Michael Silacci von »Opus One« im Napa Valley 

Michael Silacci von »Opus One« im Napa Valley 
© Wine+Partners

»Balance sticht Biodynamie«: Michael Silacci und die Feinmechanik von »Opus One«

Elf Jahrgänge »Opus One« wurden beim Vintage-Weinhändler »Trinkreif« verkostet – kommentiert vom langjährigen Leiter der Napa Valley-Ikone, Michael Silacci. Mit dem FALSTAFF sprach er über aktuelle Herausforderungen wie Weingarten-Brände, Wildhefen und das Fälscher-Unwesen.

Ein einziges Wort charakterisiert Michael Silaccis Herangehensweise in Weingarten und Keller: Erkenntnisinteresse. Wie viele Spitzenweingüter dieser Welt versucht auch der Chef bei »Opus One«, die letzten Qualitätsnuancen herauszukitzeln. Allerdings ist die Offenheit, mit der er die Experimente – von denen stets mehrere in Napa ablaufen – kommuniziert. Gut dreißig Minuten etwa erzählt der Kalifornier mit Tessiner Wurzeln von den Untersuchungen zum Einfluss von Wildhefen auf den ikonischen Wein, der aus einem Joint venture von Robert Mondavi und Philippe de Rothschild (»Château Mouton«) entstand. Profundes Wissen, gerne von handgezeichneten Skizzen spontan untermauert, paart sich aber mit Bescheidenheit: »Es gibt nicht den großen ›winemaker‹. Wir sind 45 Leute am Weingut und man braucht immer jemand, der einem seinen ›blinden Fleck‹ aufzeigt«.

Selbst in Sachen Management kann man noch etwas lernen, während der zweite Jahrgang des Weinguts, »Opus One« 1980, ins Glas kommt: »Ich mache gerne jedes Jahr eine neue Cuvée der Rebsorten, aber noch wichtiger ist der ›Blend‹ der Personen. Und da haben wir immer jemanden, der Spezielles besser kann als alle anderen. Das zeigt sich schon in unserem Kostraum, wo viele schöne Teppiche liegen. Klar fällt da ab und zu ein Rotweinglas um. Und die Flecken am weißen Teppich… – da sage ich immer: »Lasst es! Marina kommt«. Nachdem sie da war, sieht man nichts mehr – und das kann kein anderer. Das gilt aber auch für Logistik, Traubenpressung, Hefestämme usw. Daher habe ich unser Organigramm auf einen Ball geschrieben. Wenn man den aufpäppelt, steht immer ein anderer Name oben. Und genau so ist es im Betrieb!«

Warum Michael Silacci »biodynamische Prinzipien« wieder aufgab und warum es nur drei Arten von Weinen gibt, lesen Sie im großen Interview.


Falstaff: Die Wahrnehmung des kalifornischen Weinbaus in Österreich ist von extremer Polarisierung geprägt: Da gibt es billige Weine für den Supermarkt, dort die exklusiven Abfüllungen, die nur via Subskriptionsliste gehandelt werden? Warum tun sich die USA im Export einer Mittelklasse an Weinen so schwer?

Michael Silacci: Man muss dazu sagen, dass wir selbst ja nur zwei Weine machen. Die Gründer Robert Mondavi und Philippe de Rothschild wollten einen klassischen Blend aus Bordeaux-Rebsorten schaffen, den man mit seinen Freunden teilen kann. Und 85 bis 90% einer Ernte gehen bei uns bis heute in den »Opus One«. Das ist gegenüber anderen »wineries« eine am Kopf stehende Pyramide. Und vor allem erzeugt es mächtigen Druck auf das Winemaker-Team, wenn nahezu alles perfekt für diesen Wein sein muss. Das ist der Grund, weshalb es den »Overture« als Zweitwein gibt. Allerdings ist das ein»Multi-Vintage-Blend«, das heißt der Großteil des 2018er Jahrgangs stammt aus diesem Jahr, er enthält aber auch Chargen aus 2017 und ev. 2019 für mehr Frische. Generell ist es aber wichtig eine Art Abstufung zu haben. Wenn jemand am Anfang nicht viel verdient, tastet er sich auch im Weingeschmack anhand seines Budgets weiter.

Generell gibt es aus meiner Sicht nur drei Arten von Wein: Erstens die von einer Persönlichkeit geprägten, bei denen es fast egal ist, wo und mit welcher Rebsorte sie gemacht werden. Dann jene, die von ihrem Herkunftsort und der Zeit ihres Entstehens erzählen. Und dann jene, bei denen es um die konsistente Handschrift über die Jahre geht, also einen wiedererkennbaren Haus-Stil. Und das gilt für alle Preisklassen.

