Zu Besuch in der Rémy Martin Kellerei

Zu Besuch in der Rémy Martin Kellerei
© Aline Aubert

Cognac-Comeback: Ein Weinbrand, der überzeugt

Einst als Altherrenspirituose verschrien, hat jetzt eine junge Genussgeneration den Cognac für sich wiederentdeckt. Nicht nur pur, auch in Cocktails weiß sie der aromatische Weinbrand zu überzeugen.

Über Generationen hinweg blieb die Wertschätzung für das flüssige Gold aus der Charente beständig hoch. Und sie ist es noch. Das beweist der jüngste Zuschlag im bekannten Auktionshaus Sotheby’s in New York: Die stolze Summe von 134.750 US-Dollar erzielte die begehrte Cognac-Flasche »Louis XIII L’Odyssée d’un Roi« aus dem Haus Rémy Martin. Nur drei Flaschen wurden gefertigt und mit dem raren Blend befüllt. Die jüngsten enthaltenen Cognacs darin sind vierzig Jahre alt, die ältesten sind über hundert. »Das ist Geschichte im Glas«, sagt Baptiste Loiseau. Der Kellermeister von Rémy Martin schuf die rare Spezialität, die im eleganten Kristalldekanter der Glasmanufaktur Saint-Louis in dunklem Gold leuchtet. Der Erlös kommt der Filmstiftung von Regisseur Martin Scorsese zugute, die historisches Filmmaterial für künftige Generationen restauriert.
Der Zusammenhalt der Generationen, der in der Cognac-Region mit ihren Traditionshäusern so oft betont wird, besteht weiter. Glücklicherweise darf jetzt auch die jüngere Genussgeneration ihr Cognac-Vergnügen erleben, ohne gar so tief in die Tasche greifen zu müssen.

Das Cognac-Comeback

Cognac tritt derzeit aus dem überholten Bild, ein Kamingetränk für wohlhabende ältere Herren zu sein. Wer heute noch einen Kellner auffordert, den Cognac-Schwenker zu erhitzen, wie es noch in den 1970er-Jahren Usus war, macht sich lächerlich. Auf diese Weise verdampfen die feinen Duftnoten, die doch eines der schönsten Merkmale eines eleganten Branntweines bedeuten.
Die Zeit ist reif für junge Zielgruppen, die sich an erlesenen Getränken erfreuen. Bartender lassen weltweit Cognac als Hauptbestandteil klassischer Cocktails wieder aufleben.Das Cognac-Haus Camus erkannte wie kein anderer Hersteller das Potenzial.

»Cognac erfährt nicht so viel Aufmerksamkeit und Getöse, wie es Gin oder Rum derzeit erleben. Die Branche entwickelt sich stabil, darf aber gerne für etwas mehr Aufregung sorgen«,

meint Cyril Camus, der das Cognac-Haus in fünfter Generation leitet. Camus betreibt eigenen Weinanbau, was für die Cognac-Häuser nicht selbstverständlich ist. Sie liegen im Borderies-Anbaugebiet, der kleinsten der Cognac-Regionen, bei denen die Grande Champagne und die Petite Champagne sonst die meiste Aufmerksamkeit erhalten. Camus möchte neben den bewährten Blends des Hausstils die Authentizität seines Terroirs im Cognac herausstellen und fertigt daher reine Borderies-Cognacs. Eine eher seltene Spezialität. Eine weitere Besonderheit im Portfolio von Camus sind die Île-de-Ré-Cognacs. Die kleine Insel vor der Küste von La Rochelle zählt zum Cognac-Gebiet und die Familie Camus unterhält dort seit Langem Weinreben.
Die Trauben wachsen auf der Insel, werden dort destilliert und anschließend gelagert. Maritime Aromen, Seetang und Salz, aber auch eine dezente Rauchigkeit prägen diesen sehr speziellen Cognac. Camus hat früh erkannt, dass der Markt reif ist für markante und individuelle Produkte, die Herkunft und Macher widerspiegeln.

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Auf die markanten Aromen der Grande Champagne legt das Cognac-Haus Baron Otard ein starkes Augenmerk. Insbesondere im »Extra 1795« schlägt sich das nieder. Im Namen ist zugleich das Entstehungsjahr des Hauses genannt, dessen Gründer Baron Jean-Baptiste Otard zwei Jahre zuvor in den Wirren der Revolution nur mit höchster Not der Guillotine entronnen war. Dieser Premium-Cognac enthält 30- bis 50-jährige Destillate und verströmt Aromen von Trauben, Pflaumen, 
Haselnuss, Zedernholz und Orangenschale. 
Cognac erlebt aber auch eine Wiederent-deckung in der Barkultur. Auch Baron Otard entwickelte eigene Rezepturen, um die V. S.-, V. S. O. P.- und X. O.-Qualitäten individuell zur Geltung zu bringen. So etwa den »Noblesse«-Cocktail, bei dem Birne, Minze und Zitrone das Cognac-Aromenspiel ergänzen.

