»Am besten am offenen Feuer!« – Cheyenne Ochsenknecht und Nino Sifkovits zelebrieren Chianina-Rindfleisch wie in der Toskana.

»Am besten am offenen Feuer!« – Cheyenne Ochsenknecht und Nino Sifkovits zelebrieren Chianina-Rindfleisch wie in der Toskana.
© Chianinahof

Bluttommerl, Kübelfleisch und Co.: So geht »Nose-to-tail« auf steirisch

Nachhaltige Fleischveredelung hat in der Steiermark Tradition: Gemeinsam lassen sie Züchter, Fleischer und Köche wieder aufleben, wie Nino Sifkovits und Cheyenne Ochsenknecht beispielsweise.

Es ist kaum vorstellbar, dass die steirischen Wollschweine noch vor 25 Jahren auf die »Rote Liste« der bedrohten Tierarten gesetzt wurden. Heute gehören Mangalitza-Spezialitäten in den Buschenschanken wie den Spitzenrestaurants gleichermaßen zu den regionalen Spezialitäten schlechthin. Toni Krispels Kundenliste für seinen »Lardo«-artigen Neusetzer und die anderen Wollschweinspezialitäten liest sich gar wie ein internationales »Who is who« der Gourmandisen: »Pöhl am Naschmarkt«, »Zum Schwarzen Kameel«, Opocensky in Wien, Dallmayr in München oder auch das »Steirereck«, das »Klosterbräu« in Seefeld und das »Vendôme« im Grandhotel Schloss Bensberg in Bergisch Gladbach. »Wenn wir vom Schweinepreis abhängig wären, würde es das Projekt aber nicht mehr geben«, hat der Fleischveredler aus Straden in den letzten 25 Jahren seinen eigenen Weg gefunden: »Wir legen den Preis für die Ferkel unserer Partnerbetriebe einmal fest und der bleibt dann drei Jahre gleich. Wir sind dem freien Markt also nicht ausgesetzt«.

Mangalitza-Grammeln mit Himbeere

Die Fleischerei Scharfy als Zerlegungsbetrieb Krispels versorgt den Handel (50 Prozent der Produktionsmenge) ebenso wie die Topgastronomie, allen voran das »Genusstheater« am Weingut der Familie – um das Wollschwein herum kreiert Daniel Weißer grandiose Menüs. Wertschätzend für das Tier wird in Hof bei Straden eine »Nose-to-Tail«-Küche gepflegt, die Fleisch-Gourmets entzückt: Grammeln kommen z. B. im Schokomantel mit Himbeerstaub zum Gast, davor gibt es »Steirische Calamari« (frittierte Saumagenringerl).

Einen wichtigen Nebenaspekt abseits der Köstlichkeiten erwähnt Krispel aber auch: »Die aktuell 350 Schweine liefern übers Jahr auch 150 Tonnen Basis für unseren Kompost, der wieder in die Weingärten ausgebracht wird«. Die im Thermen- & Vulkanland etablierte Genusswelt im Zeichen von »Wein und Schwein« stellt aber keinen Einzelfall dar. Der steirische Weg bei der Schweinehaltung geht klar in Richtung Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit. So besucht Robert Buchberger senior seit Jahrzehnten die Bauern des Pöllautals, um mit kurzen Wegen die Tiere auf den Bauernhöfen auszuwählen. Die Fleischerei Buchberger, heute von Robert junior geführt, ist dabei ein wichtiger Multiplikator. Mit acht Filialen bringt sie Fleisch aus dem Naturpark unter anderem nach Leoben, Hartberg und Weiz. »Gegenseitiges Vertrauen und ein tiefer Respekt vor den Lebewesen sowie der Natur verbindet uns mit unseren Lieferanten«, so Buchberger, der mit »Beef TV« auch moderne Kommunikation für das alte Handwerk einsetzt. Regionalität allerdings ist für den Pöllauer Fleischer »kein Marketinginstrument, wir leben sie aus Überzeugung«.

Stressfreiheit für alte Rassen

Ein bundesweites Synonym dafür ist auch »Labonca« geworden, seit Norbert Hackl unter diesem Namen 2015 das europaweit erste Weideschlachthaus eröffnet hat. »Damit wurde es möglich, dass Tiere vor der Schlachtung keine Angst erfahren müssen. Sie finden ihr sorgloses Ableben in gewohnter Umgebung, ohne dass es die anderen Tiere wahrnehmen«. Bekannt wurden vor allem die »Sonnenschwein«-Produkte aus dem Lafnitztal, doch mittlerweile widmet man sich auf dem 300.000 Quadratmeter großen Areal auch den »Ennstaler Bergschecken«.

Es handelt sich dabei um die älteste Rinderrasse Österreichs, die hier eine neue Heimat fand. Funde am Dachsteingletscher belegen, dass diese Rasse bereits vor 2400 Jahren im Alpenraum heimisch war. In Burgau kann man die rot gescheckten anmutigen Tiere nun wieder erleben – vor Hackls Engagement fand man sie als nicht »zeitgemäße«, zu zierliche Rasse auf nur mehr drei Höfen in Österreich.

