Das »Stöckl im Park« liegt direkt am Belvedere und bietet Ausblick auf den Schwarzenbergpark. 

Das »Stöckl im Park« liegt direkt am Belvedere und bietet Ausblick auf den Schwarzenbergpark. 
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Best of Bier aus Wien

Falstaff führt zu den bemerkenswertesten Brauereien, die man kennen und deren Produkte man verkosten sollte – von der Großbrauerei bis zum kleinen Start-up.

Auch wenn die Bundeshauptstadt auf den ersten Blick keine ausgesprochene Braustadt ist – hält man nach Großbrauereien Ausschau, so ist die »Ottakringer Brauerei« im 16. Bezirk die erste und einzige Adresse –, gärt es doch heutzutage (wieder) beinahe in jedem Bezirk. Und das hat es auch schon, noch ehe die Craft-Beer-Bewegung auch die österreichische Hauptstadt in ihren Bann gezogen hat. Denn bevor die Kreativbrauereien wie Schwammerln aus dem Boden geschossen sind, konnte Wien vor allem mit Gasthausbrauereien aufwarten.

Seit dem 13. Jahrhundert wird in Wien Bier gebraut und getrunken, teilweise war der Gerstensaft sogar gefragter als Wein. Zu Zeiten von Kaiser Franz Joseph I. zählte man in Wien 500 Bierhäuser. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es noch 20 Brauereien, bis zum Jahr 1983 schrumpfte diese Zahl auf gerade einmal zwei. Doch zum Glück hat das Bierbrauer-Handwerk dann wieder ordentlich Fahrt aufgenommen.

Geschmack durch Vielfalt

Das »Fischerbräu« hat von Döbling aus die Ära der Gasthausbrauereien in Wien eingeläutet und gilt bis heute als die erste ihrer Art. Mit der Kombination von im Ausschank hausgebrauten Spezialitäten und dem Servieren handfester Speisen ist das »Fischerbräu« – zum Glück – bis heute nicht alleine geblieben. Unter anderem ist auch das »Salm Bräu« im dritten Bezirk seit 1994 bekannt für sein Gasthaus, in dem auch diverse Bierspezialitäten selbst gebraut werden.

Darauf, dass dieses Konzept auch in Zeiten von Craft Beer weiter Anklang finden wird, hat die »Salm Bräu«-Inhaberfamilie Welledits vertraut. Erst im letzten Januar hat sie mit dem »Stöckl im Park« eine zweite Gasthofbrauerei eröffnet. Auf dem Areal des Belvedere gelegen, hat man hier dank der Bauweise mit viel Glas einen einzigartigen Ausblick über den Schwarzenbergpark. Dadurch gerät das Bier jedoch nicht ins Hintertreffen, im Gegenteil. Ausblick und Genuss befeuern sich gegenseitig. Und wer schon immer mal einem Braumeister über die Schulter schauen wollte, der kann das im namensgebenden Stöckl, dem historischen Altbau des Restaurants, tun.

Alteingesessen

Eine Brauerei, die sich über 180 Jahre wacker gehalten hat, ist »Ottakringer«, heute die einzige Großbrauerei Wiens. In seiner langen Geschichte ist das Unternehmen stets mit der Zeit gegangen bzw. hatte Vorreiterfunktion. Angefangen bei einer Werksküche mit Speiselokal, die Ignaz Kuffner 1867 für seine Mitarbeiter in der Brauerei installierte, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Oder aber die 0,33-l-Einwegflasche mit Drehkorkenverschluss, mit der die Eigentümer-Familie Wenckheim bereits im Jahr 2003 Zeitgeist bewies. Dass die Brauerei stets offen war für die Zukunft, hat das Unternehmen auch mit dem »Brauwerk« gezeigt. Mit diesem »craftigen« Ableger ist man in Ottakring äußerst schnell auf den Craft-Beer-Zug aufgesprungen.

