© Shutterstock

Extrem-Sommer bringt historisch frühe Lese

In Deutschland wird bereits Federweißer gelesen und die Winzer kämpfen stellenweise mit extremer Hitze. Auch Österreich erntet zwei Wochen früher als normal, die Italiener dagegen sind entspannt.

Die Hochzeit des deutschen Weinjahres wird traditionell mit der Lese der Trauben für den beliebten Federweißen eingeläutet. Angefangen hat Lörzweiler im Weinbaugebiet Rheinhessen am 6. August – damit ist der offizielle Start der Weinlese 2018 so früh wie noch nie. Überhaupt ist in diesem Jahr alles ein bisschen früher und alles ein bisschen anders, jedoch noch nicht so extrem wie zuletzt 2003. Dennoch: Der wärmste April seit Messbeginn 1881 machte mit durchschnittlichen 12,4°C von sich reden und lag damit 5°C über dem bisherigen Durchschnitt. Und auch der sonnige Sommer mit Regenpausen von bis zu sechs Wochen hat die weitere Reife beschleunigt.

Die Auswirkungen machen sich bis in das nördlichste Weinbaugebiet Deutschlands, Saale-Unstrut, bemerkbar. Von hier bis nach Baden wird die Unberechenbarkeit des Wetters mit den entsprechenden Folgen für die Trauben deutlich. Die Winzer sind deutschlandweit in Habt-Acht-Stellung und versuchen sich so gut es geht auf alle Eventualitäten vorzubereiten. Falstaff hat sich umgehört:

»Wir werden es nicht schaffen, alle Sektgrundweine zu lesen.«

Thomas Pfaffmann, Weingut Wageck, Bissersheim (Pfalz): »Wir haben schon wieder 35 Grad, das ist eigentlich eine Katastrophe dieses Jahr, die Reben leiden Stress. Wir kommen nicht mehr nach und haben viel Arbeit im Keller, weil wir die Lese vorbereiten müssen. Gleichzeitig müsste man sich um den Weinberg kümmern. Wir werden es dieses Jahr nicht schaffen, alle Sektgrundweine zu lesen, wir kommen aller Voraussicht nach einfach nicht dazu. Zum Glück haben wir noch Reserveweine im Keller! Die Lese wird für die Top-Lagen-Spätburgunder in der letzten Augustwoche beginnen. Es ist alles extrem früh, manche Nachbarn haben sogar letzte Woche schon Trauben für Federweißen gelesen, also Ende Juli.«

»Es ist ein verrücktes Jahr.«

Daniel Sauer, Weingut Rainer Sauer, Escherndorf (Franken): »Die Hitze macht uns zu schaffen, wir rechnen fest mit dem 25. August plusminus zwei, drei Tage als Lesetermin für den Müller-Thurgau, aber auch der Silvaner wird wohl Ende August schon gelesen. Der Reifeunterschied zwischen den Sorten ist dieses Jahr kaum spürbar, es ist ein verrücktes Jahr. Wir haben Wasser gefahren, hatten aber zwischendurch 45 Liter Regen. Es war aber zum Glück nur ein kurzer Starkregen, der kaum Schäden verursacht hat – ein paar ganz kleine Abschwemmungen, aber wir sind vor allem dankbar um das Wasser. Insgesamt sind wir zuversichtlich, die Anlagen schauen vital aus, sind im Ertrag gut gestellt, sind gesund, die Lesemannschaft ist auf 20. August bestellt, so dass wir jederzeit anfangen können.«

»Es ist im Moment wirklich ein ›keine Ahnung-Gefühl‹.«

Theresa Breuer, Weingut Georg Breuer, Rüdesheim (Rheingau): »Wir sind am Hadern, ich glaube, dass wir Spätburgunder noch im August lesen werden, Riesling kann ich ganz schwer einschätzen. Letztes Jahr haben wir den Riesling ab 12. September gelesen,dieses Jahr schätze ich, werden wir nochmal eine Woche früher dran sein. Andererseits haben wir momentan grade eine Hitzestarre im Weinberg, trotzdem ist wieder Leben in den Reben – beim Spätburgunder sind an manchen Stöcken die Trauben schon komplett durchgefärbt und an anderen hat der Farbumschlag noch gar nicht begonnen. Es ist im Moment wirklich ein ›keine Ahnung-Gefühl‹.«

»Vermutlich wird bei der Lese das Zeitfenster sehr eng sein.«

Horst Konstanzer, Weingut Konstanzer, Ihringen am Kaiserstuhl (Baden): »Ich rechne mit einem Lesebeginn um den 20. August, in den flachgründigen Parzellen im Ihringer Winklerberg herrscht gerade Stillstand bei der Vegetation, in anderen Parzellen haben wir Tropfberegnung durchgeführt. Vermutlich wird bei der Lese das Zeitfenster sehr eng sein, und man muss mit voller Power in die Spätburgunder rein, damit die nicht marmeladig werden. Obwohl die Trockenheit momentan die Reife verzögert, nehmen die Mostgewichte wegen der Verdunstung schon zu.«

