Helles Lagerbier, wie es heute in jedem Wirtshaus aus dem Zapfhahn sprudelt, gibt es erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Von Tschechien aus eroberte die neue Brautechnik die Welt.

Helles Lagerbier, wie es heute in jedem Wirtshaus aus dem Zapfhahn sprudelt, gibt es erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Von Tschechien aus eroberte die neue Brautechnik die Welt.
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Wie das Blonde Bier die Welt eroberte: Vom Wiener Lager bis zum Münchner Hellen

Klassische helle Lagerbiere sind beliebt wie nie. Sie glänzen nicht mit Intensität, sondern mit großer Trinkbarkeit und dürfen somit an keinem Wirtshaustisch fehlen. Zu verdanken haben wir sie einem weit gereisten Österreicher und einem Bayern in Tschechien, die Mitte des 19. Jahrhunderts die Brautechnik revolutionierten.

Das Bier ist die Visitenkarte eines Wirtes. Frisch muss es sein, kühl und natürlich blond – so hat es sich eingebürgert. Das hellgoldene Bier, das heute aus praktisch jedem Zapfhahn sprudelt, hat eine relativ junge Geschichte, und ihren Ursprung hat diese in Österreich. Der junge Bierbrauer Anton Dreher unternahm viele Studienreisen – etwa nach Bayern, wo er seine Lehre absolvierte. Schicksalshaft aber war sein Aufenthalt 1833 in England und Schottland, denn dort lernte er eine neue Technologie für das Darren von hellem Malz kennen. Das Darren, also die Trocknung von ausgetriebenem, feuchtem Getreide während des Malzens, wurde damals in unseren Breiten meist über offenem Feuer vollzogen. Dementsprechend war Bier zu dieser Zeit praktisch immer dunkel in der Farbe und besaß mehr oder weniger ausgeprägte Raucharomen. Blonde Lagerbiere, also helle untergärige Biere wie Pils, Export oder Helles gab es noch nicht. Dreher versuchte sich zunächst mit dem neuartigen, hellen Malz, das er in England kennenlernte und mit dem er das ganze Jahr über obergä­rige Pale-Ale-artige Biere bei warmen Temperaturen herstellen konnte. Untergärige Biere ließen sich nur in den kühlen Wintermonaten brauen.

In der Brausaison 1836–1837 kam dem jungen Braumeister jedoch untergärige Hefe aus seinem Münchner Lehrbetrieb, der Spaten-Brauerei, in die Hand. Kurzerhand vermählte er sein Wissen, um die Vorzüge kalter Gärführung aus Bayern mit hellem Braumalz nach Vorbild der Briten in seiner Brauerei in Schwechat. Mit dem so hergestellten – verhältnismäßig hellen – untergärigen »Wiener Lager« landete er einen Volltreffer. Da er das Bier einige Monate im Keller einlagerte, nannte er es Lagerbier, auch wenn es im Vergleich zu den heutigen hellen Lagerbieren immer noch eher dunkel, respektive bernsteinfarben daherkam. Während das »Wiener Malz« nach Drehers Vorbild bis heute in Brauereien weltweit für amberfarbene Biere zum Einsatz kommt, ist sein »Wiener Lager« trotz großen Erfolgs schnell wieder von der Bildfläche verschwunden. Österreichische Auswanderer bewahrten den Bierstil »Wiener Lager« aber in Südamerika, bis ihn die Craft-Beer-Bewegung in den USA wieder­entdeckte. Auf diesem Weg fand das »Wiener Lager« via Kleinbrauereien wieder den Weg nach Hause. Das aber ist eine andere Geschichte.

In der »Stiegl-Brauwelt« in Salzburg lässt sich Bierkultur hautnah erleben. Gleich drei verschiedene Restaurants betreibt das Unternehmen.
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In der »Stiegl-Brauwelt« in Salzburg lässt sich Bierkultur hautnah erleben. Gleich drei verschiedene Restaurants betreibt das Unternehmen.

