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Eva Fricke: »Am Anfang gab es viel Spott«

Ohne jede familiäre Wein-Tradition im Hintergrund konnte sie sich in einer Weinbauregion von Weltruf etablieren: dem Rheingau. Jetzt ist sie die erste Winzerin in Deutschland, die dreimal 100 Punkte von Robert Parker und James Suckling erhalten hat.

Eva Fricke ist die erste Winzerin in Deutschland, die dreimal 100 Punkte von Robert Parker und James Suckling erhalten hat. Das ist vor dem Hintergrund, dass sie in keiner Weise familiär mit dem Weinbau verbunden ist und auch aus keiner Weingegend stammt, noch bemerkenswerter. Aus eigenem Antrieb ist sie nun seit 20 Jahren im Rheingau zuhause. In Eltville findet sich ihr 17 Hektar großes Weingut samt Vinothek. Seit 2006 verzichtet Eva Fricke auf Herbizide und Pestizide und der Anbau aller Weine erfolgt seit 2011 nach ökologischen Richtlinien. Das Weingut ist sowohl EU-Bio-zertifiziert als auch bei der »The Vegan Society« registriert und verfolgt seit 20217 konsequent biodynamische Anwendungen. Besonderen Fokus legt Eva Fricke auf das historische Erbe der Region: Die Böden und Mikroklimata, die teils sehr alten Rebstöcke und der Charakter eines jeden Weinjahres – all das bringt sie in ihren Weinen zum Ausdruck, indem sie rein handwerklich und sensibel mit dem arbeitet, was die Natur ihr vorgibt.

Wie sind Sie zur Winzerin geworden und was hat Sie dazu inspiriert, Ihre eigene Weinkellerei zu gründen?

Hinter all dem steckt etwas ganz  Einfaches: Die Liebe zur Natur, der Wunsch nach einer Farm. Dieses Farmleben, das ich bei einem Praktikum in Südafrika kennenlernte, faszinierte mich total. Es war mein erstes großes Aha-Erlebnis in Sachen Wein.

Wie haben Sie als Winzerin Ihren Platz in einer traditionell von Männern dominierten Branche gefunden und welche Herausforderungen mussten Sie überwinden?

Ich habe meinen Beruf und die damit verbundenen Herausforderungen immer geschlechterunspezifisch wahrgenommen. Die Herausforderungen sehe ich eher generationsübergreifend.

Als Neugründung im Rheingau habe ich beides erlebt: am Anfang viel Spott und mittlerweile sehr viel Anerkennung. Dabei war es egal, ob Mann oder Frau, ich habe von beiden beides erlebt. Dass Frauen vieles anders machen und sich dabei noch sozialer verhalten, das kann ich definitiv nicht unterschreiben, im Gegenteil.

Gibt es also keine spezifischen Hürden oder Vorurteile, mit denen Sie als Frau in der Weinbranche konfrontiert wurden, und wie sind Sie damit umgegangen?

Ich glaube nicht, dass es spezielle Hürden gibt, eventuell Kraft - hier spielt ein passendes Team eine wichtige Rolle. Grundsätzlich ist es ein sehr spezieller und besonderer Weg mit und in der Natur. Für den muss man sich grundsätzlich entscheiden, denn er hat Auswirkung auf alle Lebensbereiche.

Welche Ratschläge würden Sie anderen Frauen geben, die in der Weinbranche Fuß fassen möchten oder bereits darin tätig sind?

Sich nicht zu viel »das macht man / das macht man nicht« vorschreiben zu lassen, und gleichzeitig sich nicht zu sehr in geschlechterspezifischen Fragen verlieren, sondern auch Fakten liefern.

Wie hat sich Ihrer Meinung nach die Rolle von Frauen in der Weinbranche in den letzten Jahren entwickelt und gibt es noch Raum für weitere Veränderungen und Verbesserungen?

Frauen leiten immer mehr Betriebe und es gibt immer mehr Unternehmensgründungen, ebenso sehr erfolgreiche Sommelièren, das ist großartig.

Welche Schritte könnten unternommen werden, um Frauen in der Weinbranche besser zu fördern und ihnen mehr Chancengleichheit zu bieten?

Nicht nur Frauen, auch Männer müssen gefördert werden, die Landwirtschaft muss familientauglicher gemacht werden für Angestellte, und ganz wichtig immer auch für kleine Einzelunternehmen und die Arbeitgeber.

Die aktuelle Gesetzregelung zur Elternzeit etc. ist grundsätzlich wichtig und richtig für Konzerne. Für kleine Mittelstandsunternehmen, in denen Positionen nur einmal vergeben werden können, ist dies eine absolute Hürde bis hin zur gravierenden Geschäftsbeeinträchtigung. In ungünstiger Konstellation kann das zu Ernteverlust oder Geschäftsausfällen führen. Keiner kann verlangen, dass ein Arbeitgeber das allein trägt.

Eine Antwort könnte die staatlich regionale Förderung von Kitas, Kinderbetreuung, Hausaufgabenbetreuung und medizinischer Kinderversorgung in landwirtschaftlichen Räumen sein.

Eine weitere Antwort, um den Arbeitgeber zu unterstützen, könnte sein, den Personalausfall aufzufangen, durch räumlich organisierte Arbeitskraftvermittlungen, die auch kurzfristig zur Verfügung stehen und sich nicht nur aus Saisonkräften zusammensetzen, sondern auch aus Fachkräften, die staatlich finanziert werden.

Wenn so ein Netzwerk steht, könnten wesentlich mehr reguläre Arbeiten zentral organisiert werden, auf die auch kleine Einzelunternehmen regulär zurückgreifen könnten. Darüber könnten z.B. auch fachliche Beratungen geboten werden.

Wie wichtig ist es, ein Netzwerk von Frauen in der Weinbranche aufzubauen und wie können solche Netzwerke unterstützen?

Ich habe viele Freundinnen in der Weinbranche und Frauen, die ich sehr respektiere und bewundere, und mit denen ich einen regelmäßigen und vertrauten Austausch pflege, und durch die ich Unterstützung erfahre. Dennoch habe ich kein frauenspezifisches Netzwerk, das mir weiterhilft. Im Gegenteil: Gerade zu Beginn meiner Karriere habe ich hier große Stutenbissigkeit erlebt.

Welche besonderen Merkmale zeichnen Ihre Weine aus und welche Philosophie steckt dahinter? Gibt es einen typischen Charakter, der sich in all Ihren Weinen wiederfindet?

Ganz vereinfacht gesagt: Mineralisch, puristisch, elegant, biologisch und vegan.

Welche Herausforderungen begegnen Ihnen bei der Weinproduktion und wie gehen Sie damit um?

Klimawandel, Trockenheit und Starkregen. Mit angepasster und biologischer Landwirtschaft kann man diesen Themen sehr gut begegnen. In den Mittelpunkt rücken biologische Wirtschaftsweisen, die Förderung von Artenvielfalt und Diversität.

Welche innovativen Ansätze oder Technologien könnten dazu beitragen, den Weinbau an die sich ändernden klimatischen Bedingungen anzupassen?

Da sehe ich vor allem die Ausbringung von Pflanzenschutz mittels Drohnen.

Julia Emma Weninger
Julia Emma Weninger
Chefredakteurin Online
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