© Burgenland Tourismus GmbH, Birgit Machtinger

Natur in Gefahr: Wie sanfter Tourismus nachhaltigen Naturschutz fördert

Wälder, Berge, Seen: Unser Land ist reich an idyllischen Naturschauplätzen. Doch wie lange noch? Klimawandel und Fremdenverkehr verändern viele Lebensräume – der Tourismus kann aber sogar zum Naturschutz beitragen, wenn er nachhaltig und verantwortungsvoll gestaltet wird.

Wenn das Wasser schwindet, verschwinden auch die Gäste. Der sinkende Wasserstand des Neusiedler Sees, seit Jahrzehnten Anziehungspunkt für Touristen aus nah und fern, bedroht die regionale Tourismuswirtschaft. Die Natur reagiert auf uns Menschen, die wir das Klima verändern und zu viel Wasser verbrauchen. Und wir leiden darunter: Einkommen und Arbeitsplätze im nordburgenländischen Tourismus sind gefährdet.

»last chance tourism«

Ein paar hundert Kilometer weiter im ­Westen des Landes können die Gäste einem anderen Naturdenkmal beim Sterben zu­­sehen. Der einst mächtige Gletscher am Kitzsteinhorn war früher ein beliebtes ­Sommerskigebiet. Noch immer pilgern Tausende von Touristen, viele von ihnen aus dem arabischen Raum, im Sommer auf den Gletscher. Das übrig gebliebene Eis, bedeckt von Schneeresten, und der imposante Gipfel ziehen sie an. »Last chance tourism« ist der Fachausdruck dafür – noch einmal das sehen, was bald unwiederbringlich verloren ist. Die Gletscher in den Alpen, die Eisbären in Grönland und Kreuzfahrten in die Antarktis, das Great Barrier Reef.

Die Natur ist eine der wichtigsten Ressourcen des Tourismus. Sand und Meer, Seen und Wälder, Berge und schöne Landschaften ziehen die Menschen an. Raus aus den Städten und Dörfern, hinein in die (meist nicht mehr unberührte) Natur. Nicht immer, um sie zu betrachten und zu bewundern, viel öfter, um sie für das eigene Vergnügen (aus) zu nutzen: Baden und Wellnessen, Skifahren, Wandern und Radfahren. Um das Vergnügen zu ermöglichen, muss die Natur zuvor gebändigt werden: Felsen und Wälder werden beseitigt, um Liftanlagen zu bauen und Skigebiete anzulegen, Wiesen für neue Unterkünfte und die notwendigen Straßen zerstört – die touristische Infrastruktur trägt in Österreich wesentlich zum viel zu hohen Flächenverbrauch bei. Die Natur wird von Touristen ge- und besucht, aber auch achtlos zurückgelassen, man ist ja nur Bewohner auf Zeit. Vermüllte Strände, verschmutze Meere, Seen und Wälder sind ein Gesicht der naturzerstörerischen Kraft des Tourismus.

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Ein anderer Faktor ist zwar weniger sichtbar, aber umso bedrohlicher: Um ans Urlaubsziel zu gelangen, müssen oft lange Wege zurückgelegt werden – mit dem Auto oder dem Flugzeug. Das dabei frei werdende CO2 beschleunigt den Klimawandel, der wiederum die Natur verändert und einige beliebte Urlaubsziele dem Untergang preisgibt. Schnell noch auf die Malediven reisen, bevor das Meer die Inseln verschluckt. Jede Gelegenheit zum Skifahren nutzen, wer weiß, wie lange es noch möglich sein wird, ohne ins Hochgebirge fahren zu müssen. Der Tourismus trägt rund 8 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei, Tendenz steigend. Zwar dürfte der Ausstoß pro Gast langsam zurückgehen, doch wächst der Tourismus weltweit rasend schnell – und so sind die Effizienzsteigerungen nur Tropfen auf dem heißen Stein, die Emissionen weiter am Steigen. Und einige Bereiche, die für den Tourismus unerlässlich erscheinen, wie der Flugverkehr, sind noch weit davon entfernt, klimaneutral zu werden.

Der Tourismus braucht also die Natur, trägt aber gleichzeitig zu ihrer Veränderung, oftmals Zerstörung bei. Und dennoch sind die Zusammenhänge zwischen Natur und Tourismus komplexer, als sie auf den ersten Blick erscheinen.

Der Tourismus bietet auch Anreize, die Natur zu erhalten, ist sie doch ein wichtiger Produktionsfaktor der Tourismusindustrie. Beispiele dafür lassen sich viele finden, auch in Österreich: Die frühzeitige Rettung der in den 50er- und 60er-Jahren noch völlig verschmutzten Kärntner Seen ist unter anderem ihrer touristischen Nutzung zu verdanken. Welcher Gast will schon in einer Kloake planschen und schwimmen? Auch die Einrichtung der mittlerweile sechs österreichischen Nationalparks, die jährlich immerhin 400.000 Besucher anlocken, kann dem Tourismus gutgeschrieben werden. Dem weiters zu verdanken ist, dass abgelegene alpine Täler mangels wirtschaftlicher Perspektiven nicht entvölkert wurden, Almen somit weiterhin gepflegt und Hütten bewirtschaftet werden, was wiederum der Natur zugutekommt. Ähnliches ist in Urlaubsdestinationen weltweit zu beobachten: Keine Gäste ohne saubere Strände und sauberes Meer, ohne Wildtiere in der Savanne oder im Regenwald.

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Langsamer Wechsel

Dazu kommt, dass sich das höhere Umweltbewusstsein in reicheren Ländern über Reisende auch auf die Bevölkerung von ärmeren Ländern überträgt, in denen Umweltschutz (noch) keinen so hohen Stellenwert genießt. Die dort erzielten Einkommens­zuwächse durch touristische Angebote bewirken Ähnliches: Der Ökonom Simon Kuznets hat bereits in den 50er-Jahren die Hypothese aufgestellt, nach der in den frühen Phasen der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes die Umwelt leidet, bis durch Einkommenszuwächse der Drang, mehr für die Umwelt zu tun, zunimmt. Damit erhält die Natur über ihre Funktion als Produktionsfaktor hinaus einen Wert an sich und ihr Schutz wird zum gesellschaftlichen Anliegen. Die Hypothese konnte empirisch für einige Umweltvariablen bestätigt werden, für andere (wie z.B. Bodenverbrauch) scheint kein solcher Zusammenhang zu existieren – Österreich als Flächenverbrauchs-Champion ist das ­beste Beispiel dafür.

Der Tourismus braucht also die Natur – vielleicht braucht auch die Natur den Tourismus, um schützenswert zu sein.


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Dr. Oliver Fritz
Dr. Oliver Fritz
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