© Robert Rieger

Frauenpower im »Kin Dee« in Berlin

In dem auf thailändische Küche spezialisierten Sternerestaurant geben Frauen den Ton an: Sämtliche Führungspositionen sind weiblich besetzt.

In Zeiten, in denen große Dax-Konzerne vor der Einführung einer Frauenquote stehen oder sie schon eingeführt haben, wirkt die Gastronomie manchmal wie ein Relikt aus der Vorzeit. Vor allem in der Spitzenküche gibt es kaum weibliche Küchenchefinnen oder Köchinnen. Ein Gegenpol dazu ist das »Kin Dee«, das zeigt, wie es anders geht: Das Team besteht – mit zwei Ausnahmen – aus Frauen. Von der Restaurantleiterin bis zum Backoffice geben hier Frauen den Ton an. Was macht Besitzerin Dalad Kambhu anders als andere?

Thailändisches Fine Dining im »Kin Dee«

Das »Kin Dee« ist ein modernes thailändisches Restaurant in Berlin in der Lützowstraße. 2021 wurde das Restaurant zum dritten Mal in Folge mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Auf Thai bedeutet »Kin Dee« so viel wie »Gut essen«. Genau das wird in diesem Restaurant in einladendem Ambiente umgesetzt. Küchenchefin Dalad Kambhu serviert ihren Gästen Aromen, mit denen sie in Bangkok aufgewachsen ist, auf eine ganz neue und hochwertige Weise. Hier wird großer Wert auf Nachhaltigkeit gelegt. Dies bezieht sich sowohl auf die Produkte, als auch auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Alle Saucen und Pasten sind in stundenlanger Arbeit hausgemacht und für die Gerichte werden am liebsten saisonale und regionale Produkte verwendet. Ihr 3-Gang-Menü im Family Style wird, wie in der thailändischen Kultur üblich, zum Teilen in die Mitte des Tisches gestellt. Insgesamt werden 10-12 Gerichte angeboten, wobei Snacks und Vorspeisen von der Küche bereitgestellt werden.

Doppelt so harte Arbeit für halb so wenig Anerkennung

Hinter den Kulissen herrscht gute Stimmung, als wir uns mit Küchenchefin Kambhu und Restaurantmanagerin Bea Schulz zum Gespräch treffen. Dass sie ihre Arbeit im Restaurant »Kin Dee« lieben, merkt man ihnen direkt an. Dies liegt aber vor allem auch an ihrem Team, wie sie uns verraten. Zurzeit arbeiten insgesamt um die 15 Personen im »Kin Dee«. In der Küche sind es fast ausschließlich Frauen und nur ein Mann. Auch außerhalb der Küche sind praktisch alle weiteren Positionen weiblich besetzt. Ausschließlich der Barkeeper sowie der Chef de Rang sind männlich. Somit besteht die große Besonderheit im »Kin Dee« nicht nur darin, dass das gesamte Team fast ausschließlich weiblich besetzt ist, es bedeutet auch, dass alle Führungspositionen von Frauen übernommen werden. Auch Sous Chefin Tessa Theil und Köchin Namfon Benchronkit sind Teil des weiblichen Führungsteams. Letztere kam eigentlich als Tellerwäscherin ins Sternerestaurant bis Kambhu ihr Talent als Köchin für die thailändische Küche entdeckte und sie beförderte.

Kambhu selbst wählt ihr Personal mit Bedacht aus, achtet auf Talent und den richtigen Umgang anstatt nur auf die beste Qualifikation. Sie selbst sagt: »Solange wir nicht alle gleich bezahlt werden und den gleichen Weg im Leben gehen können, werde ich mich immer dafür entscheiden, die Arbeit zuerst an Frauen zu vergeben.«

Denn leider ist es auch heutzutage noch immer der Fall, dass Frauen, selbst in Führungspositionen, weniger Geld verdienen als ihre männlichen Kollegen in gleichen Positionen. Doch es ist nicht nur das Geld, weshalb Kambhu die Frauenquote in ihrem Restaurant hochhält. Es sind auch die vielen Vorurteile und das Thema Sexismus, dem Frauen ausgesetzt sind, und dem sie damit entgehen möchte.

Besonders dem Vorurteil, Frauen können keine gleich gute oder gar bessere Leistung erbringen als männliche Kollegen, seien Frauen teils ausgesetzt. Sowohl Dalad Kambhu als auch Bea Schulz sehen sich und ihre Mitarbeiterinnen hiermit oft konfrontiert. Restaurantmanagerin Schulz sagt dazu: »Wahrscheinlich arbeiten wir Frauen sogar mehr und härter als so manch anderer – denn wenn ein Mann gut kocht, ist das ja schon nichts Besonderes mehr.« Auch Küchenchefin Kambhu kann dieses Vorurteil mit einem häufig vorkommenden Geschehnis verdeutlichen: »Ich werde oft gefragt, ob ich wirklich in der Küche stehe, oder es wird nach dem richtigen Küchenchef gefragt. Jeder andere männliche Sternekoch wird so etwas selten oder nie gefragt.« Auch komme es häufig vor, dass die gute Leistung und der Erfolg dann auf das Äußere der Frauen in hochrangigen Positionen reduziert wird, wovon auch Kambhu und Schulz berichten.

»Ich selbst weiß, wie schwierig es ist, eine Frau zu sein, und, dass der Weg, den wir im Leben gehen, am Anfang viel schwieriger ist«, sagt Kambhu. Sie sagt, dass die Küchenstruktur in Restaurants für sehr lange Zeit nur auf Männer ausgerichtet war und sich daraus unrealistische Arbeitszeiten und eine Mentalität ergeben haben, in der es darum geht, alles auszuhalten und sich durchzubeißen. Das möchte sie in ihrem Restaurant ablegen und für alle ein Umfeld schaffen, in dem man sich wohlfühlen kann und gerne arbeitet. »Im »Kin Dee« muss sich niemand behaupten oder eine Rolle spielen, um akzeptiert zu werden«, berichtet Schulz. Sie erzählt, wie angenehm es sei, sich keinem männlichen Ego unterordnen zu müssen oder mit sexuellen Anzüglichkeiten konfrontiert zu werden.

Restaurantbesitzerin Kambhu sagt abschließend: »Ich bin sehr stolz auf das, was wir in unserem Restaurant erreicht haben: gute Arbeitszeiten, faire Bezahlung, Vielfalt und gute Behandlung. Ich glaube, wir sind eines der wenigen Restaurants, die es geschafft haben, alle ungesunden Normen der Restaurantführung zu durchbrechen. Dennoch werden oft Männer und jene Restaurants gefeiert, die das Patriarchat aufrechterhalten. Wir müssen uns daran erinnern, dass es auch anders geht und anders gehen sollte

Das »Kin Dee« hat immer Dienstags bis Samstag ab 18 Uhr geöffnet.

Info | Kin Dee
Lützowstraße 81
10785 Berlin
kindeeberlin.com
Tel.: +49 30 2155294

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