Was aussieht wie der Speisesaal eines Superschurken in einem James-Bond-Film, ist ein Private-Dining-Room an Bord eines Schiffs der amerikanischen Oceania Cruises. High-Class-Kulinarik an Bord wird von immer mehr Reedereien als spielentscheidend angesehen.

Was aussieht wie der Speisesaal eines Superschurken in einem James-Bond-Film, ist ein Private-Dining-Room an Bord eines Schiffs der amerikanischen Oceania Cruises. High-Class-Kulinarik an Bord wird von immer mehr Reedereien als spielentscheidend angesehen.
© Oceania Cruises

Kurs auf den Gaumen: Die kulinarischen Kreuzfahrten der Top-Köche

Nie zuvor waren die Erwartungen an das gastronomische Angebot an Bord so hoch wie heute. Kein Wunder, dass kaum ein namhaftes Kreuzfahrtschiff mehr ohne einen prominenten Spitzenkoch in See sticht. Der Kampf um Passagiere wird längst auch in der Kombüse ausgetragen.

An Bord eines Kreuzfahrtschiffes sind die die Aufgaben der Mannschaft klar definiert. In der internen Hierarchie allerdings kommt es immer wieder zu Verschiebungen: Eine Rolle, die in jüngster Vergangenheit geradezu kometenhaft an Bedeutung gewonnen hat, ist jene des Küchenchefs. Kein Wunder: Für viele Passagiere hat die kulinarische Vielfalt auf ihrer Reise längst einen höheren Stellenwert als etwa die angelaufenen Häfen oder die Zahl der Unterhaltungsangebote. Die Zielgruppe der zahlungskräftigen Gourmets wird für die Kreuzfahrt daher immer wichtiger. Und die Reedereien überbieten sich darin, den Ansprüchen ihrer Passagiere gerecht zu werden. Ein Blick auf die Angebote der Kreuzfahrtunternehmen zeigt: Die Frage lautet längst nicht mehr, welches Schiff ­einen Starkoch an Bord hat, sondern eher, welches keinen hat. Lesen Sie hier, wo sich die Mitfahrt ganz besonders lohnt…

Ein Sternekoch bereitet ein Gourmet-Gericht zu.
© Shutterstock
Ein Sternekoch bereitet ein Gourmet-Gericht zu.

Trendsetter Hapag Lloyd

Das Hamburger Kreuzfahrtunternehmen Hapag Lloyd Cruises hat den Trend um die seefahrenden Sterneköche mitbegründet: Bereits im Jahr 2010 gewann die Reederei mit Dieter Müller einen der besten Köche Deutschlands als Patron und Namensgeber für das damals neukonzipierte Gourmetrestaurant an Bord der »MS Europa«.

Im Herbst 2019 investierte die Reederei nochmals mehrere Millionen Euro in die Modernisierung des inzwischen 24 Jahre alten einstigen Flaggschiffs, baute die Bordküchen um und heuerte mit Kevin Fehling einen nicht minder hochkarätigen Nachfolger für Dieter Müller an. In Hamburg betreibt Fehling mit »The Table« das einzige Drei-Sterne-Restaurant der Stadt. Zudem hat der Spitzenkoch eine ganz besondere Verbindung zur MS Europa. Zu Beginn seiner Karriere verbrachte er zwei Jahre als Souschef auf dem Schiff. Seitdem habe ihn die Seefahrt nicht mehr losgelassen, erzählt der heute 45-Jährige.

Sein vor knapp drei Jahren an Bord eröffnetes Gourmetrestaurant »The Globe« trägt bis ins letzte Detail die Handschrift Fehlings: An den Wänden schimmert ein Sternemuster, in den Teppichboden sind Längen- und Breitengrade der Erde eingewoben, die Deckenlampen sind in Gruppen wie Himmelskörper aufgehängt und das Amuse-Bouche wird auf einem gläsernen Globus serviert – alles Anspielungen auf Fehlings Vergangenheit als Schiffskoch und seine zweitgrößte Leidenschaft: die Astronomie. Noch beeindruckender als diese Freude am Detail, ist nur der Ausblick durch die tiefen Fenster des »Globe«: Wenn man rechtzeitig eintriftt, kann man die untergehende Sonne dabei beobachten, wie sie auf der Meeresoberfläche ihr betörendes Glitzerspiel darbietet. Magisch!

