Uriges Ambiente, Wiener Charme und altbewährte Rezepte mit Tradition sind das Erfolgsgeheimnis im »Gasthaus Wolf« im 4. Bezirk.

Uriges Ambiente, Wiener Charme und altbewährte Rezepte mit Tradition sind das Erfolgsgeheimnis im »Gasthaus Wolf« im 4. Bezirk.
 © Toni Golatsche

Beisl-Renaissance: Wie Wiens Gasthäuser sich neu erfinden

Es ist noch nicht lange her, da schien das Ende der traditionellen Wiener Beislkultur nah. Doch die Liebe zu den urigen Stadtgasthäusern ist jüngst neu entflammt – dank geschickter Innovationen und Mut zur Nostalgie.

Der Holzboden knarrt, genauso wie die Holzvertäfelung an den Wänden, wenn man sich nach einem genüsslichen Schluck aus dem frisch gezapften Krügerl dagegenlehnt. Der Wein für den Spritzer kommt aus dem Schank­kasten, auf dem Teller ein in Ausmaß, Zusammenstellung und überhaupt jeder Hinsicht üppiges Mahl.

Spurensuche

Was den Briten ihre Pubs und den Franzosen die Bistros, sind den Wienern ihre Beisln. Und das schon seit geraumer Zeit. Erwähnt wurde eines der ältesten Exemplare der Stadt zum ersten Mal, da kannten die Europäer den amerikanischen Kontinent noch nicht: Das heute unter dem Namen »Griechenbeisl« firmierende Wirtshaus am Fleischmarkt taucht schon auf Aufzeichnungen aus dem Jahr 1447 zum ersten Mal als Gastwirtschaft auf. Bis es zum »Beisl« wurde, vergingen allerdings noch einige Jahre.

Das Wort dürfte vom Jiddischen bajiss für Haus, oder auch vom böhmischen pajzl für Kneipe oder Spelunke abstammen, wobei gerade Zweiteres einst für die treffenderen Synonyme stand. Das Beisl war der Gegenentwurf zu jenen Etablissements, in denen die betuchte Bevölkerung ihre Mahlzeiten außer Haus einnahm, schummrig war es, einfach und erdig. Im besten Fall trifft all das heute noch zu, und damit erklärt sich auch die neue Liebe zu der vor nicht allzu langer Zeit schon im Untergehen geglaubten Wiener Institution. Schließlich gelten Attribute wie »retro« und »oldschool« jüngst wieder als erstrebenswert, in Bezug auf die Beisln sind sie so deskriptiv wie zutreffend. Die Beisl-Renaissance verdanken die Wiener deshalb auch einigen beherzten Gastronomen, die sich mit dem richtigen Maß an Sturheit und Nostalgie den zeitgenössischen Trends verweigern. Oder das Kunststück schaffen, beides unter einen Hut zu bringen. Denn einige Exemplare in der Stadt haben eine Frischzellenkur hinter sich, die eindrucksvoll zeigt, wie man die Kombination aus Moderne und Zeitgeist in ein stimmiges Gastro-Konzept übersetzt.

Bei »Pramerl & The Wolf« genießt man ideenreiche Kulinarik in ungezwungener Atmosphäre. Das legere, gemütliche Ambiente überzeugt.
© katsey photography
Bei »Pramerl & The Wolf« genießt man ideenreiche Kulinarik in ungezwungener Atmosphäre. Das legere, gemütliche Ambiente überzeugt.

