong-Restaurant »Arbor« Miso und Nori in sein Brioche ein und serviert es mit Kombu-Algen-Butter. Ebenfalls in Hongkong verkauft das Zweisternerestaurant »Tate« eine Box mit Brioche-Würfeln und fermentierter Tofubutter als Spezialität des Hauses.
Eine weitere köstliche Spielart haben sich die Sizilianer einfallen lassen: Eine nicht ganz so mächtige Version des Gebäcks wird zur Granita, einer Art Sorbet, gereicht; eine willkommene Abkühlung für heiße Tage. Und im Mutterland Frankreich ist Brioche naturgemäß überall verbreitet. Besonders ragt allerdings das Departement Vendée südlich von Nantes heraus: Die »Brioche vendéenne« bekommt man in Label-Rouge-Qualität, zudem trägt sie das EU-Siegel »geschützte geografische Angabe«. Gerade jetzt in der Osterzeit kommt sie häufig auf den Tisch – eine ideale Gelegenheit für alle, die bislang noch nie in diesen wunderbaren Genuss gekommen sind.