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Tag der nachhaltigen Gastronomie: Teilen für die Zukunft

Drei Münchner Restaurants und eine Gärtnerei servierten am Tag der nachhaltigen Gastronomie ein Menü für den guten Zweck. Das schmeckte nach Hoffnung.

Durch Gräfelfing zieht am Sonntag, den 18. Juni, eine Art Prozession: Frauen und Männer, viele von ihnen sind in Leinen gehüllt, Hunde jagen sich unter der glühenden Sonne, es duftet nach Kräutern, nach Blumen, nach Sommer. Wer befürchtet, es handele sich hier um eine neue Glaubensgemeinschaft, der sei beruhigt: Heute ist der Tag der nachhaltigen Gastronomie, die Schar ist zum Genießen hier. Eingeladen haben die Mikrofarm Gräfelfing, das Broeding, Caspar Plautz und das Kulinariat. Drei Restaurants und eine Gärtnerei kochen und servieren gemeinsam ein »radikal regionales« und saisonales Zehn-Gang-Menü. Was die drei eint: Der Wunsch, etwas zu verändern, Genuss und Nachhaltigkeit auf dem Teller zu vereinen.

»Wir sind von Natur aus eigentlich keine Landwirte«, sagt Johannes Egger als er seine Gäste durch seine Gewächshäuser und über die kleinen Felder führt, wo er Kohl, Koriander, Karotten und mehr anbaut. Aber als seine Frau Raluca und er Kinder bekamen, wurde die Frage, wie sie ihnen diese Erde hinterlassen, immer drängender. Nachdem sie zufällig von der brachliegenden Gärtnerei gehört hatten, war das der letzte Stoß, den sie gebraucht haben. Seit einem Jahr betreibt das Ehepaar hier nun schon eine regenerative Landwirtschaft. Im Vordergrund steht die Frage: Was kann die Landwirtschaft tun, um die Natur zu heilen? »Wir düngen nicht die Pflanzen, sondern ernähren den Boden und der kümmert sich dann um die Pflanzen«, sagt Egger. Das sorge dafür, dass auch über Generation ausgebeutete Böden genesen können.

Was aus diesen Böden wächst, steht wenig später auf den langen Tafeln, eines leergeräumten Gewächshauses der Gärtnerei. Überall stehen Blumen, es läuft entspannte Musik – hier wird kein Kampf zwischen politischer Botschaft und Genuss aufgeführt. Warum auch? Wenn es sich doch spielerisch lösen beziehungsweise schmecken lässt.

Das Menü steht unter dem Motto Teilen. Das bedeutet einerseits, dass alle Einnahmen gespendet werden. Ein Teil an das Slow Mobil, einem Bauwagen mit integrierter Küche, das an Schulen und Kindergärten fährt, um gemeinsam mit den Kindern kochen. Der zweite Teil geht an Refugio München, eine Initiative, die sich um die psychische Gesundheit von Geflüchteten sorgt und ihnen hilft, anzukommen. Der letzte Teil kommt Green Valley Up zu Gute, die sich zur Aufgabe gemacht haben, die Ammergauer Alpen sauber zu halten.

Andererseits ist das Teilen hier auch ganz buchstäblich gemeint. Fünf der zehn Gänge sind sogenannte Sharing-Gerichte. Zum ersten Gang, der Frischen Ernte, Knofi-Sardellen-Öl/Paste, Gochujang-Majo, Pickles und Ziegenleber-Streichwurst, geben die Kellner große Laibe Foccacia durch die Reihen, von denen jeder sich seinen Teil abreißt, – wobei man sich fast schon biblisch beseelt fühlt.

Außerdem wurden alle Zutaten, aus denen die Gerichte bestehen, geteilt. Also gespendet. Genau wie die Arbeitszeit der Köchinnen und Köche, der Servicekräfte und des Gärtnerpaars. Wein kommt etwa vom Pfälzer Weingut Meßmer. Bernhard Meßmer läuft eine Runde nach der anderen, schenkt Gläser aus und erklärt. Der Weinhändler ist Sommelier und Kellner, die Gärtnerin, Raluca Egger, macht den Wasserservice, die Auszubildende, die sich Caspar Plautz und Boerding teilen, verschenkt ihren freien Sonntag.

Sie servieren Risotto mit grünem Spargel und Erdbeeren oder Kartoffel mit Onsen-Ei und grüner Soße. Natürlich kommen alle pflanzlichen Zutaten hier aus dem Garten. Vor allem die Raviloi, gefüllt mit Ricotta an Erbsen, stehen sinnbildlich für das Menü. Es zeigt, dass Nachhaltigkeit und Genuss eigentlich sowas wie Nachbarn sind. Das Gemüse hing morgens noch an der Pflanze. Und das schmeckt man. Manchmal gerät das in Vergessenheit: Wie Gemüse schmecken kann, wenn es sich Zeit lassen darf, zum Wachsen, wenn es frisch ist und alles bekommen hat, was es braucht.

Und wie man so vor sich hinkaut und sich wiegen lässt zwischen Zitrone, Erbse, Klee und Ricotta, wirken die großen Veränderungen, die ständig und überall beschworen werden, gar nicht mehr so unendlich weit weg. Da draußen blühen Lösungen. Manchmal ergibt es eben Sinn, ein Problem bis zur Wurzel zu verfolgen. Und die stecken hier in der Microfarm im Boden. Dann gerät man ins Träumen: Was wäre, wenn sich mehr Landwirte ein Herz fassen und ihre Betriebe umstellen würden, wenn mehr Menschen den Wert dieser Arbeit erkennen würden und sie unterstützten, was wäre, wenn Veränderung am Ende gar nicht beängstigend, sondern so köstlich wäre, wie diese Erbsen? Dann schaut man Johannes Egger an, der glücklich kaut und es keimt fast so etwas wie Hoffnung auf.


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Moritz Hackl
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