Barchef René Förster aus Dresden ist als offizieller Cognac Educator, zertifiziert vom Cognac-Verband BNIC, unterwegs und erklärt: »Cognac war lange vor dem Whisky die komplexeste Spirituose, die Bartender kannten und wurde für viele Drinks als Basis benutzt. Französische Spirituosen im Allgemeinen waren Anfang des 19. Jahrhunderts der Inbegriff für Qualität. Ich bin der Meinung, dass auch Cocktails wie Old Fashioned und Julep auf Cognac-Basis entstanden sein müssen.« 
Die Prohibitionszeit brachte dann den Bruch. Nach dem Ende der Prohibition 1933 gerieten Cognac und Rye Whiskey ins Hintertreffen und die Barkeeper arbeiteten vermehrt mit Bourbon und Blended Scotch.

Cognac erfährt ein Revival in Bars
©Nduvho Muthivhi
Cognac erfährt ein Revival in Bars

Heute entdecken Bartender die Cognac-Komponente im Cocktail neu, und die Hersteller unterstützen sie dabei. Das Haus Pierre Ferrand kreierte gemeinsam mit dem Cocktail-Historiker David Wondrich den »Pierre -Ferrand 1840«, der die Cognac-Aromatik -vergangener Zeiten neu erlebbar machen soll. Insbesondere der »Sazerac« mit Cognac, Absinth, Zucker und Peychaud’s Bitter entwickelt prachtvolle Facetten mit diesem neuen, alten Branntwein. Geschäftsführer Alexandre Gabriel zeigt sich begeistert von den Ergebnissen, die Bartender mit dem Produkt zaubern: »Es ist großartig zu sehen. Wir bauen die Stradivari, und die Bartender spielen darauf.«
Mit dem Ursprungsjahr 1765 sind die Feierlichkeiten zum 250. Jubiläum im vergangenen Jahr zwar abgeschlossen, aber in der Bedeutung legt das Haus Hennessy weiter zu und überholte sogar Jack Daniel’s im Ranking der wichtigsten Spirituosenmarken.
Zum großen Erfolg der Marke trägt der Hennessy Fine de Cognac bei. Ohne Jahrgangsklassifikation auf dem Etikett entspricht er dem aktuellen Trend zu leichten und filigranen Aromen. Mit einem Preis von unter 40 Euro bietet der Fine de Cognac ein herausragendes Preis-Genuss-Verhältnis und ist eine ideale Einsteigerempfehlung mit Charakter und Balance.

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Eine Stilikone ist die markante Flakon-flasche des berühmten Hennessy X. O. Als erstes Haus in der Stadt Cognac füllte Hennessy in Flaschen ab, und als der X. O. 1870 erstmals präsentiert wurde, war das gleichsam der Startschuss der X. O.-Klassifizierung. Diese wird 2018 eine Neuerung erfahren. Bislang bedeutet X. O., dass das jüngste enthaltene Destillat sechs Jahre alt ist. Ab dem 1. April 2018 muss das jüngste Destillat zehn Jahre Reifungszeit aufweisen. »Die qualitativ minderwertigen X. O.s werden vom Markt verschwinden«, sagt Cyril Camus, »die bewährten Traditionshäuser arbeiten oft bereits jetzt mit der künftigen Regelung und verwenden deutlich reifere Eaux de Vie, als sie müssten.«

»A drink that’s drank by Gs«

Seit dem vergangenen Jahr müssen sich Freunde der berühmten Marke Courvoisier umgewöhnen – der Markenauftritt und das Flaschendesign wurden überarbeitet. Ein royales Lila trifft nun auf Champagner-Gold, der
Flascheninhalt weist hingegen die gewohnte Qualität auf. Insbesondere der Verkaufsschlager Courvoisier V. S. O. P. bleibt ein bewährter Klassiker. Die angenehme Eichennote wird umschmeichelt von Fruchtaromen, etwas Mandel und zartem Karamell. Die Bestellung erfolgt gerne auch in musikalischer Form. »Pass the Courvoisier«, sangen die Rapper Busta Rhymes und P. Diddy 2001,

»give me the Henny, you can give me the Cris.
You can pass me the Remi, but pass the Courvoisier.«
Busta Rhymes, P. Diddy

Damals steckte Cognac in einer Krise und die Verkäufe liefen schlecht, als die US-Hip-Hop-Szene den Cognac zu ihrem Leibgetränk erklärte und nicht nur trank, sondern auch besang. Über hundert Rap-Songs besingen »Henny«, »Remi« und »Nyak«. Das Cognac-Haus Landy heuerte sogar Snoop Dogg an, um für die Marke zu rappen: »Cognac is the drink that’s drank by Gs.« Cyril Camus muss beim Gedanken daran schmunzeln: »Das war eine große Hilfe für unser Destillat. All die Musikvideos zeigten, dass Cognac eben nicht nur ein Getränk für alte Leute ist.« Cognac bleibt eben traditionell und gleichzeitig immer wieder neu. Und es steckt Musik darin.

Die Destillerie Hennessy als Traditionsbetrieb
© Jean-Pierre-Bost
Die Destillerie Hennessy als Traditionsbetrieb
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Cyril Camus, Inhaber camus-Cognac im Interview

FALSTAFF Wie sehen Sie die aktuelle
Entwicklung auf dem Cognac-Markt und wie positioniert sich Ihr Haus?

