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Weg zum Gipfel: Das Erfolgsgeheimnis japanischer Whiskys

Die Geschichte des japanischen Whiskys ist gerade einmal 100 Jahre alt, und dennoch erzählt sie von vielen Höhen und Tiefen. Fakt ist auch: Kaum eine Spirituose ist derzeit so gefragt und gleichzeitig so rar wie Whisky aus Japan. Höchste Zeit für eine Suche nach dem Erfolgsgeheimnis des flüssigen Goldes vom anderen Ende der Welt.

Eine jahrhundertealte Historie ist etwas Wunderbares, und im Falle des Whiskys streiten sich Schotten und Iren seit Langem voller Inbrunst darüber, wer ihn denn ursprünglich erfunden hat. Am anderen Ende der Welt, genauer in Japan, sind solche Diskussionen hingegen so relevant wie ein in Dufftown umgefallener Gerstensack. Hier brennt man erst seit etwas mehr als 100 Jahren Whisky und verfolgt damit eine ganz eigene Philosophie, die, mal mehr, mal weniger von der weltweiten Whisky­szene beachtet, nicht nur zu einem eigenen Stil geführt, sondern auch einige der besten Whiskys der Welt geboren hat. Betrachtet man die Wurzeln des japanischen Whisky-­Wunders, so erinnert es ein wenig an das erwachsen gewordene Kind, das von seinen Eltern zwar ein paar gute Tipps mit auf den Weg bekam, aber ansonsten das tat, wonach ihm der Sinn stand.

Tatsächlich lässt sich alles mit zwei Namen verbinden: Shinjiro Torij und Masataka Taketsuru. Letzterer, Sohn einer Familie von Sake-Brauern, reiste 1918 nach Schottland, um dort Chemie zu studieren, lernte dort aber vor allem seine zukünftige Frau Rita sowie – durch eine Ausbildung bei der Hazelburn-Destillerie – die Kunst des Whiskybrennens kennen und lieben. Beides, Frau und Whisky, nahm er schließlich mit in seine Heimat, wo er zusammen mit dem Weinimporteur Shinjiro Torij wenig später in Kotobukiya mit der Yamazaki-Brennerei die erste Whisky-­Destille des Landes eröffnete. Es sollte nicht die letzte Brennereigründung der beiden gewesen sein, zumal sich Taketsuru 1934 mit der Nikka-Brennerei auf eigene Pfade begab. So haben die bis heute bedeutendsten japanischen Whiskybrennereien gemeinsame Eltern – die ihr Wissen wiederum aus Schottland importierten.

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So nah und doch so fern

Somit startete man mit einem soliden Grundwissen, und obwohl Schottland und Japan über 9.000 Kilometer voneinander entfernt sind, gab und gibt es erstaunliche klimatische und topografische Überschneidungen, die der Whiskyproduktion nach schottischem Vorbild mitunter recht zuträglich sind. Vor allem im Norden des Landes, nahe der Stadt Yoichi auf der Insel Hokkaido, finden sich große Landstriche, die mit ihren Torfmooren, Bergen und kühlen Bächen den schottischen Highlands recht nahekommen, wenngleich die Temperaturschwankungen hier größer ausfallen, was sich wiederum auf die Reifung des Destillats auswirkt. Auch ist der japanische Torf weniger intensiv als schottischer. Freilich haben sich nicht alle Brennereien in den japanischen Highlands niedergelassen, und so lassen sich spannende terroir­spezifische Unterschiede ausmachen. So bringt die zentral gelegene Region Chubu Whiskys von großer Eleganz und Ausgewogenheit hervor (z. B. Hakushu und Chita), während auf Kyushu, der südlichsten der vier Hauptinseln Japans, die für ihr mildes Klima und vulkanische Aktivität bekannt ist, eher würzig-fruchtige Aromaprofile (z. B. Kanosuke) vorherrschen.

Ein zentrales Thema, das den japanischen Whisky vom schottischen unterscheidet, ist auch das des Wassers. Dieses ist in Japan allgemein recht weich, da Japans Gesteine größtenteils vulkanischen Ursprungs sind und wenig Mineralien abgeben. Auch die große Niederschlagsmenge trägt zu einem weicheren Wasser bei. Das alles schlägt sich in einer gewissen Sanftheit und Subtilität japanischer Whiskys nieder, die zudem von einer Brennkunst geprägt sind, die man getrost als perfektionistisch bezeichnen kann. Im Herstellungsverfahren ähneln sich Schotten und Japaner freilich sehr stark, doch his­­­­torisch gesehen waren japanische Whiskys in der Regel Blends, weshalb die Kunst des Blendings hier bis zur Perfektion kultiviert wurde. Anders als in Europa, wo der Master Distiller der wichtigste Mensch in einer Brennerei ist, steht diese Rolle in Japan folgerichtig dem Master Blender zu, der sich hier, ebenfalls anders als in Europa, bei der Auswahl der Whiskys im Wesentlichen auf das Kombinieren konzerneigener Destillate beschränkt. Große Unternehmen mit mehreren Brennereien, wie z. B. Suntory, haben daher einen Vorteil, da sie aufgrund einer größeren Auswahl kom­plexere Blends kreieren können.

Der Weg nach oben

Dennoch dauerte es eine ganze Zeit, bis die japanischen Whiskys den Status erreichten, den sie heute haben. Den ersten internationalen Durchbruch schafften sie erst 2007, als bei den World Whisky Awards der Nikka Taketsuru Pure Malt 21 YO als weltbester Blended Malt ausgezeichnet wurde, was viele Whiskyfans weltweit aufhorchen ließ. Und

als der Yamazaki Sherry Cask 2013 in Jim Murrays Whisky Bible 2015 als bester Single Malt der Welt angepriesen wurde, löste das einen Run auf die Liquids japanischer Brennereien aus, der auch die Hersteller selbst völlig überrumpelte. Viele Produzenten konnten die plötzliche Nachfrage aus dem Ausland nicht bedienen, was die Preise in die Höhe trieb.

Rar und teuer

Einige Brennereien begannen daher, zugekaufte Whiskys aus dem Ausland in den eigenen Blends zu verarbeiten, die eine Zeit lang als japanischer Whisky verkauft werden durften. Doch damit ist jetzt erst einmal Schluss: Seit April 2021 muss japanischer Whisky, der sich so bezeichnen will, auch aus Japan stammen. Am 31. März endete die Übergangsfrist. Kaufen sie japanischen Whisky, so können Kunden ab sofort sicher sein, dass er auch zu 100 Prozent von dort stammt.

Das dürfte die Verfügbarkeit von Whiskys aus Japan auf absehbare Zeit nicht verbessern, was diese für Sammler und Spekulanten weiterhin hochattraktiv macht. Eine der teuersten Einzelflaschen japanischen Whiskys, die bisher gehandelt wurde, war ein 55 Jahre alter Single Malt von Yamazaki, der gute 800.000 US-Dollar einbrachte. Ende Januar wurde in Wien der bis dato älteste Single Malt aus Japan vorgestellt, der Shirakawa 1958. Eine der 1.500 verfügbaren Flaschen bekommt man für moderate 32.900 Euro. Zumindest, bis die Sammler wieder zugeschlagen haben.

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Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2024

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Alexander Thürer
Alexander Thürer
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