Der Rebstock gedeiht in Luxemburg schon seit Jahrhunderten.

Der Rebstock gedeiht in Luxemburg schon seit Jahrhunderten.
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Weinbau in Luxemburg

Selbst viele Weinkenner können es kaum glauben, dass das Großherzogtum am Oberlauf der Mosel ein Weinbauland ist. Der jüngste Spitzenjahrgang 2018 zeigt: Die Erderwärmung spielt den Winzern in die Karten.

Schengen, das kleine Städtchen am Schnittpunkt von Luxemburg, Frankreich und Deutschland, steht sinnbildlich für die Reisefreiheit im vereinten Europa. Doch während der Coronakrise wurden selbst hier die Schlagbäume wieder aufgebaut. Und der deutsche Zoll habe wirklich jeden einzelnen Grenzgänger kon­trolliert, berichtet der Schengener Winzer Henri Ruppert. Frankreich habe das laxer gehandhabt: »Ich bewirtschafte acht Hek­­tar auf der französischen Seite der Grenze. Zwar musste ich jede Menge Papiere ausfüllen und bei mir tragen, doch kontrol­liert wurden die kein einziges Mal.«

Europa bleibt eben auch in der Krise Europa mit all seinen kleinen Unterschieden, die das Gebilde liebenswert machen. Das wissen die Luxemburger, die im Herzen des Kontinents leben und nach allen Seiten hin Bande geknüpft haben, am allerbesten.

Eine europäische Melange

Beim Wein zeigt sich beispielhaft, wie das Großherzogtum verschiedenste Einflüsse zu integrieren versteht. Das gilt nicht nur bei der Vermarktung. Denn wenngleich die Luxemburger fleißige Weintrinker sind – ihr Pro-Kopf-Verbrauch beträgt 54 Liter pro Kopf, mehr als doppelt so viel wie hierzulande –, so helfen doch auch deutsche, französische und belgische Nachbarn mit, den Ertrag von 1300 Hektar auszutrinken. Vor allem sind die Luxemburger aber beim Weinstil und der Wein-Gesetz­gebung multinational aufgestellt. So teilen sie Riesling und Rivaner mit den deutschen Nachbarn, die Burgundersorten mit den französischen. Beim Geschmack erweisen sich die Luxemburger als echte Moselaner mit einem süßen Zahn, viele Weine sind eher feinherb als trocken.

Grand Premier Cru

Die Auszeichnung der besten Einzellagen als »Grand Premier Cru« wiederum folgt dem frankophilen Muster, wobei allerdings in der Doppelung der Prädikate »Grand« und »Premier« auch eine Spur Italien anklingt (wo die  DOCG »kontrolliert und garantiert« ist). Und fährt man im Sommer durch die minutiös gepflegten Weinberge, dann offenbart sich zu guter Letzt noch eine Prise Schweiz.

Im Klimavorteil

Dabei hatte es der Luxemburger Weinbau schwer, sich zu entfalten. In den letzten 200 Jahren traten häufig Frostjahre auf, halbe Ernten waren keine Seltenheit. Doch seit sich das Klima des Planeten zu erwärmen beginnt, fühlen sich die Reben in Luxemburg immer wohler. Frühreife Sorten wie der Rivaner werden mehr und mehr durch Burgundersorten ersetzt. In der Falstaff-Verkostung, überwiegend mit 2018er-Weinen, schafften es sogar zwei Pinot Noir in die Top Ten.

»2018 war außergewöhnlich«, sagt Pinot-Experte Raymond Berna, »ein früher Sommer und lang anhaltend ­gutes Wetter.« Henri Ruppert brillierte mit einem 2015er aus einem Weinberg, den er mit einer Pinot-Noir-Massenselektion aus Burgund bepflanzt hat. »Ma Tâche« nennt er diesen Spitzenburgunder, »meine Mühsal«, eine augenzwinkernde Variation zum Romanée-Conti-Monopol »La Tâche«.

L & R KOX: Le Rouge D'Été
Foto beigestellt
L & R KOX: Le Rouge D'Été

Weiß- und Grauburgunder

Auch mit Weiß- und Grauburgunder punkten die Luxemburger Winzer. Auf den Muschelkalk- und Keuper-Böden des oberen Moseltals (wo es keinen Schiefer gibt) verbinden sich Kraft und Frische. Luxemburger Chardonnay scheint sich zu einem Geheimtipp zu entwickeln, nur dezent vom Holzfass beeinflusst wie bei den Caves Krier oder mit gekonntem Barriqueausbau wie bei Abi Duhr und auf der Domaine Desom.

Aber auch die traditionellen Sorten haben noch ihre Anhänger – und ihre Meriten. Laurent Kox aus Remich hat ein besonderes Auge auf den Elbling, den ­er im Stil früherer Jahrhunderte als »Rhäifrensch« bezeichnet. »Wir müssen aufpassen, dass wir die alten Elbling-Anlagen retten«, sagt Kox – und wirbt für den Elbling, indem er ihn zu einem richtig erwachsenen Wein keltert. Mit den Füßen gestampft und dadurch ohne jede vegetale Note, ist Kox’ Rhäifrensch weit entfernt von ­jenen dünnen Säuerlingen, die die Sorte in Verruf gebracht haben.

Desom: Brut Millésimé; Crémant de Luxembourg
Foto beigestellt
Desom: Brut Millésimé; Crémant de Luxembourg

Genossenschaft Vinsmoselle

Alte Reben sind auch ein Thema in der Genossenschaft Vinsmoselle, der mehr als 200 Winzer angehören. »Vor vier Jahren haben wir angefangen, eine Vieilles-Vignes-Serie zu produzieren«, erzählt Harald Beck, der in der Kooperative als Weinbauberater tätig ist. Beck verbringt viel Zeit im Weinberg, um mit den Winzern qualitätssteigernde Maßnahmen zu besprechen. Der ­Erfolg ist überzeugend, wie etwa der Alte-Reben-Auxerrois zeigt. »40 Jahre alte Reben, selektiv gelesen, das bringt Weine mit Potenzial.« Der Auxerrois reife nämlich ausgezeichnet, sagt der Deutsche Beck, er habe im deutschsprachigen Raum allerdings ein Ausspracheproblem. »Man muss immer erklären: Es heißt Ocksser-ro-a.«

Einen wunderbar klassischen, kulinarisch vielseitigen Auxerrois erzeugt auch die Domaine Gales. Auf die Frage, ob dieser seltene Spross aus der Burgunderfamilie nicht etwas aus der Mode gekommen sei, fühlt man selbst durch die Telefonleitung hindurch die Entrüstung bei Isabelle Gales: »Aus der Mode? Nein! Unterschätzt wird er!« Wie der Luxemburger Wein insgesamt, fügt die junge Frau an.

Jede Wette, dass sich das schon sehr bald ändern wird.

Erschienen in
Falstaff Nr. 04/2020

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Ulrich Sautter
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