© Juni Fotografen

Rico Birndts neues Restaurant »June« am Chiemsee: »Ich arbeite mit Feuer und Fermentation«

Nachdem er im »Mural Farmhouse« in München innerhalb von nur sieben Monaten einen Michelin-Stern erkochte, wagte sich Rico Birndt am Chiemsee in die Selbstständigkeit. Im Interview spricht er über seinen kulinarischen Stil, über den Druck, der mit einem Stern einhergeht – und darüber, wie sein Team ihn auch für das »June« vom Fine Dining überzeugen möchte.

Ein neues Restaurant zu eröffnen sei wie eine Geburt, sagt Rico Birndt. Und der muss es wissen: Immerhin ist der Koch werdender Vater. Für Außenstehende kam sein Schritt in die Selbstständigkeit überraschend. Nachdem er im »Mural Farmhouse« in München nach nur sieben Monaten einen Stern erkochte, öffnete er Ende März das »June« am Chiemsee. Ausgerechnet in der Region also, in der es eine besonders hohe Sterne-Dichte gibt.

 

Falstaff: Wie lief das Opening Ihres neuen Restaurants?

Rico Birndt: Am 20. März hatten wir Pre-Opening. Man muss dazu sagen: In München ist das den Leuten wohl eher ein Begriff als hier in Übersee. Am Anfang wurden wir gleich mal zerlegt. In München wären die Gäste vielleicht etwas nachsichtiger, hier eher weniger.

Was heißt das?

Sehr kritisch von Tag eins. Das kann ich aber auch nachvollziehen: Die haben gelesen, dass ein Sternekoch hier ein neues Restaurant eröffnet und kommen dann mit entsprechenden Erwartungen. Aber für konstruktives Feedback bin ich eh zu haben. Wenn man frisch ein Restaurant eröffnet, ist man darauf auch angewiesen.

Wie kam die Entscheidung, dich selbstständig zu machen?

Ich habe die Möglichkeit bekommen, den Laden hier zu pachten. Und meine Freundin und ich haben unseren Lebensmittelpunkt hier, davor bin ich immer gependelt. Jetzt, wo ich zweifach Papa werde, kam das Angebot, die Location zu übernehmen, sehr gelegen. Ich bin auch recht schnell mit dem Verpächter einig geworden. Normalerweise muss man da Millionen-Beträge hinlegen, um ein Restaurant am Chiemsee zu bekommen. Und das habe ich nicht.

Trotzdem ein großer Schritt.

Drei meiner Leute aus dem »Farmhouse« sind mit mir hier runter an den Chiemsee gekommen, worüber ich sehr dankbar bin. Dass die bereit waren, ihren Lebensmittelpunkt zu verschieben, freut mich vor allem, weil es mir zeigt, dass ich als Chef nicht allzu viel falsch gemacht habe – das bedeutet mir jetzt als Jungunternehmer sehr viel.

 

Was war die größte Herausforderung?

Der Stern im Rücken. Ich spüre einen großen Druck, der Erwartungshaltung der Gäste gerecht zu werden. Dabei ist mein Anspruch gerade noch nicht, ein sternetaugliches Fine-Dining-Menü zu servieren. Mein Dreigang-Menü kostet gerade 40 Euro, mein Fünfgang 60. Ich habe eine Forelle Butterfly auf der Karte, Gnocci mit fermentierter Spargelsauce oder Lammbeuschel mit Semmelknödel. Da weiß man, was einen erwartet. Bei einem Fine-Dining-Menü habe ich als Koch mehr Freiheiten, weil ich den Gast überraschen kann. Zum Beispiel mit einer geräucherten Tomate mit fermentierter Himbeere.

Das heißt, Sie zielen mit dem »June« nicht wieder auf einen Stern?

Aktuell nicht. Ab Mitte April ist mein Team aber vollständig und alle sagen: Wir müssen den Rico überreden, dass wir wieder Fine-Dining machen. Da müssen wir mal schauen, wie das möglich ist. Aber als ich mir die Sterneverleihung angeschaut habe, habe ich wieder Blut geleckt.

 

Ich nehme bekannte Geschmäcker und gebe ihnen durch etwas Kreativität einen einzigartigen Touch.

 

Im Chiemgau ist die Sternedichte sehr hoch. Wie schätzen Sie Ihre Chancen, sich gegen diese Konkurrenz durchzusetzen?

Ich muss meinen Platz finden. Aber meine Küchenstilistik ist anders als die der anderen. Ich arbeite viel mit Feuer und Fermentation, dabei entstehen Geschmacksbilder, die etwas sehr Eigenes haben. Exemplarisch ist vielleicht gerade das Johannisbeer-Holz Eis, das ich auf der Karte habe. Ich nehme bekannte Geschmäcker und gebe ihnen durch etwas Kreativität einen einzigartigen Touch. Aber gerade geht es mir darum, eine ungezwungene Atmosphäre zu schaffen. Die Gäste müssen nicht das Viergang-Menü bestellen. Wenn sie mögen, essen sie nur einen Gang und trinken eine Flasche Wein dazu.

Wie wichtig ist Regionalität?

Bis auf einen Käse aus Österreich kommt bei mir alles aus Bayern. Was das angeht, bin ich noch eine Spur radikaler, als ich es im »Farmhouse« war. Das heißt: Wir schauen dann auch bei den Kumquats darauf, dass sie nicht aus Italien, sondern von hier aus dem Bundesland kommt.

 


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