© Lena Staal, Johannes Kernmayer

Cortis Küchenzettel: Sich ein Herz nehmen

Der wichtigste Muskel von allen wird nur noch selten verkocht. Dabei ist Herz mager, günstig – und sanft geschmort eine Offenbarung.

Jetzt ist es wieder schön hektisch, die Vorweihnachtszeit im Anlaufen, die Terminkalender auch abends zum Brechen voll. Es wird noch dauern, bis Weihnachten ist, dem ganzen Trubel der Stecker gezogen wird und – endlich – Ruhe einkehren darf. Das Herz wird es uns danken.

Wobei: Es spricht doch nichts dagegen, sich schon jetzt aus jener hyperaktiven Geschäftigkeit auszuklinken, die gemeinhin als vorweihnachtliche und ergo »schönste Zeit im Jahr« gelten darf. Schließlich war das irgendwann einmal jene Zeit, in der die Uhren – und erst recht die Pumpe – durchaus ein bissel gemütlicher gehen durften: Ernte eingebracht, Kraut gesäuert, Sau geschlachtet und zu Wurst, Schmalz und Speck geworden, schließlich noch das Holz kurz und klein gehackt. Dann endlich Zeit, sich den häuslichen Freuden zu widmen.

Okay, das sind Sehnsüchte aus einer lang versunkenen Epoche. Nur: Statt sich raunzend über den Verlust der alten Zeit zugrämen (und im selben Atemzug womöglich ewiggestrige Rezepte zur Wiedererrichtung einer solchen auszugraben), tut man sich lieber etwas wirklich Gutes.

Indem man den Herd anwirft zum Beispiel, um jene Sachen zu schmurgeln, für die man den Rest des Jahres angeblich keine Zeit hat. Ganz wichtig dabei: der Schmortopf, nach Möglichkeit ein dickwandiger, aus Eisen gegossener. Darin entstehen auch aus jenen Teilen des Tiers, die gemeinhin als weniger edel gelten, Gerichte von massiver Eleganz und tiefgründiger Aromatik.

Das Herz ist so ein Organ, das in unseren Küchen große Tradition hat, seit einiger Zeit aber immer weniger zu seiner wahren Größe verkocht wird. Wo sind die Wirtshäuser, die – wie noch vor Jahren – ganz selbstverständlich Rahmherz und andere Finessen aus dem sogenannten fünften Viertel des Tiers auf die Karte setzten?

Der kraftvolle Muskel gilt – wie im Übrigen auch der Lungenbraten – nach alter Fleischerordnung als Innerei, weil er im Inneren des Brustraums geschlagen hat. Er bietet aber pures, mageres Fleisch ganz ohne Igitt-Faktor, und extrem günstiges noch dazu.

Umso eher darf bei der Zubereitung die eine oder andere Zutat edler Herkunft einfließen. In nebenstehendem Rezept geschieht das mittels großzügiger Beigabe von Safran und, ganz wichtig, von ein paar Gläsern Süßwein. Die Sauce, wiewohl von obersmächtiger Winterlichkeit, bekommt damit einen geradezu magischen Dreh ins Himmlischköstliche (und auch sonst sehr vorweihnachtlich Herzerwärmende), der schon ziemlich gut in diese Zeit passt.

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Erschienen in
Falstaff Nr. 09/2022

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Severin Corti
Severin Corti
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