Mauro Colagreco im Garten des «Mirazur» in Menton.

Mauro Colagreco im Garten des «Mirazur» in Menton.
© Matteo Carassale

Falstaff-Talk mit Mauro Colagreco: «Ich träume von einfachen Sachen»

Der argentinische Dreisternekoch führt in Menton das hochdotierte Restaurant «Mirazur», das schon zum besten der Welt gekürt wurde. Seit der Wintersaison 2020/21 betreibt er im «Kulm Hotel» das Pop-up «The K by Mauro Colagreco». Falstaff hat Mauro Colagreco in St. Moritz getroffen und erfahren, dass sein Gastspiel noch andauern soll.

Falstaff: Mauro Colagreco, was ziehen Sie für ein Resümee nach drei Wintersaisons in den Bündner Bergen?

Colagreco: Es war eine aussergewöhnliche Zeit für mich. Schon immer wollte ich im Winter in den Bergen kochen, denn in der Nebensaison haben wir das «Mirazur» für einige Wochen geschlossen. Von klein auf ziehen mich die Berge magisch an, ich bin in Patagonien als Kind auch Skigefahren, allerdings eher schlecht als recht. Als sich dann diese Zusammenarbeit mit dem «Kulm Hotel» ergab, war das für mich und meine Familie ein Glücksfall. Wir können einige Wochen des Jahres im Engadin verbringen, Skifahren, Käsefondue essen, die Nähe zur Natur geniessen. Ich mag diese reine Luft, die Weite und die Ruhe, welche die Berge mir vermitteln. Je älter ich werde, desto mehr zieht es mich in die Natur. In einer Grossstadt wie Paris oder Buenos Aires könnte ich nicht mehr leben.

Inwiefern hat sich Ihre Küche hier oben weiterentwickelt…

Ich schätze kurze Transportwege und habe von Anfang an meine Fühler nach Schweizer Produkten ausgestreckt. Allerdings waren wir in der ersten Saison noch etwas zurückhaltend mit der Kreation neuer Gerichte. Nun haben wir einen Gang mit einer Seeforelle auf der Karte, die Süsswasserfische aus den Schweizer Seen sind köstlich. Ich schätze die Milchprodukte von den Bauern aus der Umgebung, auch damit arbeiten wir. Was mich besonders inspiriert hat, ist der Herbst im Engadin. Pilze in Hülle und Fülle, Wild von den einheimischen Jägern, und dann die Früchte der Tannen – mit denen experimentiere ich derzeit sehr gerne. Egal wo ich arbeite, wir möchten uns immer von den hiesigen Naturschätzen inspirieren lassen und uns weiterentwickeln. Wir hoffen, in St. Moritz etwas Langfristiges aufzubauen, und spüren vom «Kulm Hotel» viel Offenheit für unsere Ideen.

Sie haben alles erreicht, was ein Koch erreichen kann. Wovon träumen Sie noch?

Eigentlich von ganz einfachen Sachen. Wenn ich in Menton in meinem biologischen rund 17-Hektar-grossen Garten mit den Händen arbeite, Unkraut jäte und frisches Gemüse anziehen oder ernten kann, macht mich das glücklich. Ich vergesse dann alles um mich herum und bin voll im Moment. Irgendwann mal ein Bauer auf einer biologischen Farm zu sein, ja, das könnte ich mir vorstellen. (lacht)

Sie haben als junger Mann ihre Heimat Argentinien verlassen, um in Frankreich zu kochen. Was hat Ihnen geholfen, so weit zu kommen?

Womöglich meine Naivität. Ich bin losgezogen, um meinen Platz in der Welt zu finden. Frei, ohne grosse Erwartungen und ohne konkrete Ziele. Es war nicht mein Traum, ein Dreisternekoch zu werden, von einem Guide Michelin hatte ich in Argentinien nie gehört, auch nicht von sonstigen Besten-Listen. Wenn ich heute junge Talente sehe, die einen Michelin-Stern, Ruhm und Erfolg anstreben, ist das meiner Meinung nach der falsche Weg. Ich habe einfach alles gegeben, um kochen zu können. Und ich wollte immer dazulernen! Bis heute hat sich das nicht geändert.


Mauro Colagreco

Mauro Colagreco zog 2001 von Argentinien nach Frankreich, um als Koch zu arbeiten. Er verfeinerte sein Handwerk unter anderem bei Bernard Loiseau, Alain Passard, Alain Ducasse und Guy Martin. 2006 eröffnete er sein erstes eigenes Restaurant «Mirazur» in Menton an der Côte d’Azur.  Noch im ersten Jahr nach der Eröffnung bekam er den ersten Michelin-Stern. 2019 landete das mit aktuell drei Sternen prämierte Restaurant in der «World’s 50 Best Restaurants»-Liste auf Platz 1. Mauro Colagreco spricht fünf Sprachen, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

kulm.com
mirazur.fr

Denise Muchenberger
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