Das Cask Ale ist so etwas wie die Mutter aller englischen Biere.

Das Cask Ale ist so etwas wie die Mutter aller englischen Biere.
© Frankie Julien

Das echte Ale

Ein goldbraunes Ale, per Handpumpe vom Fass ins Pint befördert, gehört zu einem englischen Pub wie die Gespräche über Fußball und deftige Snacks.

Kein Bier auf der Welt ist derart anfällig für Qualitätsschwankungen wie das sogenannte Cask Ale oder Real Ale. Seit Jahrhunderten wird es von britischen Brauereien hergestellt und in den Bierkellern der Pubs gehegt und gepflegt. Und auch der Ausschank mit der Handpumpe direkt aus dem Fass braucht Übung. Logisch, dass bei so vielen Schritten der Herstellung auch mal etwas schiefgehen kann, doch wer je gutes Cask Ale getrunken hat, weiß, dass sich dieser Aufwand lohnt. Besseres Bier gibt es für einen Ale-Liebhaber nicht.

Während modernes Schankbier häufig filtriert, mithilfe von Kohlendioxid oder Stickstoff aus dem Fass befördert und bei rund fünf Grad getrunken wird, wird Cask Ale unfiltriert belassen und bei elf bis dreizehn Grad ausgeschenkt. Es wird nach der Füllung ins Fass mit einem Schönungsmittel zur Klärung versetzt und dann quasi unprickelnd an den Ort des geplanten Ausschanks geliefert. Im Bierkeller des Pubs, Hotels oder Restaurants wird das Fass dann zum Ausschank bereit gemacht, dabei setzt eine zweite Gärung ein, die für die charakteristische, milde und cremige Kohlensäure im Ale sorgt. Ausgeschenkt wird das »cask-conditioned ale« erst, wenn es die perfekte Menge an Kohlensäure hat, sich die Hefe abgesetzt hat und das Bier klar aus dem Fass läuft. Wann dieser Moment für das jeweilige Fass gekommen ist, bestimmt der verantwortliche Bierkeller-Mitarbeiter oder Cellar Master.

Auch das Zapfen eines Cask Ales passiert natürlich manuell mittels Handpumpe. Der Cellar Master ist dann besorgt, dass stets die richtige Menge Sauerstoff ins Fass gelangt, während Bier entzogen wird. Alles, was die natürlich hergestellte Balance im Fass stören könnte, wird als potenzielle Gefahr für den Biergenuss angesehen. Cask Ale ist augenscheinlich ein sehr arbeitsintensives, ja gar diffiziles Bier, das nicht nur einen talentierten Brauer, sondern auch einen umsichtigen Wirt respektive Cellar Master benötigt, um seinen vollen Geschmack zu entfalten.

Ein Cask Ale erkennt man im Pub an den klassischen Handpumpen, die das Bier direkt vom Fass ins Pint befördern, ganz ohne Zutun von Stickstoff oder Kohlendioxid.
© Getty Images
Ein Cask Ale erkennt man im Pub an den klassischen Handpumpen, die das Bier direkt vom Fass ins Pint befördern, ganz ohne Zutun von Stickstoff oder Kohlendioxid.

Cask gegen Keg

Bei einem Cask Ale handelt es sich meist um ein sogenanntes Bitter, doch auch andere englische Bierstile werden zur Cask-Ausschank angeboten. Cask Ale ist also kein eigentlicher Bierstil, sondern eine Servierform, ein und dasselbe Ale kann als Cask Ale, Keg Ale oder in Flaschen gefüllt angeboten werden. Cask bezeichnet dabei das ursprünglich hölzerne, bauchige englische Bierfass, Keg das moderne Behältnis für Schankbier, das auch bei uns verbreitet ist und für den Ausschank Gasdruck benötigt. Auch in Zeiten der Craft-Brauereien dürfte es schwer sein, ein Bier zu finden, das mit mehr handwerklichem Geschick hergestellt werden muss als ein traditionelles englisches Cask Ale. Wie viele andere alte Methoden hat es auch der traditionelle, englische Bierausschank alles andere als einfach. Hinzu kommt, dass das warme, wenig prickelnde Bier für viele England-Reisende und auch Einheimische so schon eine Herausforderung ist, erwischt man aber gar ein Pub, wo das Cask Ale vor oder während der Ausschank nicht richtig behandelt wurde, kann dies auch für nachhaltigen Ale-Verzicht sorgen. Sauer, trüb oder lauwarm soll ein Cask Ale nie sein. Als echter Cask-Liebhaber sollte man ein solches Pint immer zurückgehen lassen.

