Bourbon ist bis heute einer der beliebtesten Drinks in den USA.

Bourbon ist bis heute einer der beliebtesten Drinks in den USA.
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Der neue Bourbon-Boom: Das steckt dahinter

Eine junge Generation von ambitionierten Bourbon-Brennern stellt derzeit die amerikanische Wishkey-Welt auf den Kopf und heimst für ihre neuen Kreationen einen Preis nach dem anderen ein.

Wohl keine andere Destillerie lässt sich bei der Arbeit so genau auf die Finger schauen wie die nagelneue Rabbit-Hole-Brennerei in Louisville, Kentucky. Das Gebäude liegt im Stadtzentrum von Louisville in unmittelbarer Nähe des Ohio River – und damit im Herzen des sogenannten »Bourbon Country«. »Bei uns ist alles transparent«, erklärt Kaveh Zamanian bei einer Tour durch seine Brennerei. Und so ist es auch: viel Metall, viele schwarz gefärbte Holzpanele und dazwischen überall Glas. Der Säulenbrennapparat, das Herzstück der Destillerie, ragt über 14 Meter oder drei Stockwerke in die Höhe – ein spektakulärer Anblick. Und jeder Besucher kann in die tiefen Kessel schauen und die einzelnen Produktionsschritte hautnah miterleben.

Im Kaninchenbau

Sowohl die moderne Architektur dieser 18 Millionen Dollar teuren Brennerei als auch der dort produzierte »American Premium Whiskey« sind preisgekrönt. Dabei ist der Gründer und Eigentümer ein absoluter Quereinsteiger: »Es hat alles mit einer Vision angefangen«, erzählt Kaveh Zamanian, ehemals Psychologe und Psychoanalytiker. »Bei der Arbeit mit meinen Patienten ging es um Träume, wie man eine reale Basis dafür schaffen, sie realisieren und dann damit spielen kann.« Im Endeffekt war das auch sein eigenes Thema. »An diesem Punkt dachte ich, wenn ich jetzt nicht den Wechsel ins Whiskey-Business wage, schaffe ich es nie.

Doch meine Frau Heather hatte das Gefühl, dass ich mit dieser Idee die ganze Familie hinunterziehen würde, wie in einen Kaninchenbau.« Wie die kleine Alice aus dem weltbekannten Buch, die einem Kaninchen nachjagte und so ins Wunderland gelangte … Doch Zamanian ließ sich nicht beirren. Er entkam seinem höchstpersönlichen Kaninchenbau, sattelte um, lernte bei Meisterbrennern, gründete 2012 schließlich seine Marke namens Rabbit Hole und setzt dort seither seine eigenen Rezeptideen auf Basis alter Techniken um.

Rabbit Hole

Mittlerweile wird Rabbit Hole weltweit als federführend bei der aktuellen Bourbon-Renaissance gesehen: innovativ, kreativ und authentisch. Zamanians »Straight Bourbon Whiskey« besteht aus 70 Prozent Mais sowie je zehn Prozent Weizenmalz, Braugerste und Honig-Braugerste, gereift in neuen, getoasteten, also innen angekokelten, Fässern aus amerikanischer Eiche. Dadurch gelangen mehr Aromen in den Whiskey, die später den Geschmack prägen. Kaveh Zamanian, ein gebürtiger Iraner, hat mit Rabbit Hole eine der am schnellsten wachsenden Spirituosenmarken der Welt gegründet. Schon in wenigen Jahren, so sein Plan, soll sein Bourbon zu den Top drei der USA gehören. 

Groß hilft klein

Innovation – genau das suchen die großen Spirituosenkonzerne. Und sie haben dafür in den vergangenen Jahren verstärkt in American Whiskey investiert. So hat etwa Pernod Ricard letztes Jahr die Mehrheit an Rabbit Hole gekauft. »Sie suchen und brauchen Unternehmer, die bereit sind, etwas Neues zu machen«, sagt Zamanian. Und die Markt-Newcomer brauchen die Unterstützung und das Know-how der großen Konzerne, um zu expandieren. Die etablierten Hersteller sind gerade jetzt, in der Zeit der Pandemie, bei aufstrebenden Jungunternehmern herzlich willkommen. Besonders, wenn Letztere nach einer Übernahme ihre eigenen Visionen weiter verwirklichen können und sich niemand in die Produktion einmischt.