Anton Dreher hatte mit seinem »Wiener Lager« einen Coup gelandet. Die Legende besagt, dass er 1841 einige ausgewählte­­ ­­­Wiener Wirte mit seinem »Lagerbier« belieferte und damit für ein »veritables Volksfest« sorgte. Das Jahr danach, 1842, wurde zu einem Schlüsseljahr für das helle Lagerbier und letztlich auch für Drehers Geschäft. Der bayerische Braumeister Joseph Groll war damals auf wichtiger Mission in Tschechien. Die Bürger der Stadt Pilsen waren mit der Bierqualität ihrer Brauerei derart unzufrieden, dass man den deutschen Experten ins Land holte, um dies zu ändern.

Groll vereinte also sein ganzes Wissen und braute am 5. Oktober 1842 das erste »Pilsner Bier«. Er kombinierte helles Pilsner Malz mit untergäriger Hefe und kalter Gärführung, um das erste wirklich goldfarbene Lagerbier der Geschichte herzustellen. Rund fünf Wochen nach dem ersten Sud wurde das erste Fass angestochen – ein großer Erfolg. Bis Grolls Verfahren sich aber flächendeckend durchsetzte, vergingen noch einige Jahre, denn die kalte Gärführung war damals nur in den kalten Wintermonaten möglich. Erst als Carl Linde 1873 die Kältemaschine erfand, war die Grundlage für die ganzjährige Produktion da.

Inbegriff des Lagers

Grolls Bier ist übrigens auch heute noch als »Pilsner Urquell« auf dem Markt, andere legendäre tschechische Brauereien entstanden um die Jahrhundertwende. Etwa die Brauerei »Budvar« in Budweis, die seit 1895 in Betrieb ist und trotz ihres Wachstums noch heute ihr Bier nach althergebrachten Methoden herstellt – etwa mit einer monatelangen Lagerung in zwei Grad kalten Bierkellern auf dem Brauereiareal. Legendär ist es auch dank der Gastronomie – etwa dem »Schweizerhaus« in Wien, wo es mit großer Schaumkrone gezapft wird.

Der Inbegriff eines hellen Lagerbieres ist das Münchner Helle. Dieses wurde 1894 von der Münchner Spaten-Brauerei eingeführt – und zwar als Antwort auf die erfolgreichen böhmischen Lagerbiere und auf erste Brauereien, die in Norddeutschland helle Biere nach diesem Vorbild brauten. Und genau dort wurde das neue »Helle« zuerst auch vermarktet. Denn die Münchnerinnen und Münchner waren Anfangs noch skeptisch. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts setzte sich das »Helle« durch – und in den letzten Jahren ist sein Marktanteil im ganzen deutschsprachigen Raum stark gewachsen. Auch wenn die nah verwandte Sorte »Pils« mit einem Marktanteil von etwa 50 Prozent in Deutschland weiterhin unangefochten auf Platz eins in der Beliebtheit steht. Mit Abstand wichtigster Hersteller des Münchner Hellen ist die »Augustiner-Brauerei« , die ähnlich wie die tschechische Staatsbraurei in »Budvar« bis heute nach traditionellen, althergebrachten Methoden arbeitet. Und auch in Österreich schreiten der Marktanteil sowie die Produktauswahl beim Hellen munter voran. Und das nicht nur, aber sicher auch dank seiner Beliebtheit in den Wirtshäusern.

Erlebnis Wirtshausbrauerei

Die Wirtshäuser und die Brauereien sind seit jeher eng verbunden – nicht wenige Brauereien betreiben ihre eigenen Gaststätten. Die Münchner »Augustiner«-Brauerei etwa betreibt mehr als 60 Restaurants – seit 2021 beispielsweise auch das »Gasthaus zu den 3 Hacken« in Wien. Auch die Salzburger »Stiegl«-Brauerei betreibt Gastronomie – darunter das »Braustüberl« in einem ehemaligen Gärkeller von 1863: Hier trifft österreichische Hausmannskost auf die Bierspezialitäten des Hauses. Ebenfalls in Salzburg finden sich die legendären Lokale »Augustiner Bräu Kloster Mülln« der gleichnamigen Brauerei sowie »Die Weisse« der ältesten Weißbierbrauerei Österreichs. Das alte Konzept gibt es auch in moderner Anmutung: Sogenannte Brewpubs findet man heute in vielen Städten der Welt. Der Klassiker in Wien: Die »1516 Brewing Company«, die in Auftritt und Angebot stark an die Craft-Beer-Szene der USA erinnert.

 

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Benjamin Herzog
Benjamin Herzog
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Von Redaktion