Sign of a great pint

Anfang der 1970er-Jahre hatte das neuartige Keg-Bier das Cask-Ale quasi aus den Pubs verdrängt. 1971 wurde aus diesem Grund die Campaign for Real Ale, kurz CAMRA, ins Leben gerufen. Der Interessenverband betreibt mit seinen inzwischen über 150.000 Mitgliedern aktive Promotion für traditionell gebraute und gezapfte Biere, Ciders und Perries (Obstschaumweine) sowie für althergebrachte Pubkultur. Cask Marque, eine weitere britische Organisation zur Wahrung der traditionellen Bierqualität, verleiht Pubs ihr »sign of a great pint«, eine Plakette, die ein Pub nur anbringen darf, wenn seine Cask Ales die strenge Prüfung der unabhängigen Inspektoren bestehen. Ein Versuch, das Vertrauen der Briten in ihre Cask Ales zu fördern. Cask Marque führt regelmäßig Befragungen zum Ruf der Cask Ales in Großbritannien durch. So groß die Anstrengungen auch sind, die Fangemeinde der traditionellen englischen Biere wächst, wenn, dann nur langsam. Eine Befragung im Jahr 2019 zeigte, dass zwar viele Briten von einem echten Pub erwarten, dass Cask Ale ausgeschenkt wird, es selber aber nur selten trinken. Zudem – noch einschneidender – mögen auch die meisten Briten ihr Bier inzwischen lieber kühl und prickelnd als warm und flach.

Ursprünglich wurden klassische englische Ales in Holzfässern, sogenannten casks, von der Brauerei ins Pub transportiert. Heute bestehen sie meist aus Edelstahl.
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Ursprünglich wurden klassische englische Ales in Holzfässern, sogenannten casks, von der Brauerei ins Pub transportiert. Heute bestehen sie meist aus Edelstahl.

Cask-Bier-Vielfalt

Ist das britische Ur-Ale also ein Auslaufmodell? Wenn man die Entwicklungen auf dem britischen Biermarkt ansieht, eher nicht. Mit mehr als 2300 Brauereien war die Biervielfalt auf den britischen Inseln nie größer als heute. Mehr als 50.000 Pubs, Bars, Hotels und Restaurants servieren Cask Ale, und man schätzt, dass jährlich mehr als 10.000 verschiedene Cask Ales in Großbritannien verfügbar sind. Besonders erfreulich: Neben dem klassischen Bitter sind auch immer mehr dunklere oder aromatischere, kurz modernere Biere im Cask erhältlich. Zu den berühmtesten neuen Anbietern gehört die schottische Brauerei Brewdog, die ihr fast schon legendäres Punk IPA seit Mitte 2019 auch als Cask-Variante anbietet. Die Macher haben dafür drei Jahre experimentiert und den Cask-Ale-Prozess modernisiert.

Um stets ein perfektes Cask Ale anbieten zu können, wird die zweite Gärung nicht im Keller des Pubs, sondern in der Brauerei vollzogen, und es werden keine klassischen Casks eingesetzt, sondern moderne Key-Kegs, ein System, das dem vom Wein bekannten Bag-in-Box ähnelt. So groß die Expansionspläne von Brauereien wie Brewdog auch sind, hierzulande sind echte, englische Cask Ales praktisch nicht zu kriegen. Grund dafür ist nicht nur das benötigte Know-how für die Ausschank solcher Biere, sondern auch die Tatsache, dass ein gärendes Bierfass nur schlecht reist. Auch in Großbritannien selbst werden die meisten Cask Ales in der jeweiligen Umgebung der Ursprungsbrauerei getrunken. Lokaler und handwerklicher geht es kaum. Und damit sind Cask Ales doch eigentlich total am Puls der Zeit.

Erschienen in
Falstaff Nr. 01/2020

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Benjamin Herzog
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