Im Burgenland nicht nur im Advent ein Genuss: Die sortenreichen Krapferl sind geliebte Tradition bei Hochzeiten.

Im Burgenland nicht nur im Advent ein Genuss: Die sortenreichen Krapferl sind geliebte Tradition bei Hochzeiten.
© Peter Podpera

Hochzeitsbräuche: Busserl und Krapferl

Hochzeitsbräuche schlummerten lange in Poesiealben – heute erleben sie ein Revival und bescheren der weltberühmten burgenländischen Bäckerei neuen Kult-Status.

»Heiratn is koa Koppmtauschn«, heißt es im Volksmund. Nicht nur die Väter und Brautstände haben beim »Gwissmocha» hart um die Mitgift verhandelt, auch dem Brautpaar selbst wurde es oft nicht leicht gemacht, den Bund der Ehe zu schließen. Täuschungs-, Ablenkungsmanöver und allerlei Hindernisse sind Grundsteine vieler burgenländischer Hochzeitsbräuche, die bis heute in buntem Variantenreichtum zele­briert werden: In Donnerskirchen wird der Bräutigam in eine Kiste verfrachtet, diese zugenagelt und von Freunden durch die Gaststätten seiner Jugend geschleppt, um dann schließlich von seiner Auserwählten wieder befreit zu werden.

Beim »Fadnzuign« (Fadenziehen) versperrt in Breitenbrunn ein langer, mit Bändern geschmückter Kranz den Ortseingang, wenn das Brautpaar aus verschiedenen Dörfern stammt. Erst wenn bezahlt wird, öffnet sich dem Hochzeitszug der Weg – ein vielerorts verbreiteter, unterschiedlich adaptierter Brauch im Burgenland. So wird man etwa beim Schnurziehen in Bernstein zum »Mautzahlen oder Passvorweisen« aufgefordert, ehe das Brautpaar mit Geld und Nüssen beworfen wird. Ums liebe Geld geht’s auch beim äußerst variantenreich praktizierten »Kranzelabtanzen«, wenn die Braut um Mitternacht das Kranzel (heute den Schleier) abnimmt, ihren Eltern übergibt und gleichzeitig das eingesammelte Geld überreicht bekommt. Und auch in Sachen Brautstehlen sind die Burgenländer eifrig bei der Sache: Während die Hochzeitsgesellschaft ausgelassen feiert, wird die Braut mit Brautstrauß entführt. Der Trauzeuge und der Bräutigam begeben sich dann auf die Suche nach ihr – und finden sie meist in einem Lokal –, um dort die Rechnung zu bezahlen, sozusagen als Auslöse für seine Braut.

In Pamhagen wird der Ehestand mit einer wohl einzigartigen Tradition begründet: Wenn eine ortsfremde Frau einheiratet, wird am Marktplatz dreimal um das Kreuz gefahren, während die Braut eine lebende Henne unter die Zuschauer wirft. Quer durchs ganze Burgenland verbreitet ist der Brauch, an die Schaulustigen Hochzeitsbeugel auszuteilen und Wein auszuschenken, während die Gäste an der geschmückten Hochzeitstafel Platz nehmen – ein Symbol des Wohlstands, das auch beim Festmahl in seiner üppigsten Form ausgelebt wird. Denn so unterschiedlich die Hochzeiten zwischen Eisenstadt und Jennersdorf auch gefeiert werden, eines haben sie alle gemeinsam: Fürstlich gegessen wird, bis der letzte Gast ins Bett fällt.

»Wenn ich gerade nicht backe, blättere ich in historischen Kochbüchern. Das ist für mich, wie einen Roman zu lesen.« Aloisia Bischof, Hochzeitsbäckerin
© Peter Podpera
»Wenn ich gerade nicht backe, blättere ich in historischen Kochbüchern. Das ist für mich, wie einen Roman zu lesen.« Aloisia Bischof, Hochzeitsbäckerin

Pannonische Gastfreundschaft

Die Speisenfolge beim Hochzeitsmahl ist bis heute recht traditionell. Begonnen wird mit der Rindsuppe mit Nudeln oder Leberknödeln. Darauf folgt gekochtes Rind- und Hühnerfleisch mit Semmelkren, danach Gebratenes mit Reis und Salaten und schließlich Schnitzel und Backhuhn. »Wenn wir uns ansehen, wie der Hochzeitsspeisezettel vor vier, fünf Jahrzehnten ausgesehen hat, können wir feststellen, dass er sich zwar in vielem vom heutigen unterscheidet, im Übrigen aber in seiner Vielfalt nichts zu wünschen übrig ließ«, weiß Brauchtumsexperte Dr. Adalbert Putz. »Nach der Suppe stellten die ›Kuchlweiber‹ gekochtes Rindfleisch und Semmelkren auf die Tische«, erzählt Putz.

Auf den Semmelkren folgte die Dämpfsuppe mit gekochtem Hühnerfleisch, danach Gebratenes mit Erdäpfelsalat, gefolgt von einer echten Delikatesse: dem Spanferkel – freilich nur auf großen Bauernhochzeiten. »Schön braun gebraten, um den Hals ein rotes Seidenband und eine Nuss im Maul, so lagen sie auf großen flachen Schüsseln. Dem Bräutigamvater fiel die Aufgabe zu, den gebratenen Spanferkeln die Köpfe abzuschneiden, bevor sie tranchiert wurden. Die Köpfe selbst bekam die Hochzeitsköchin«, so Adalbert Putz.

