Die 14. Generation seiner Familie im Weinbau: Christian Dautel, Falstaff Winzer des Jahres 2023.

Die 14. Generation seiner Familie im Weinbau: Christian Dautel, Falstaff Winzer des Jahres 2023.
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Falstaff Wein-Trophy Deutschland 2023: Winzer des Jahres

Christian Dautel aus Bönnigheim in Württemberg brilliert gleichermaßen mit Riesling, Chardonnay und Weißburgunder, mit Lemberger und Spätburgunder. Jetzt wurde er zum Falstaff Winzer des Jahres gewählt.

Irgendwann, etwa 2016 oder 2017, blitzte im Falstaff-Verkostungsteam erstmals ein leiser Verdacht auf, dass hier etwas im Werden sei. Dann reihten sich im Lauf der Jahre immer mehr »Ahs« und »Ohs« aneinander: So entstand nach und nach und mit zunehmender Deutlichkeit der Eindruck, dass ein seit Langem bekannter Topbetrieb aus Württemberg inzwischen in der Liga der bundesweit Besten angekommen sei: das Weingut Dautel aus Bönnigheim.

Da war beispielsweise der Weißburgunder »S« 2018: ein Weißer, der mit seiner atemberaubend pikanten Phenolik vergessen macht, dass die Trauben in einem warmen Jahr gewachsen sind. Da war der 2019er Lemberger Sonnenberg, der eine wahre Aromenexplosion aus dem Glas schickt und dessen Gerbstoff schier vibriert vor Kraft. Da war der 2020er Chardonnay »S«, dessen Feuersteinnoten gemeinsam mit tragender Säurestruktur und prägender Mineralik einen Eindruck wie aus einem Guss vermitteln. Oder da sind, Jahr für Jahr, die beiden Spätburgunder Schupen und Forstberg, die entweder – Schupen – Fülle mit Saftigkeit vereinen oder – Forstberg – die Eleganz der Sorte auf die Spitze treiben.

Beim Voting zur Wein-­Trophy 2023 wählte nun eine 150-köpfige Jury in anonymem Voting Christian Dautel, Jahrgang 1985, zum Winzer des Jahres – und das gegen zwei ebenfalls starke andere Kandidaten. Ist das Beeindruckendste an dieser Entwicklung vielleicht, will ich vom Ausgezeichneten wissen, dass dieser Erfolg auf einen burgundischen Turn im Weingut Dautel zurückzuführen ist? Dautel denkt nicht lange nach, dann sagt er: »Ja und nein! Natürlich sind die Burgundersorten für mich extrem wichtig. Doch Chardonnay hat mein Vater schon in den Achtziger­jahren gepflanzt, er war sogar kurz davor, zu prozessieren, weil es nicht erlaubt war. Doch dann hat er eine Versuchsgenehmigung bekommen und durfte Chardonnay pflanzen – mit der Auflage, ihn mit Weißburgunder zu vergleichen. Von da an haben wir die Chardonnays schon im Barrique ausgebaut. Das war in jener Zeit schon was Besonderes.«

Als Winzer hast du im lauf deines Lebens vielleicht 30 oder 35 Chancen, große weine zu machen. Das ist nicht viel.

Ein sehr langer Umweg zurück nach Hause

»Allerdings«, schränkt Dautel ein, »war es für mich so, dass ich diesen alten ­Chardonnay-Stil gar nicht so gemocht hab.« Auch bei den ersten Auslandsaufenthalten, in Südafrika, in Oregon, in ­Australien, habe Chardonnay in seinen Gastbetrieben immer eine Rolle gespielt, so führt Dautel weiter aus, »doch das war eher der breite, fette Stil, viel Vanille, das hat mich nicht abgeholt. Aber in Burgund hattest du dann auf einmal Frische, Mineralität, Länge und Textur – eine Frische, wie man sie auch beim Riesling haben kann. Da kam dann bei mir die Begeisterung auf.«

In Burgund hatte Dautel die Gelegenheit, bei einem der besten Weißwein­winzer zu arbeiten: bei Dominique Lafon in ­Meursault. Bei Lafon wiederum machte er die Bekanntschaft von Denis ­Dubourdieu und folgte diesem ins Önologiestudium nach Bordeaux: »Bei ihm habe ich ›­vinification blanche‹ gehört. Dabei war eigentlich fast alles, was er gelehrt hat, eine Art wissenschaftliche Erklärung der typischen Burgunder-Vinifikation.«

Cool, sagt Dautel, seien eigentlich alle seine Auslandsaufenthalte gewesen: ­Saronsberg in Südafrika beispielsweise, ­Weninger im Burgenland, Mount Langi in Australien. In Oregon praktizierte Dautel bei Roots Wine – einem Weingut, das auch als Press-Station für eine Handvoll weiterer Betriebe tätig war und von Dominique Lafon und dessen ehemaligem Kellermeister Christophe Vial beraten wurde. 2010 kam Dautel schließlich mit einem Geisenheimer Diplom in der Tasche zurück nach Hause, 2013 übernahm er den elterlichen Betrieb dann auch ganz offiziell. 

Man muss Systeme entwickeln, die flexibel funktionieren.

Das Thema Austausch

»Wir haben seit dem Jahr 1510 Weinbau in der Familie, ich bin jetzt die 14. Generation«, ordnet Dautel seine Tätigkeit ein. »Mein Vater ist 1946 geboren, und ich profitiere heute von den Weinbergen, die er gepflanzt hat. Als Winzer denkt man in Jahrzehnten und nicht in Jahren. Und du hast im Lauf deines Lebens vielleicht 30 oder 35 Gelegenheiten, um große Weine zu machen, das ist nicht viel. Ein Bäcker kann im Prinzip an 365 Tagen im Jahr etwas Neues ausprobieren.« 

Die Konsequenz dessen sei, so ­Dautel weiter, dass man reisen müsse, »um Ein­flüsse aufzunehmen. So bin ich auch aufgewachsen, mein Vater war ständig unterwegs, meine Mutter hat sogar eine Strich­liste geführt, wie viele Tage er unterwegs war. Aber er musste halt reisen, und so bin ich auch aufgezogen worden: dass man nach links und rechts schauen muss. Zu Winzern, die etwas besser machen oder die was machen, worüber man nachdenken muss.« An Herausforderungen mangle es auch gegenwärtig nicht, sagt Dautel: »Diese Klimaextreme sind weinbaulich schon ein Thema. Man muss Systeme entwickeln, die flexibel funktionieren. Regenerative Bewirtschaftung, Humusaufbau, Erziehungssysteme, Unterlagen – das wird in den kommenden Jahren alles eine große Herausforderung sein. Jeder, der das schönredet …«, sagt Dautel und führt den Satz nicht zu Ende.

Dass Christian Dautel diesen Herausforderungen nicht gewachsen sein könnte, darum muss einem nicht bange sein. Er ist ein junger Mann, der den Übergang zur beruflichen Reife glänzend gemeistert hat. Ein Winzer, der seine Art zu arbeiten und seinen Stil gefunden hat: »Mir geht es um eine feine, präzise, elegante Stilistik. Ich will keine Blockbuster machen. Natürlich steckst du immer mehr Komplexität und Dichte rein. Aber wirklich groß wird es erst, wenn es trotzdem Trinkspaß vermittelt und fein bleibt. Diese Balance ist ­wichtig und echt schwer hinzukriegen.« Dem ­Falstaff Winzer des Jahres 2023 gelingt sie mit großer Regelmäßigkeit. Bravo!


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Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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