Der Traum, Trattorias außerhalb von Italien zu eröffnen, wurde für Victor Lugger und Tigrane Seydoux wahr.
© Jérôme Galland
von Nicola Afchar-Negad
20. November 2022
Als diesen Sommer das »Cocodrillo« in Berlin und die »Giorgia Trattoria« in München die ersten Tischreservierungen entgegennahmen, war der mediale Applaus groß. Von Influencer:innen bis zu alt gedienten Gastrokritiker:innen – keiner ignoriert das Phänomen »Big Mamma Group«. Alleine auf Instagram ergötzen sich weit über 300.000 Menschen an dem opulenten Geschehen – und wenn es nur das Einschneiden einer 250 Gramm Burrata ist. Das reicht schon!
Das Konzept der »Mamma«-Söhnchen: zwei Franzosen nehmen sich der tpyisch italienischen Trattoria an und exportieren diese – optisch bewusst überladen – nach Frankreich, Großbritannien und jetzt eben auch Deutschland. Mit im Gepäck: 180 italienische Produzent:innen und 2.000 Mitstreiter:innen – ein Großteil davon aus Bella Italia. Ein cleverer Schachzug der Gründer Tigrane Seydoux und Victor Lugger. Seydoux philosophiert im Interview mit PROFI über Maxime und Maximalismus.
PROFI: Derzeit scheint in der Branche nichts ohne Storytelling zu gehen. Welche Geschichte erzählen die Restaurants der »Big Mamma Group«?
Tigrane Seydoux: Ich bin kein großer Fan des Begriffs »Storytelling«. Wir ziehen es vor, von unserem Abenteuer zu erzählen, das mit monatelangen Reisen durch Italien begann. Vom Traum, Trattorias außerhalb von Italien zu eröffnen – etwas anders als gewohnt, aber mit authentischen Speisen. Wir haben Produkte aus dem ganzen Land zusammengetragen, von Emilia bis Puglia. Wir beziehen heute Produkte von 180 kleinen Produzent:innen, die alle zu unseren Freund:innen wurden. Unsere Geschichte besteht aus beeindruckenden Begegnungen mit Produzent:innen, Köch:innen und Kellner:innen. Es ist die Geschichte von Menschen, genauer gesagt 2.000 Menschen.
Das erste Restaurant der »Big Mamma Group« eröffnete 2015 in Paris. Man hat das Gefühl, es war hip und bleibt hip. Wie schaffen Sie das?
Wir arbeiten daran, unsere Kund:innen kontinuierlich zu verführen – indem wir uns erneuern und die Dinge konstant überdenken. Vergleichen Sie es mit Dating: Sie werden sich Ihr Outfit genau überlegen – und zwar jedes Mal aufs Neue, um Ihr Gegenüber zu überraschen. Seit dem ersten Tag haben wir jeder Kleinigkeit die nötige Aufmerksamkeit geschenkt. Unser Ziel: Die Menschen sollen in unseren Trattorias die beste Zeit ihres Tages verbringen. Zusammengefasst: es geht um Leidenschaft und darum, sich Mühe zu geben!
»Unser Ziel ist es, dass die Menschen in unseren Trattorias die beste Zeit ihres Tages verbringen.«
Tigrane Seydoux, Big Mamma-Mitgründer
Jeder mediale Bericht über ein neues Restaurant der Gruppe bespricht zuerst das Design, oft heißt es, die Trattorias werden für die Generation Instagram kuratiert. Stört Sie das nicht?
Natürlich sind die Produkte und das Essen das Wichtigste, aber das Design ist ein enormer Mehrwert. Uns geht es darum, die Gäste gefühlsmäßig nach Italien zu versetzen und das ist eine 360 Grad Mission. Das Design hatte daher von Anfang an einen großen Anteil an unseren Projekten.
Sie arbeiten mit einem eigenen – internen – Designstudio. Von Anfang an?
Nein, seit 2019. Wir haben recht schnell erkannt, dass wir ziemlich genaue Vorstellungen davon haben, was wir wollen. Unser »Studio Kiki« hat in diesen drei Jahren bereits 13 Trattorias umgesetzt. Das Team reist dafür quer durch Italien auf der Suche nach Antiquitäten und anderen Schätzen. Das »Cocodrillo«, unsere Berliner Trattoria, ist zum Beispiel eine Kombination aus großem Statement und kleinen Details. Sie finden 4.900 antiquarische Bücher, Vintage-Poster und ganz viel Rot! Rote Holzböden, Samtvorhänge und glänzende Tische. Nicht zu vergessen 500 Konvex-Spiegel im Stiegenabgang zu den Toiletten.
Inwieweit profitieren die deutschen Trattorias davon, Teil einer Kette zu sein?
Wir verwenden den Ausdruck »Kette« nicht, da all unsere Restaurants einzigartig sind. Jede Trattoria hat einen eigenen Namen und eine eigene Geschichte, eine spezielle Karte und ein unverwechselbares Design. Es war nicht nur für uns eine große Chance nach Deutschland zu kommen, sondern auch für einige unserer Mitarbeiter:innen und Produzent:innen.
Personalmangel ist ein gewaltiges Problem in der Branche, auch für »Big Mamma«?
Auch an uns geht das natürlich nicht spurlos vorbei! Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt aller unserer Projekte und ich denke, das ist auch die Antwort. Wir folgen dem Konzept der Meritokratie und möchten unserem Team die Chance geben, innerhalb des Unternehmens zu wachsen. Um zwei Zahlen zu nennen: ca. zehn Prozent der Beförderungen passieren intern und das durchschnittliche Alter der Mitarbeiter:innen ist 25.
»Vergleichen Sie es mit Dating: Sie werden sich Ihr Outfit genau überlegen – und zwar jedes Mal aufs Neue.«
Tigrane Seydoux, Big Mamma-Mitgründer
Welchen Rat würden Sie einem Start-up- Unternehmen in der Gastro geben?
Unter anderem: sich nie auf dem auszuruhen, was man erreicht hat – und alles immer wieder neu zu bewerten und anders zu betrachten.
Verraten Sie uns zu guter Letzt Ihr Lieblingsdessert?
Choco Clap Clap: Eine Tarte aus dunkler und Milch-Schokolade, Salzkaramell, Kaffee, einer crunchy Haselnuss-Praline und geschlagener Mascarpone-Creme. Das müssen Sie probieren, es ist nicht von dieser Welt!
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