Nelson’s Green Brier Tennessee Whiskey

Das ist auch bei Nelson’s Green Brier im benachbarten Tennessee der Fall. Die Brüder Andy und Charles Nelson mussten im Gegensatz zu Kaveh Zamanian nicht erst lange nach ihrem Traum suchen. Ihr Urururgroßvater Charles war im 19. Jahrhundert aus Hagenow im Osten Deutschlands in die USA ausgewandert und wurde dort zu einem der erfolgreichsten und größten Whiskey-Hersteller der USA – 1885 verkaufte er in Tennessee 16 Mal so viel Whiskey wie sein Konkurrent Jack Daniel. Nach seinem Tod führte seine Witwe Louisa die Brennerei weiter, bis mit Beginn der Prohibition in Tennessee im Jahr 1909 das Geschäft nachließ und sie letztlich zusperren musste.

Erst 100 Jahre später stießen die Brüder Andy und Charles Nelson bei einem Familienausflug nach Greenbrier zufällig auf die Spuren ihres Vorfahren. Sie fanden das alte Quellhaus, und die Quelle sprudelte immer noch – für die Brüder ein Wink des Schicksals. Sie belebten die Marke »Nelson’s Green Brier Tennessee Whiskey« neu und nach dem Originalrezept ihres Vorfahren, das sie in einem alten Zeitungsartikel wiederentdeckten. Und es funktionierte: Heuer gewann ihr Whiskey bei der World Spirits Competition in San Francisco die Goldmedaille.

Zwischen Gestern & Morgen

Ihr mehrfach prämierter »Belle Meade Bourbon« basiert ebenfalls auf einem Vorbild aus früherer Zeit, wird aber nicht nach dem Originalrezept produziert. Andy Nelson ist stolz auf den Variantenreichtum ihrer Erzeugnisse und sieht das Unternehmen auf dem besten Weg, einer der wirklich großen Erzeuger der Bourbon-Welt zu werden. Und sein Traum ist es, seine Produkte irgendwann einmal weltweit zu verkaufen – wie sein Vorfahre. Der habe seinen Whiskey damals sogar bis nach Russland exportiert.


Fawn Weaver

Die Jungunternehmerin und Bestseller-Autorin hat beeindruckend gezeigt, dass sie auch erfolgreich Premium-Bourbon brennen kann. Sie ist die Gründerin von Uncle Nearest, einer Destillerie in Shelbyville, Tennessee. Die Marke ist nach dem afroamerikanischen Brenner Nathan »Nearest« Green benannt, einem ehemaligen Sklaven, der seinerzeit dem jungen Jack Daniel die Methode der Holzkohlenfilterung bei Whiskey beibrachte, die auch als »Lincoln County Process« bekannt ist. Fawn Weaver recherchierte das bewegte Leben des Whiskeymachers und arbeitete sich peu à peu in die Materie ein, ehe sie mit ihrem eigenen Bourbon-Projekt durchstartete und seither bereits zahlreiche Auszeichnungen für ihre Whiskeys erhielt. Gemeinsam mit Investoren gestaltet sie derzeit eine Art »Whiskey-Disneyland« samt Pferdegestüt und Golfplatz.

Bestseller-Autorin und Neo-Bourbon-Macherin Fawn Weaver.
Foto beigestellt
Bestseller-Autorin und Neo-Bourbon-Macherin Fawn Weaver.

Die Autorin: Angelika Ahrens

Der ehemalige ORF-Star lebt seit vielen Jahren mit Ehemann und Küchenchef Kurt Gutenbrunner in New York und arbeitet als freie Journalistin.

Ein Best of Bourbon mit den top-bewerteten Spirituosen lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des Falstaff Magazins.

Erschienen in
Falstaff Nr. 09/2020

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Angelika Ahrens
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