Das Beste aus beiden Welten

Leuchtendes Beispiel für die behutsame Modernisierung eines Wiener Urgesteins ist das »Reznicek« im 9. Bezirk. Simon Schubert und Julian Lechner sind aus der High-End-Gastronomie ausgestiegen, dass sie in »Mraz & Sohn« und »aend«, beide mit Fug und Recht auf jeder Bestenliste der Stadt zu finden, gewerkt haben, merkt man sowohl Speise- wie auch Weinkarte, aber im besten Sinne an. Die Einrichtung des fast 100-jährigen Wirtshauses wurde mit geschmackvollen Akzenten aufgehübscht, dasselbe könnte man auch über die Küche sagen: Altwiener Backfleisch und traditionsreiche Innereiengerichte finden sich da neben Reh-Tataki und Oktopus-Carpaccio, und zwar jeweils in außergewöhnlich guter Umsetzung. Dass der eigens abgefüllte Hauswein aus dem Hause Ebner-Ebenauer kommt, ist nur ein weiterer Beweis für den guten Geschmack des Inhaber-Duos.

Auch das »Pramerl & the Wolf« im nahen Servitenviertel ist eine Art Beisl 2.0. Denn während Schank und Gastraum einer Zeitreise gleichen, ist die Küche merklich im Heute zu Hause: Statt Traditionsgerichten à la carte serviert man hier ein kreatives Casual-Fine-Dining-Menü aus regionalen Produkten, das mit allen Gourmet-Wassern gewaschen ist. Und von welchen Einflüssen die Wiener Wirtshauskultur im »Appiano« in der Innenstadt ergänzt wird, verrät schon der Name: Deftige Wiener Küche trifft im urigen Inneren des ehemaligen »Schottenbeisl« auf mediterrane Leichtigkeit, Schnitzel, Kalbszunge und Wurzelfleisch teilen sich die Karte mit Hausgemachtem mit italienischem Anstrich.

Traditionsreich

Doch das Rad muss nicht zwangsläufig neu erfunden werden, manchmal genügt es auch, einfach beim bewährten Alten zu bleiben. Zumindest dann, wenn es sich mit Qualität und Charme hervortut. Die »3 Hacken« sind in Wien längst Legende, und daran hat sich gottlob auch seit der Neuübernahme vor wenigen Jahren nichts geändert. Es mag am Service liegen, der mit Schmäh und Professionalität agiert und auf wohltuende Art ohne den Wiener Grant auskommt, mit dem einem an anderen Adressen in ähnlich zentraler Lage mitunter das Gästeleben schwer gemacht wird.

Oder an den behaglichen Stuben, die auf besonders angenehme Art zum Versumpern einladen. Ganz sicher liegt es jedenfalls an der Küche, die alle Stücke der Wiener Traditionskulinarik spielt.

Ähnlich legendär – und dafür leidenschaftlich geliebt – ist die »Gastwirtschaft Blauensteiner« in der Josefstadt. Vor über einem Jahrzehnt hat Erich Lentsch, vormals im »Steirereck«, die beliebte Gaststätte im Altbau-Eckhaus aus dem Dornröschenschlaf geholt und dabei alles richtig gemacht: Der wunderschöne Gastraum mit seiner imposanten Raumhöhe wurde merklich kundig instandgesetzt, heute glänzen Wandvertäfelung und Mobiliar mit genau der richtigen Dosis Patina. Aus der Küche kommen derweil sicheren Schrittes um­gesetzte Wiener Klassiker, die genauso schmecken, wie sie schmecken sollen.

Die Tatsache, dass ein signifikanter Bestandteil dieser Traditionsgerichte auf innere Werte setzt, gibt die Marschrichtung im »Gasthaus Wolf« vor. Seit Jahren ist das bezaubernde Eckbeisl bis weit über die Stadtgrenzen hinaus für seine hinreißende Innereienküche bekannt, von Kalbsrahmherz, Beuschel und Co. wagt man sich hier gern auch in beinah unbekannte Gefilde vor. Küchenchefin Daniela Huber beherrscht zur Freude weniger mutiger oder experimentierfreudiger Esser aber auch die gefälligeren Dinge hervorragend. Und wenn dann noch ein frisch gezapftes Wolfsbräu aus der Buckligen Welt am Resopaltisch steht, einigt sich die bunt gemischte Gästeschar ganz von selbst auf ein Motto: Es lebe das Beisl!


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Erschienen in
Falstaff Wien Special

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Caroline Metzger
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