Ebenfalls ein früher Fan dieser Kreativbiere war die Firma Ammersin. Von Anbeginn hat der Getränkehändler Gastronomen mit den handwerklich gebrauten Bieren aus aller Welt versorgt. Die Begeisterung und Nachfrage hält bis heute an, zu Recht hat Ammersin im Jahr 2015 mit den »Beerlovers« in Mariahilf den ersten Craft-Beer-Flagshipstore in Wien eröffnet. Im Souterrain finden hier Verkostungen und Schulungen statt, seit 2017 gibt es zudem mit »Muttermilch« eine eigene Mikrobrauerei, in der die Biere »Wiener Bubi« (ein Wiener Lager), »Bitta von Tresen« (Pils) und »Indira Blondi« (IPA) zu Hause sind. Dazu kommen Specials, die im Kooperation mit nationalen und internationalen Brauereien entstehen.

Bier statt Klavier

Kurz bevor Wien in den südlichen Speckgürtel übergeht, lädt die »100 Blumen Brauerei« zu einem Halt ein. In einer alten Klavierfabrik in Atzgersdorf wird seit 2018 Bier gebraut. Damit hat Initiator Alexander Forstinger dem 23. Wiener Bezirk Liesing wieder eine eigene Brauerei beschert. Nach Anfängen als sogenannter »Gypsy-Brewer«, also ein Braumeister, der ohne Stammbrauerei Biere braut, hat Forstinger so seinen Bieren eine feste Braustätte gegeben – und ermöglicht hier inzwischen anderen Gypsy-Brewern, ihre Bier-Ideen zu verflüssigen. Hier kommt auch der vertraute Charme eines klassischen Biergartens durch: Speisen dürfen selbst mitgebracht und an Ort und Stelle verzehrt werden. Einzig eine Leberkäsesemmel der Grätzel-Fleischerei Leopold Hödl gibt es hier direkt zu bestellen.

Start-Up mit Bierlust

Zurück in Gürtelnähe, müssen noch zwei Brauereien mitgenommen werden: die erst 2019 eröffnete »Kaltenhauser Botschaft« im 15. Bezirk und »Brew Age«. Letztere ein Start-up aus dem 6. Bezirk, dessen junges Gypsy-Brewer-Team eine Vision eint: ihre innovativen, qualitativ hochwertigen Biere irgendwann auf der eigenen Brauanlage zu brauen. Bis dahin brauen Michael, Tom, Johannes, Raphael und Christian ihre Biere in der, zugegeben nicht in Wien liegenden, »Brauerei Gusswerk«. Da aber jedes Bier in Wien ausgetüftelt wird, der Traum einer eigenen Brauerei in Wien verwirklicht werden soll und die Basis der Brauer schlicht und ergreifend in der Bundeshauptstadt liegt, ist »Brew Age« natürlich Teil der jungen Wiener Bierbrauerszene.

Was uns auch gleich zu unserer letzten Station, der »Kaltenhauser Botschaft«, bringt, die strenggenommen lediglich ein Ableger der ältesten Brauerei Salzburgs ist – aber die seit ihrer Eröffnung auch die Wiener Brauerei-Szene gehörig aufwertet. Nicht nur die glänzenden Kupferkessel im Eingangsbereich, das Gesamtkonzept kann sich sehen lassen: Brauerei mit Gastwirtschaft und Hotel. Ein »einzigartiges Konzept in Europa«, wie Andreas Stieber von der Brau Union es bei der Eröffnung zu Recht zusammenfasst. Und wenn man hier, in einem Hinterhof an der Äußeren Mariahilfer Straße, unter Kastanienbäumen bei einem Bier sitzt, kann man seine Pläne schmieden, wie und wo man weiter und noch tiefer in die Wiener Brauerei-Szene eintaucht – das lohnt sich nämlich.


Erschienen in
Wien Spezial 2020

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Patricia Astor
Patricia Astor
Redakteurin
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