CYRIL CAMUS Nach dem Rückgang im asiatischen Markt sind Europa und Nordamerika wieder stärker im Fokus der Häuser. Die Menschen schauen heute wieder mehr auf Herstellung, Zutaten und Persönlichkeiten hinter einem Produkt. Sie wollen keine prominenten Werbeträger für ein Produkt mehr sehen, sondern die echten Handwerker. Der Trend ist sehr positiv für uns. Wir stehen für fünf Generationen Cognac-Know-how. 
Erkennen Sie neue Cognac-Trends?
Derzeit verlangen immer mehr Kunden nach leichten und eleganten Cognacs. Der starke Eichenholz-Charakter ist derzeit nicht mehr so gefragt. Wir hatten Glück im Hause Camus, dass wir bereits vor fünfzehn Jahren damit anfingen, eher auf die filigranen und floralen Aromen zu setzen, und können somit heute genau diese Facette von Cognac anbieten.
Was ist Ihr Probiertipp aus Ihrem Portfolio und warum?
Der schönste Einstieg in die Cognac-Stilistik von Camus ist unser Borderies V. S. O. P. – er ist lebhaft, mineralisch und knackig. Er repräsentiert die Einmaligkeit unseres Terroirs und die Eleganz unseres Destillats.

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Urs Hessenauer, Marketing-direktor Hennessy im Dialog

FALSTAFF Wie sehen Sie die aktuelle
Entwicklung auf dem Cognac-Markt und wie positioniert sich Ihr Haus?
URS HESSENHAUER Der Markt für Marken-Cognac ist in den vergangenen Jahren stabil geblieben, einzig Eigenmarken von Discountern unterliegen größeren Schwankungen. Die Marke Hennessy konnte ihren Status in der Kategorie Cognac in den vergangenen Jahren weiter ausbauen. Das liegt zum einen an der starken Nachfrage nach unserem Hennessy V. S sowie an der hervorragenden Entwicklung unseres Hennessy Fine de Cognac.
Erkennen Sie neue Cognac-Trends bei den Konsumenten?
Die Kategorie Cognac löst sich langsam von alten Bräuchen und Leitbildern und rückt seine zeitgemäße Facette stärker in den Fokus. Das fängt damit an, dass sich neue Anlässe, Rezepturen für Drinks und Orte des Konsums erschließen, die bislang für Cognac noch undenkbar erschienen – wie beispielsweise in Clubs und Cocktailbars. Gleichzeitig entdecken neue und jüngere Konsumenten unsere Marke und Qualitäten. Diese sprechen wir besonders über die Trendgastronomie und soziale Medien an.
Was ist Ihr Probiertipp aus Ihrem Portfolio und warum?
Unser Probiertipp ist Hennessy X. O auf Eis in einem Tumbler. Hennessy X.O glänzt in dunklem Bernsteingold, das Ergebnis eines langen Ausbaus in speziell ausgewählten Fässern. Als komplexer, vielschichtiger Blend aus etwa hundert Eaux de Vie gibt er seine Nuancen – großzügige, runde Gewürznoten mit Andeutungen von schwarzem Pfeffer, austariert mit Aromen von kandierten Trockenfrüchten – nur langsam preis. Sobald das Eis schmilzt, setzen sich diese feinen Aromen für ein vollkommen neues Genusserlebnis frei.

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Patrice Pinet, Kellermeister Courvoisier im Gespräch

FALSTAFF Wie sehen Sie die aktuelle
Entwicklung auf dem Cognac-Markt und wie positioniert sich Ihr Haus?
PATRICE PINET Handwerkskunst wird beim qualitätsbewussten Verbraucher immer bedeutsamer. Und für ursprüngliches Handwerk steht Cognac. Wir sehen derzeit ein weltweites Wachstum. Das Image von Courvoisier ist besonders stark in den USA sowie in Großbritannien – zwei der Kernmärkte, die auch die Trends treiben, was den Genuss von -Cognac anbelangt, zum Beispiel in Cocktails.
Erkennen Sie neue Cognac-Trends?
Die Gastronomie wird für Cognac immer wichtiger, denn Cognac lässt sich sowohl gekühlt als auch pur fantastisch im Rahmen eines guten Essens kombinieren. Aber auch Cocktails werden weltweit wieder attraktiver und Cognac nimmt seinen ihm seit hundert Jahren angestammten Platz als ausgezeich-nete Cocktail-Spirituose wieder ein.
Was ist Ihr Probiertipp aus Ihrem Portfolio?
Ich kann unseren Courvoisier VSOP in vielen verschiedenen Arten des Genusses empfehlen.
Als herausragende Basis eines Cocktails, denn er ist fruchtig und floral im Geschmack. Pur, im traditionellen Sinne, als Abschluss eines guten Essens. Und wenn Sie ein ganz neues Erlebnis wünschen, dann empfehle ich, Courvoisier VSOP gekühlt zu einem Lachs-Carpaccio zu genießen. Einfach einmalig.

Aus falstaff Magazin 08/2016

Peter Eichhorn
Peter Eichhorn
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