Küchenchefs von »Relais & Châteaux« verbannen Aal von der Speisekarte

Holger Bodendorf, Vertreter der deutsch-österreichischen Delegation im World Culinary Council, im Interview über die Initiative sowie das Bewusstsein für eine Genusskultur, die Rücksicht auf Ökosysteme und Biodiversität nimmt.

Der europäische Aal gilt für Gourmets als absolute Delikatesse, während er für Tierschützer:innen ein geschätzter Meeresbewohner ist. Bisher war der Fisch auf weltweiten Speisekarten und besonders in der französischen, spanischen, niederländischen und auch der japanischen Küche sehr großzügig vertreten. Der Fisch war sogar dermaßen beliebt, dass er mittlerweile als existenziell bedroht gilt und sich auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion befindet.

Über die letzten zwei Jahrzehnte haben Wissenschaftler:innen des Internationalen Rates für Meeresforschung (ICES) wiederholt auf die Gründe für den alarmierenden Rückgang dieser Fischart hingewiesen. Und in den letzten drei Jahren wurde sogar dazu appelliert den Fischfang des Aals zur Gänze auszusetzen. Mit diesem Ziel vor Augen trafen sich bereits im Oktober die 21 Küchenchefs von »Relais & Châteaux«, die im »World Culinary Council« der Vereinigung vertreten sind, um über den sofortigen Ausschluss des Europäischen Aals von ihren Speisekarten abzustimmen.

In Kooperation mit der NGO »Ethic Ocean« appelliert »Relais & Châteaux« nun schließlich an die 27 Minister der Europäischen Union, diese Initiative der Köche und die wissenschaftlichen Empfehlungen ernsthaft zu berücksichtigen. Das Ziel ist es, noch im Dezember die notwendigen Schritte zu unternehmen, um die gefährdete Art zu schützen.

Falstaff hat mit Holger Bodendorf, Vertreter der deutsch-österreichischen Delegation im »World Culinary Council«, über die Problematik gesprochen.

Die Küchenchefs von »Relais & Châteaux« wollen den Aal von ihren Speisekarten streichen. Was war ausschlaggebend?

Die kulinarische Vielfalt zu erhalten sowie der Schutz der Umwelt sind Teil des Manifests von »Relais & Châteaux« das 2014 bei der UNESCO vorgetragen wurde. In diesem Sinne wollen wir Küchenchefs unsere Stimmen nutzen und zu einer Veränderung beitragen.

Wie steht es allgemein um das Bewusstsein für Nachhaltigkeit in der Spitzengastronomie?

Das Bewusstsein ist da, gerade die letzten zehn Jahre haben da noch einmal viel verändert. Die Küchenchefs sind geschulter und sensibler für diese Themen, jedenfalls im DACH-Raum.

Lange Zeit glaubte man ja, dass Fine Dining und Nachhaltigkeit generell nicht miteinander vereinbar sind. Viele Konzepte beweisen nun das Gegenteil. Wie beurteilen Sie den Status quo der Branche?

Aus meiner Perspektive als Mitglied des »World Culinary Councils« von »Relais & Châteaux« kann ich sagen, dass Nachhaltigkeit bei meinen Kollegen und mir absolut im Vordergrund steht. Natürlich ist es bei manchen Konzepten schwerer, zum Beispiel nur auf Regionales zu setzen, aber auch da wünsche ich mir mehr Flexibilität.

Mit welchen Ressourcen gehen Sie bereits jetzt sparsam um?

Bei uns im Landhaus Stricker haben wir uns verpflichtet, mindestens 60 Prozent regionale Produkte zu verwenden und im Restaurant »Siebzehn84« haben wir sogar das Ziel, sämtliche Produkte lokal zu beziehen. Außerdem stand der diesjährige Umbau unseres Hauses ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit. Von Vorhängen aus recyceltem Material bis zu energiesparenden Thermostaten hatte ein sorgsamer Umgang mit unseren Ressourcen Priorität. Außerdem ist unser Betrieb nahezu plastikfrei.

Wie kann man nachhaltige und ethisch vertretbare Lebensmittelquellen nutzen, den Schutz gefährdeter Arten zu unterstützen und trotzdem kulinarische Vielfalt bewahren?

Genau durch bewusstes und nachhaltiges Handeln kann kulinarische Vielfalt erhalten werden. Es ist wichtig, dass wir hinterfragen, was wir dem Gast anbieten. Die Frage ist immer, was ist regional und saisonal verfügbar und entspricht unseren höchsten Ansprüchen. Der Gast hat dafür Verständnis, denn am Ende geht es auch um die Qualität, die auf seinem Teller zu schmecken ist.

Nachhaltigkeit sollte ja in allen Köpfen ankommen bzw angekommen sein. Wie groß ist das Bewusstsein bei ihren Gästen für die aktuellen Herausforderungen?

Wir merken, dass unsere Gäste schon ein Bewusstsein für diese Themen haben und sich auch für Hintergrundinformationen aus unserem Betrieb interessieren. Wir scheuen uns nicht, mit unseren Gästen auch über diese Themen zu sprechen und sie mit den ein oder anderen Infos zu versorgen.

Wie kann man Bewusstsein für eine Genusskultur, die Rücksicht auf Ökosysteme und  Biodiversität nimmt,  schaffen?

Es muss gelebte Realität sein, die wir als Hoteliers an die Mitarbeiter weitergeben und die wir gemeinsam als Vorbilder für die Gäste im Restaurant oder Hotel erlebbar machen. Mir ist es ein Anliegen, dass in unserer Branche das Bewusstsein dafür selbstverständlich wird.


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Julia Emma Weninger
Julia Emma Weninger
Chefredakteurin Online
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