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Findels Fass: Der ultra-rare »Jägermeister« reifte 26 Jahre lang

Das wird es so wohl nicht mehr geben. Aus einem wissenschaftlichen Projekt heraus entstand in Wolfenbüttel der »9556 Nights of Exploration« – denn so lange, umgerechnet also 26 Jahre, reifte der nun gefüllte, älteste Kräuterlikör der Weltmarke.

»Es ist ein total neues Segment für Jägermeister‹«, ließ Sven Schindler die Katze aus dem Sack, was die Ultra Premium-Version mit dem langen Namen kosten solle. Die 560 Euro pro Flasche zitieren für Kenner natürlich auch die 56 Aromageber alias Botanicals im Wolfenbütteler Party-Liebling. Sie finden sich in jedem Liter »Grundstoff«, wie die fassgereifte Mischung aus Kräuterauszügen heißt. 3,5 Millionen Liter davon lagern am niedersächsischen Stammsitz, einem von nur zwei Abfüllstandorten des flüssigen Welthits.

Statt einem wurden es 26 Jahre

Und doch geht es bei der Premiere im Werkskeller um »nur« 6860 Liter, nämlich den Inhalt von Fass Nr. 146. Mit Reisig geschmückt, steht es im Keller und trägt den Namen des Aufsichtsratsvorsitzenden, der es 1997 füllen ließ: Dr. Günther Findel. Der promovierte Arzt, der kurz auch in der Stadt praktizierte, stieg als Schwiegersohn von Jägermeister-Erfinder Curt Mast selbst ins Unternehmen ein. Doch auch als Aufsichtsrat ließ ihn das wissenschaftliche Interesse nicht los. 1997 beschloss er ein Experiment, das den »Grundstoff« nicht nur ein Jahr im Fass belassen sollte, sondern seine Aromaveränderung im Laufe der Zeit prüfen sollte.

Bis zu seinem Tod 2002 verfolgte Dr. Findel selbst die Prozesse im 6860-Liter-Gebinde. Seit 2004 wacht Dr. Berndt Fincke über das Fass, und zwar »sensorisch durch laufendes Verkosten und Messungen im Gaschromatographen«. Fincke, der als »Vice President Products« die Kräuterliköre überwacht, war lange mit Fass Nr. 146 nicht zu glücklich: »Das Produkt war nicht sehr gefällig«. Nach 26 Jahren hört sich das anders an, wenn Haus-Historiker Florian Eisenblätter und Dr. Fincke den nun mit 40% vol .gefüllten »9556 Nights of Exploration« vorstellen: Komplex, gerundet und wärmend sei der 26-jährige Jägermeister, »mit Noten von Orange, Kirsche und Zwetschge in einer weiniger Stilistik«.

Kunst-Verpackung für ein Unikat

2.500 Flaschen machen den Kräuter-Methusalem zu einer Rarität, die zudem nur 15 Märkte des global agierenden Unternehmens erhalten sollen. Den offiziellen Verkaufsstart – es ist der 11. November – markiert dazu auch der in China immens populäre »Singles‘ Day«. Wertige Geschenke werden gerne an diesem Datum erworben. Und selbst die Verpackung des würzig-süßen Unikats hat es in sich, sie ist von der Transportverpackung seltener Kunstwerke inspiriert – eine kleine, in Jägermeister-Orange gehaltene Transportkiste wurde aus dem Birkenholz der niedersächsischen Wälder angefertigt.

»Die Flasche soll aber nicht am Regal verstauben, sondern geöffnet und genossen werden«, hofft Marketing-Chef Sven Schindler. Dazu ist auch der Code in der Verschlusskappe ein Anreiz. Er führt zur NFT-Version des Artworks, das der aus Tschetschenien stammende Berliner Maler Mago Dovjenko entworfen hat. Seine wilde Zeit in der Hauptstadt, bei der auch ein Kräuterlikör eine Rolle spielte, spiegelt sich nach seinen Worten auch in den pastosen Pinselstrichen. Die Farben wieder »sind vom Geschmack von Jägermeister inspiriert, wie ich ihn wahrnehme«. Womit dann auch zur erstmaligen Verkostung des 26 Jahre schlummernden Fassinhalts geschritten wurde.

So schmeckt der 560 Euro-Likör

Attraktiv zieht der Haselnuss-braune »9556 Nights of Exploration« seine Schlieren im Glas. Zart röstig duftet der Kräuter-Methusalem und zeigt sich aromatisch vom langen Holzlager geprägt: Rumrosinen, Lebkuchen und mit Luft auch Eberraute verbinden sich mit einer zart süßen Wahrnehmung, die noch die Brücke zum originalen »Jägermeister« baut. Dem viskosen Mundgefühl folgt eine recht kräftige Schärfe von Ingwer und Penja-Pfeffer. Die Süße eines Kaffeelikörs begleitet ein eigenständiger Touch Orangenkandis, der aber nie ganz über die Würze des 26-jährigen Likörs obsiegt. »Hard spice«-Noten dominieren im langen Finish, vor allem Piment ist zu schmecken, aber auch die Pikanz von Galgant-Wurzel im Rückaroma.

Und das wissenschaftliche Ergebnis? »Eine Rum-ähnliche Zunahme der Ester« bestätigt auch Fincke den Falstaff-Eindruck von Malaga-Eis im Duft. Diese Komplexität will aber auch unterstützt werden. So erwies sich das Nosing-Glas bei der Verkostungspremiere in Wolfenbüttel als deutlich besser als der Tumbler – hier setzte sich die Süße stärker gegen die kräutrige Schärfe durch. Mit dem wichtigsten Appell entließ man die Gäste des exklusiven Launch-Events in den Abend: »Bitte diese Rarität nie als Eis-kalten Shot genießen; der 9556 Nights soll sich entfalten!«.


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Roland Graf
Autor
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