Mister Silacci, bei unserem letzten Gespräch haben wir die Versuchsweine gekostet, die mit isolierten Weingarten-Hefen vergoren wurden. Wie ging dieses faszinierende Experiment weiter?

Damals haben wir 80% des »Opus One« mit Wildhefen vergoren. Aber wir wollten wissen, was da genau in den Weingärten ist. Dafür hat die Mikrobiologin Anaïs Houette-Cassou um 5.30 Uhr früh (wir ernten immer von drei bis neun Uhr morgens) Proben gezogen und 50 Hefestämme gesammelt. Aufgrund von Zucker und flüchtiger Säure blieben 15 »stabile« über, mit sechs davon haben wir auch Wein gemacht. Echte Wildhefen, die wir »Wölfe« nannten, gab es zwei, zwei »Kojoten«, also Mischungen aus Hefen, waren dabei und eine kommerzielle Hefe von der Rhône. Als Dank heißt jetzt eine der wilden Hefen nach Anaïs »Chouette«, denn das Wortspiel mit ihren beiden Nachnamen bedeutet auf Französisch »Eule«. Und ein weiterer Forscher entdeckte eine Wildhefe an einem Eichenbaum, die ist nun das »Eichhörnchen«. Mittlerweile nutzen wir diese Wildhefen alle.

Das bedeutet natürlich auch, dass die Vergärung jedes Jahr bewusst ein wenig anders ausfällt?

Ja, aber es geht ja nicht um mich als Person, sondern um einen Wein, der von seiner Herkunft erzählt. Jedes Jahr ist wie ein Kapitel in einem Buch, das vom Jahrgang erzählt. 2010 oder 2011 waren etwa kühle Jahre in Kalifornien, 2007 recht warm. Der Jahrgang 2007 ist überhaupt ein gutes Beispiel. Wenn man ihn zuerst riecht, bringt er kühle, fast grüne Noten mit, die an die Stängel von Rosen erinnern. Schwenkt man das Glas, kommt üppige Frucht durch. Da haben wir ein Paradoxon im Glas: Ist das nun ein kühles oder ein heißes Jahr gewesen? Tatsächlich war es ein warmes, aber wir haben früher gelesen als viele Kollegen. Denn wir säuern den Wein auch nicht auf. Das sehen wir als Selbstverpflichtung – aber nur so kann der Wein auch von Ort und Zeit erzählen.

Bei aller Experimentierfreude reizte Sie die Biodynamie als Wirtschaftsweise nicht?

Als ich 2001 zu »Opus One« kam, wurden die Weingärten noch von Mondavi gemanaged. Beim Verkauf von Mondavi an »Constellation Brands« (2004) haben wir auch alle Verbindungen verloren. Die Ausgangssituation war also wie bei einem dieser Personen-Förderbänder am Flughafen: Wenn Du zu schnell gehst, wirst Du am Ende stolpern. Ich schaute also, dass wir ein eigenes Weingarten-Team fanden und überlegte, was uns in der Weingartenarbeit weiterbringen könnte, um das zu vermeiden. Bei einem Workshop in Virginia kam ich so mit der Biodynamie in Berührung. 35% unsrer Rebfläche haben wir dann so bewirtschaftet, um nach einigen Jahren die Ergebnisse zu sehen. Wir haben dadurch etwa gelernt, dass wir kein chemisches Mittel gegen Mehltau mehr brauchen. Für mich persönlich übertrumpft aber die Balance eines Weines die Biodynamie als Methode. Der Fokus auf die Pflanze bewirkt, dass es mehr um Stärke und Wachstum geht, nicht um die ideale Frucht. Wir gingen dann den eher unkonventionellen Schritt von biodynamischem Weinbau zur biologischen Wirtschaftsweise.

Dem eher wissenschaftlichem Einfluss auf die Weingarten-Arbeit stehen dogmatische und esoterisch argumentierende Verfechter des »Naturweins« gegenüber. Wie werden diese beiden Denkrichtungen die Zukunft des Weinbaus prägen?

Meine sehr persönliche Meinung dazu ist, dass es schon gelingen kann, dass man guten Wein erhält, wenn man alles dem Zufall überlässt. Was aber tust Du dann bei Problemen? Was hilft bei Hitze oder Nässe im Weingarten, wenn die Bakterien kommen? Das sind die Fragen, die sich jeder Winzer stellen muss. Bei den Konsumenten wiederum herrscht Offenheit für z. B. »Orange Wines«. Das ist auch gut, denn von diesem Einstieg können wir Einsteiger dann sowohl in Richtung Weißwein, aber auch beim Rotwein – etwa mit einem schönen Pinot Noir – zeigen, was die klassische Weinwelt noch bereithält.

Der kalifornische Weinbau, speziell die Spitzenweine, lebt von den Trauben alter Einzellagen – wie kommen diese mit dem Klimawandel zurecht?