Dirigentinnen der Backstube

Seit Jahrzehnten wie Fixsterne auf den Hochzeitstafeln der Burgenländer glänzen die berühmten Krapferl, eine opulente Vielfalt an Keksen, die andernorts nur in der Vorweihnachtszeit auf den Teller kommen. Für die aufwendige Herstellung versammelten sich anno dazumal Familien und Freunde des Brautpaares mit ihren Kochbüchern in der Küche oder einer angemieteten Bäckerei und buken wochenlang auf den großen Tag hin. Damit man sich nicht gegenseitig im Weg stand, die Arbeitsabläufe effizient waren und zum Schluss nicht nur Honigbusserl und Schaumrollen auf dem Keksteller landeten, wurde das Team von einer Hochzeitsbäckerin dirigiert. »Ihre Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass es von nichts zu viel gab und keine Sorte vergessen wurde. Die einzelnen Arbeiten innerhalb des Backteams waren genau aufgeteilt. Da gab es diejenige, die für das Rühren des Teiges zuständig war, eine andere übernahm das Ausstechen und wieder eine andere das Verzieren«, erinnert sich Aloisia Bischof, die den Brauch der Hochzeitsbäckerinnen nicht nur in die Gegenwart geholt, sondern auch zum Beruf etabliert hat.

»Schon als Zwölfjährige durfte ich meiner Mutter und meiner Tante bei den Hochzeitsvorbereitungen in der Backstube helfen.« Eine Tradition, die Aloisia noch lange fortgesetzt hat. Auch dann noch, als die meisten Frauen berufstätig waren, sie deshalb auf die Hilfe der Brautfamilie nicht mehr hoffen konnte und sich anderwärtige Backunterstützung in ihre Küche holte. Sie buk für die Hochzeiten von Verwandten, Freunden, Freunden von Freunden und schließlich auch für Bekannte von Freunden von Freunden, die die Ortsgrenzen von Badersdorf schon weit überschritten hatten – bis der Duft, der aus ihren Fenstern drang, eines Tages die Gewerbepolizei anlockte und Aloisia Bischof mit 49 Jahren die Konditorprüfung ablegte. Das war die Geburtsstunde der amtlichen Hochzeitsbäckerin.

In Badersdorf eröffnete Aloisia Bischof das erste Hochzeitsmuseum Burgenlands: ein Hochzeitstanz durch die Geschichte quasi.
© Peter Podpera
In Badersdorf eröffnete Aloisia Bischof das erste Hochzeitsmuseum Burgenlands: ein Hochzeitstanz durch die Geschichte quasi.

Zeugen der ewigen Romantik

Seitdem steht sie sieben Tage in der Woche von 6 bis 20 Uhr in ihrer Backstube. »Pro Hochzeit werden 60 verschiedene Kekssorten gebacken. Je nach Anzahl der Gäste brauche ich dafür mit meinem sieben- bis achtköpfigen Team eine Woche«, verrät die 71-Jährige, die noch lange nicht ans Aufhören denkt und inzwischen nicht nur für Hochzeiten bäckt, sondern auch Bestellungen für allerhand andere Festivitäten entgegennimmt. »Es gibt für mich nichts Schöneres als zu backen«, strahlt sie. Und ihre Kunden tun es mit ihr: Bis nach Vorarlberg schickt Aloisia ihre Esterházyschnitten, Butterkrapfen, Florentiner, Schokoschnitten, Nussstangerl, Husarenkrapferl, Honigbusserl, Schaumrollen und was ihr größter Schatz – das Kochbuch ihrer Mutter – noch so hergibt.

»Wenn ich gerade nicht in der Backstube beschäftigt bin, blättere ich gerne in historischen Kochbüchern und lasse mich inspirieren. Für mich ist das, wie einen Roman zu lesen«, lacht Aloisia Bischof. »Die Leute, die mich kennen, wissen von meiner Leidenschaft und bringen mir hin und wieder alte Kochbücher. Das ist die größte Freude für mich.« Dabei geht ihre Sammelleidenschaft inzwischen weit über die Küchenlade hinaus. Denn Aloisia Bischof bekommt nicht nur Rezeptbücher, sondern auch alte Hochzeitsfotos, -kleider, Andenken und gestickte Sprüche geschenkt. Wieso also nicht Burgenlands erstes Hochzeitsmuseum eröffnen, dachte sich die geschäftstüchtige Badersdorferin und funktionierte ein altes Bauernhaus kurzerhand in eine Ausstellung um, die einem Hochzeitstanz durch die Geschichte gleicht: Unterschiedliche Bräuche, die Wandlung der Brautmoden und lebensbegleitende Stickereien neben dem Hochzeitsbett und eine Tafel voll Torten vor einer Tapete mit Hochzeitsfotos – darunter auch ihr eigenes – sind Zeugen einer Zeit, in der sich die Uhr scheinbar noch langsamer drehte. Eine Zeit, deren Traditionen und Bräuche dank Menschen wie Aloisia Bischof in die Gegenwart geholt werden und gerade wieder ein Revival feiern.


Wir haben eine kleine Rezept-Kostprobe zum Nachkochen
Aloisia Bischofs Schaumrollen Rezept:

ZUM REZEPT

Foto beigestellt

Das Beste von den Burgenländischen Hochzeitsbäckerinnen
Umfang: 192 Seiten
Verlag: Pichler Verlag, 2019
ISBN: 978-3-222-14040-2
Preis: € 27,–


Erschienen in
Burgenland Special 2019

Zum Magazin

Catharina Gruidl
Autor
Mehr entdecken
Dessert
Schaumrollen
Hochzeitsbräuche erleben im Moment ein Revival. So auch die klassischen Bäckereien aus dem...
Von Aloisia Bischof
Mehr zum Thema