»Ein eigenes Gourmetrestaurant auf der »Europa« zu führen, war immer mein großer Traum«, erzählt Fehling. Daher habe er sich selbst als Nachfolger für Dieter Müller ins Spiel gebracht – die Verbindung zur Reederei hat er auch nach seiner Zeit als Schiffskoch nie abbrechen lassen – und gehörte bald zur Stammbesetzung von »Europas Beste«, einem jährlich an Deck des Schiffs stattfindenden Show-Cooking-Event mit den besten Köchen Deutschlands und Österreichs.

Das Gourmetrestaurant »The Globe« an Bord der MS Europa.
Foto: Susanne Baade für Hapag Lloyd
Das Gourmetrestaurant »The Globe« an Bord der MS Europa.

20 Tage pro Jahr an Bord

Doch so groß seine Freude über den wahrgewordenen Traum auch sein mag, so akribisch müsse Fehling die 20 Tage planen, die er jährlich an Bord verbringt, damit sie sich nicht mit dem Betrieb seines Hamburger Restaurants und den Ferien seiner drei Kinder überschneiden. Doch auch während seiner Abwesenheit bringt das Küchenteam Gerichte wie Rinderfilet mit geflämmter Gänseleber in Formvollendung auf die Teller. Dafür hat Fehling für jede seiner Kreationen eigene Schritt-für-Schritt-Anleitungen angefertigt. Eigene Kreativität ist in Abwesenheit des Chefs nicht erwünscht.

Unterstützt beim Betrieb seines Bordrestaurants wird Fehling zudem von der Firma Sea Chefs – das Schweizer Unternehmen ging 1999 aus dem von Hapag Lloyd Cruises abgespalteten Hotelsektor hervor und kümmert sich an Bord der MS Europa um alle Belange, die das leibliche Wohl der Gäste betreffen. Sea Chefs ist eine Art Strippenzieher in Hintergrund und verantwortet von der rechtzeitigen Belieferung des Schiffs mit Getränken und Lebensmitteln über die Konzeption des gastronomischen Gesamtangebots bis hin zur Zusammenstellung der Mannschaften für den Hotel- und Gastrobetrieb sämtliche notwendigen Dienstleistungen. »Die Versorgung eines Schiffs mit Lebensmitteln ist eine Herkulesaufgabe«, erklärt Cheflogistiker Stefan Femerling.

Tournedos Rossini (Rinderfilet mit geflämmter Gänseleber)
© Shutterstock
Tournedos Rossini (Rinderfilet mit geflämmter Gänseleber)

Eine gewaltige Menge von zwei Tonnen Lebensmittel wird allein auf der »MS Europa II«, dem mit 500 Passagieren derzeit größten Mitglied der Flotte, pro Tag konsumiert. Damit dem Schiff auf dem Weg zum Zielhafen der Proviant nicht ausgeht, werden an jedem Zwischenstopp die Lagerbestände aufgefüllt. Bis zu acht Monate im Voraus plant Femerling die Anlieferung der Waren, auch wenn er und seine Kollegen den Verbrauch zu diesem Zeitpunkt nur schätzen können. Vor allem seine jahrzehntelange Erfahrung verhindere allzu große Schnitzer, so der Logistiker. In den meisten Fällen werden die Waren per Lkw oder Container an den jeweiligen Hafen geschickt. Regionale Einkäufe gebe es lediglich bei ausgewähltem Obst und Gemüse sowie bei Fisch und anderen Spezialitäten – und nur, wenn die hygienischen Standards erfüllt würden.

AIDA mit »Rossini«

Auch im mittleren Segment hat man Spitzenküche inzwischen im Angebot. Die Kreuzfahrtlinie Aida etwa, die sich preislich an ein breites Publikum richtet, leistet sich an Bord all seiner zwölf Schiffe mit den »Rossini« genannten Gourmetrestaurants ebenfalls eine Fine-Dining-Linie. Verantwortlich dafür ist Franz Schned. Der Münchner kam 2003 an Bord und arbeitete sich nach oben – zuerst als Chefkoch im »Rossini« und letztlich als kulinarischer Botschafter von Aida. Dafür gab er sogar seinen Job im Drei-Sterne-Restaurant »Überfahrt« am Tegernsee auf – ohne langes Zögern: »Bis zur Corona-Pandemie nutzten meine Küchencrew und ich die Landgänge, um alle Lebensmittel für den Abend frisch auf lokalen Märkten einzukaufen«, erinnert sich Schned. Nie zuvor habe er so viele unterschiedliche kulinarische Eindrücke und Erfahrungen sammeln können: »Die Arbeit an Bord eines Kreuzfahrtschiffs ist mit nichts vergleichbar


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Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2023

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Sebastian Späth
Sebastian Späth
Chefredakteur Deutschland
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