Als ich nach meinem Abschluss in Bordeaux nach Amerika zurückkam, hatten wir einen extrem feuchten Jahrgang. Doch in Kalifornien gab es immer auch Perioden mit Dürre, etwa 1976 und 1977. Ja, die Durchschnittstemperatur ist in den 2000er Jahren gestiegen, doch die kühlen Nächte – wir sprechen von acht oder neun Grad – sind uns erhalten geblieben. Schwieriger ist das mit den Feuerkatastrophen. Die Natur ist dafür bereit, aber ausgelöst werden sie meist vom Menschen. 2017 hatten wir zum Glück früh mit der Lese begonnen und 91% schon im Keller, ehe der Rauch kam. 2020 war das leider anders: Wir schauten auf wunderbar reife Trauben und durften sie nicht pflücken, weil sie dem Rauch ausgesetzt waren. Da fühlst Du Dich wie mit dem verführerischen Apfel der Erkenntnis in Garten Eden!

Aber selbst hier haben wir gelernt. Einige Chargen wurden vinifiziert und alle Parameter gemessen. Seither wissen wir, dass Petit Verdot den »smoke taint«, die Verrauchung, ganz schlecht wegsteckt. Für die Zukunft heißt das also, eher Cabernet Sauvignon zu setzen. Und genau diese Frage beschäftigt uns: Was können wir pflanzen, damit diese Reben auch das Ende des Jahrhunderts noch erleben. Für uns sind das ganz sicher die klassischen Bordeaux-Sorten. Aber wir überlegen uns sehr, nach welcher Himmelsrichtung wir die Rebstöcke ausrichten, welche Pflanzendichte wir nehmen und wie sich die Reben gegenseitig beschatten können.

Das Umweltbewusstsein von Winzern geht ja über die Natur hinaus. Speziell die angelsächsische Community kritisiert etwa hohes Flaschen-Gewicht und damit verbundene Kohlendioxid-Belastung. Wie geht man damit bei »Opus One« um?

Entscheidend ist zunächst immer, was in der Flasche ist. Bei einem Sportwagen kommt es nicht auf die Motorhaube an, sondern die echte Leistung. Aber ich kann diese Flaschen auch nicht leiden, wo man am Ende bei der leeren Bouteille immer noch glaubt, es ist die volle. Unsere eigenen Flaschen waren aber nie die schwersten und wir versuchen hier vor allem nach dem Motto »Re-use statt Recycling« aktiv zu sein. Allein, was sich bei unseren Verkostungen in Napa an Leergut ansammelt! Da haben wir eine Lösung, die uns hilft, die Etiketten sauber zu entfernen und diese Flaschen verwenden wir weiter.

Aber man muss auch immer das Ganze sehen. So haben wir die Flaschen analysiert, die wir aus Frankreich beziehen. Die werden nahe am Hafen erzeugt, haben also einen kurzen Weg aufs Dock. Verglichen dazu wäre die Alternative aus den USA sogar mit einem höheren CO2-Fußabdruck versehen.

Apropos Flaschen: Gesuchte Weine wie »Opus One« werden natürlich auch Opfer von Fälschungen. Gehören Sie zu jenen, die von Sommeliers das Zertrümmern der Flaschen aus Angst vor Falsifikaten verlangen?

Nein, aber wir haben da etliche Methoden, die wir über die Jahre entwickelt haben. Den Chip am Rücketikett etwa haben wir seit dem Jahrgang 2004. Dann kam die Frage auf, wie man verhindert, dass der auf eine falsche Flasche übertragen wird. Also bricht er nun, wenn man das Label entfernt. Dazu kommt eine Tinte eines Schweizer Spezialisten, der auch Banknoten-Druckereien beliefert, die fluoresziert. Das hat aber alles einige Jahre gedauert und man erlebt immer noch Überraschungen.

Letztens rief ein vermeintlich sehr aufgebrachter Kunde aus China an und meinte, er habe in seinem Bestand 17-mal die gleiche Seriennummer. Ich habe dann angeboten, dass er uns eine dieser Flaschen zusendet und wir ihm eine neue. Das wollte er nicht. Auch den Besuch unseres Vertreters in China für den Austausch lehnte er ab – indem er aufgelegt hat. In Wahrheit geht es also für die Fälscher oft darum, unsere Sicherheitsmaßnahmen zu kennen.

Früher war deren Geschäft ja oft einfacher. Da saß ich dann z. B. bei einer Verkostung, um die Echtheit zu prüfen und auf der Flaschenkapsel war bereits klar »Rothschild« mit »X« zu lesen. Und einen »Roxchild« haben wir nie produziert (lacht)!

Roland Graf
Autor
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