Besinnung auf das kulinarisch große 20. Jahrhundert.
Ich habe, als ich jung war, drei Fehler gemacht. Das war in den 1980er-Jahren. Fehler eins: Ich bin nie nach Paris gefahren, um in Joël Robuchons »Le Jamin« zu essen. Fehler zwei: Ich bin nie nach Crissier gefahren, um bei Frédy Girardet zu essen. Fehler drei: Ich bin nie nach Mionnay gefahren, um bei Alain Chapel zu essen. Ich habe Großes verpasst. Hier kommt der Rat des inzwischen gereiften Gourmets an alle etwas Jüngeren: Vermeiden Sie einen Fehler der gleichen Kategorie. Falls Sie noch nie bei Harald Wohlfahrt in der Schwarzwaldstube gegessen haben – tun Sie es!
Unbedingt! In den nächsten paar Jahren, bevor Wohlfahrt, ein großartiges Lebenswerk im Rücken, in den Ruhestand geht!
Seine Küche ist keine Speerspitze der Modernität, nein. Aber sie ist in ihrer
Subtilität, in ihrer unaufdringlichen Finesse, in ihrer Besinnung auf das kulinarisch große 20. Jahrhundert ein Vergnügen für jeden Esser. Die Höhepunkte des letzten und bestimmt 15. oder 20. Besuchs im Tonbachtal: unvergleichlich zarte, süß-herbe Gänseleber mit Jurançon-Gelee und Zwergorangen-Konfit. Extrem frische und dadurch wunderbar feste und milde Rotbarbe mit frittierten Kapern und einer vollendeten Chablis-Nage. Und eine Étouffé-Taube mit einer mit Blut gebundenen Sauce, die so gut schmeckt, dass sie mir ein Lächeln auf mein Gesicht zaubert. Deswegen hat mein Sohn Wohlfahrt schon vor Jahren den Spitznamen »Saucengott« gegeben.
Großartige Käseauswahl vom Wagen. Viele Kollegen haben das abgeschafft – wie fürchterlich. Und Freude machende Desserts von Pierre Lingelser, wie immer auf Augenhöhe mit Wohlfahrts Kunsthandwerk. Vollendete Betreuung durch den vollendeten Gentleman Stéphane Gass.
Bewertung
4 Gabel(n)Essen 48 von 50Service 19 von 20Weinkarte 20 von 20Ambiente 8 von 10Gesamt 95 von 100
Schwarzwaldstube
Hotel Traube Tonbach
Tonbachstraße 237
72270 Baiersbronn T: +49 30 3088 1214
www.traube-tonbach.de
(CT)
Aus Falstaff Deutschland 04/15