»Für uns ist es eine Ehre, dieses majestätische Tier zu erhalten«, lautet auch die Raison d‘être bei Nino Sifkovits in Dobl bei Graz. Der »Chianinahof« trägt stolz den Namen des größten Rinds, das jeder Toskana-Besucher von der »Bistecca alla fiorentina« kennt. Der auch als Influencer an der Seite seiner Frau Cheyenne Ochsenknecht bekannte Bauer sieht seine Art der Tierhaltung als Auftrag: »Wir wollen gerade unserer Generation vermitteln, dass Landwirtschaft ein unglaublich schöner und auch cooler Beruf sein kann. Wir möchten jedem Mut machen, der so ein Leben führen möchte«. Dass es daher auch T-Shirts und Hoodies vom »Chianinahof« zu erwerben gibt, passt da ins Bild.

Von der Weide zum Spitzenkoch

Mit der Fleischqualität hat Sifkovits ohnehin bereits die kritischsten Kunden – die Topköche der Steiermark – überzeugt. Sein Île-de-France-Lamm etwa ist ein Höhepunkt im Menü des »Terra« in Stainz. Johann Schmuck präsentiert das Filet auf einer »weißen Bolognese«, die aus Schulter und Keule der Lämmer stammt.

Neben Schmuck schwört auch ein weiterer Kollege auf das Fleisch vom Chianinahof. In der angesagten Küche »Zur Goldenen Birn« in Graz wird Alexander Posch fast schwärmerisch, wenn er von seinen Rinderlieferanten (darunter auch der Demeter-Hof »Die Klause« aus Bad Gleichenberg) erzählt: »Das Rind wird bei uns entweder klassisch geschmort oder Sous-vide gegart, dazu reicht ein dunkler Jus – wenn ich so ein gutes Produkt habe, braucht es nicht mehr.« Die Wertschätzung für die arterhaltende Arbeit der steirischen Züchter klingt in vielen Aussagen der beiden Chefs über ihre regionalen Lieferanten durch.

Da überrascht es auch nicht, dass einer der österreichischen Nachhaltigkeitspioniere heuer »groß« in die Fleischproduktion einstieg. Josef Zotter machte mit seinen Schokoladen die Verfolgbarkeit fair bezahlter Rohstoffe von der Kakaoplantage bis zur süßen Tafel (»bean to bar«) salonfähig. Dass nun im »SchokoLaden« Fleisch neben Kreationen wie »Mandelnougat und Rote Nüsse« angeboten wird, hat eine eigene Vorgeschichte: Als in Bergl die Bio-Kantine für seine Mitarbeiter eingerichtet wurde, entschied sich Sepp Zotter, eigene Hochlandrinder zu halten.

Langsam und natürlich Aufwachsen

Was mit der Herde um Stier Pauli begann, hob er mit Tochter Julia – für Produktentwicklung zuständig – auf ein neues Level. 70 Schweine und 80 Rinder wachsen mit freiem Zugang zur Weide auf. »Die schottischen Highlander leben ganzjährig im Freien«, schildert Julia Zotter die Abläufe, während sie einem Kalb Futter reicht. »Bei uns dürfen sie auch drei Jahre werden und nicht nur 18 Monate, wie es üblich ist«.

Zudem kämpfte auch »Bauernhofromantiker + Andersmacher« (Zotter über Zotter) fast vier Jahre für einen Weideschlachthof. Seit heuer hat er ihn. Und bei der Verarbeitung im nahen Auersbach geht Fleischer Josef Winkler neue Wege. Als direkter Nachbar der Reiferäume eines anderen »fleischigen« Exportschlagers der Steiermark, dem »Vulcano-Schinken«, verarbeitet man Angus-Rinder, Murbodner sowie Wagyus. Aber auch das Fleisch der Glücksschweine« der Zotters – Mangalitza für den Speck, Durocs für Filets und Schnitzel – werden zur Gänze verwendet. Mit Kalinitrat geht man dabei sparsam um: »Alles, was bei uns »grau« sein darf oder viel Fett hat – wie der Lardo –, enthält gar nichts davon«, sagt Julia Zotter. Dass die Frankfurter im Food Truck vor der Schoko-Erlebniswelt, dadurch nicht Barbie-rosa sind, nimmt man dafür gern in Kauf. Und spätestens dann, wenn Kernöl-Zwiebeln auf »Rosas Bosna« schmelzen, fragen die Besucher allenfalls noch, warum die steirische Wurstspezialität so köstlich schmeckt.

Die Betriebe

Buchberger Fleischerei, buchberger.co.at

Chianinahof, chianinahof.at

Die Klause, die-klause.at

Wein- und Genussgut Krispel, krispel.at

Labonca, labonca.at

marcher fleischwerke, marcher.at

Terra, johann-schmuck.at

Josef und Julia Zotter, zotter.at

zotter fleisch, zotter-fleisch.at

Zur Goldenen Birn, zurgoldenenbirn.at


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Erschienen in
Steiermark Special 2023

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Roland Graf
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