»Es ist zwar immer noch trocken, aber die Reben kommen nicht in den Notmodus.«

Tobias Treis, Weingut Julius Treis und Weingut Sorentberg, Reil (Mosel): »Bei uns sieht es gut aus, wir hatten an einem Wochenende Mitte Juli 35 Liter Regen, ich hab damals gesagt: ›Dann haben wir jetzt bis zum Herbst Ruhe‹. Es ist zwar immer noch trocken, aber die Reben kommen nicht in den Notmodus. Die alten Reben sehen bei uns entspannt aus, und im Sorentberg in einem kühlen Seitental von Reil, da haben sogar unsere neu gepflanzten jungen Reben keinen Stress. Das liegt vielleicht daran, dass der Berg nicht durch eine Flurbereinigung verändert wurde und noch die originale Wasserführung hat. Auch in den trockenen Phasen im letzten und vorletzten Jahr hatten die jungen Reben dort immer genug Wasser. Mit dem Beginn der Lese rechne ich nicht vor Ende September, die Reife wird vermutlich ähnlich sein wie 2003, aber auch damals hatten die Weine ja durchaus Säure. Und auch damals hatten wir in Reil im Sommer einmal 30 Liter Regen. Ich weiss auch nicht, warum es der Herrgott immer so gut mit uns meint.«

»Man merkt halt doch, wie klein man ist als Mensch.«

Rudolf May, Weingut Rudolf May, Retzstadt (Franken): »Wir kämpfen mit der Trockenheit, hatten seit sechs Wochen keinen Regen. Die Vegetation bremst. Beim Silvaner sind erst einzelne Beeren weich, aber die meisten noch hart. Wir rechnen mit Lesebeginn Anfang September bei den frühen Sorten. Das Bewässern ist immens aufwändig, Schläuche reinlegen in den Weinberg und wieder rausholen, und das Wasser müssen wir in Tanks hochfahren an den Berg, das ist momentan unsere Hauptarbeit. Nun hoffen wir, dass wir mal einen Gewitterregen abkriegen, aber mehr als hoffen kann man ja nicht, da merkt man halt doch, wie klein man ist als Mensch.«

»Den jungen Reben muss man Wasser bringen, sie sind ein wenig gestresst.«

Edeltraud Ziereisen, Weingut Hanspeter Ziereisen, Efringen-Kirchen (Baden): »Bei uns siehts noch recht gut aus, es ist noch kein 2003er. Den jungen Reben muss man Wasser bringen, sie sind ein wenig gestresst, aber ansonsten stehen sie gut, die alte Reben sind immer noch grün. Wir hatten kürzlich drei Liter Regen, der warme Wind ist halt blöd, weil er trotz allem die Austrocknung der Reben begünstigt. Manche Kollegen fangen schon bald mit der Lese für den Sektgrundwein an, aber mein Mann sagt, so zeitig ist es auch noch nicht, es hat noch viele grüne Beeren drin. Wir werden Ende August für unseren alkoholfreien Traubensaft loslegen – mit der eigentlichen Ernte warten wir auf die erste Septemberwoche, das ist immer noch früh genug. 2003 haben wir in der letzten Augustwoche angefangen.

Spannung bis zum Schluss

Auch wenn die Lese begonnen hat und momentan die Aussichten ganz gut sind: Die schlussendliche Ertragsmenge und -qualität ist bis zum tatsächlichen Ende der Lese noch von den bevorstehenden Wetteraussichten abhängig. Sowohl ein anhaltender Wassermangel als auch etwaige Regenperioden können die Weinjahr-Bilanz bis zuletzt beeinflussen.

In Österreich weiß man inzwischen mit den heißen Jahren umzugehen.
© Shutterstock
In Österreich weiß man inzwischen mit den heißen Jahren umzugehen.

Österreich

Auch im Nachbarland wird früher gelesen als gewohnt, was nicht ganz im Sinne der Winzer ist – für tiefgründige und vielschichtige Aromatik braucht es eine möglichst lange Vegetationsperiode. Aber die Weinbauern haben mit heißen Jahren gut umzugehen gelernt und bewahren durch rechtzeitige Lese eine gute Säurestruktur. Für die Spitzenweine lässt man sich aber noch so lange wie möglich Zeit. Insgesamt ist die Stimmung in Österreich aber sehr optimistisch.

In Italien verlief das Jahr bisher recht unauffällig.
© Collio
In Italien verlief das Jahr bisher recht unauffällig.

Italien

In den italienischen Weinbauregionen ist der Sommer mittlerweile auch angekommen, aber durch reichlich Niederschläge im Frühjahr bzw. Frühsommer zeigt man sich rundum zufrieden. Barbara Sandrone aus dem Piemont berichtet tiefenentspannt: »Es ist ein sehr ausgewogener Sommer, es ist warm aber im Sommer muss es ja warm sein.« In Südtirol und im Friaul rechnet man mit einer etwas früheren Ernte, aber es sei alles durchaus im Rahmen.
In der Toskana ist Giovanni Neri aus Montalcino sehr zuverstichtlich gestimmt: »Wir hatten im Mai/Juni sehr viel Regen und haben zur Zeit gute Hitze, die Böden sind mit Wasser gefüllt und werden durch die Wärme aufgeheizt, das passt sehr gut.« Neri rechnet damit, dass in rund eineinhalb Monaten mit der Ernte begonnen wird. Auch Alessio Planeta aus Sizilien berichtet von reichlich Niederschlägen im Juni und einer normalen Reifeentwicklung der Trauben.

Auch in der Champagne wird rund zwei Wochen früher geerntet.
© Shutterstock
Auch in der Champagne wird rund zwei Wochen früher geerntet.

Frankreich

In Frankreich rechnet man allgemein mit einer früheren Ernte und hofft nach dem Katastrophen-Jahr 2017 vor allem auf guten Ertrag. In Prognosen sieht man sich deutlich über dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Im Vergleich zum Vorjahr erhofft man sich ein Plus von rund einem Drittel. Getrübt wird die Zuversicht durch massive Hagelschäden im Bordelais, die auch noch Mehltau-Probleme mit sich brachten. In der Champagne ist der Fortschritt der Traubenreife rund 15 Tage vor einem normalen Jahr. 

Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
Patricia Astor
Redakteurin
Mehr zum Thema