»Kulinarischer Denkmalschutz« für Kärntner Kasnudel
Gault&Millau und Falstaff stellen ab sofort jährlich ein österreichisches Gericht unter »Kulinarischen Denkmalschutz«. So auch die Kärntner Kasnudel.
Im noblen »Schlossstern«-Restaurant in Velden kommen die Kasnudeln als Amuse-Gueule in Form von Dim Sum auf den Tisch. Optisch ist das zwar etwas ungewöhnlich, geschmacklich jedoch absolut überzeugend – vor allem in Kombination mit der dazu gereichten Apfelessig-Sojasauce von Küchenchef Armin Gupf. Nicht minder köstlich ist Hubert Wallners Interpretation der Kasnudel mit Trüffel und Sellerie, die er für sein Menü im 3-Haubenrestaurant »Saag« kreiert hat.
Die Kärntner Nudel ist also durchaus salonfähig geworden.Da Hubert Wallner kein gebürtiger Kärntner ist, hatte er auch keine Scheu davor, bei seinen Techelsberger Kasnudeln ausge-tretene Pfade zu verlassen und die traditionelle Kasnudel neu zu interpretieren. Neben Topfen und Minze kommen bei ihm noch Sellerie und Grammeln dazu. Zur Krönung wird dann noch frischer Trüffel darüber gehobelt. Weil die Kasnudel bei ihm nur ein Gang des Degustationsmenüs ist, ist auch die Portionsgröße entsprechend klein – am Teller befindet sich nur eine Nudel. Ihre Verneigung vor der neuen Heimat zeigen Wallner und sein Sommelier Martin Kern übrigens auch bei der Weinbegleitung: Kern empfiehlt dazu die Burgunder-Cuvée vom Kärntner Weingut Georgium.
Mühevolle Handarbeit
Doch eigentlich sind und bleiben die Kärntner Nudeln ein bodenständiges Traditionsgericht, das man in seiner klassischen Form in fast jedem Gasthaus zwischen Bad Sankt Leonhard und Kötschach-Mauthen findet. Am besten schmecken sie frisch und hausgemacht, doch so bekommt man sie heute fast nirgends mehr. Die Zubereitung ist mühsam und die Qualität von einigen Convenience-Produkten aus Kärntner Produktion sehr hoch.
Jene Gasthäuser, wie das der Familie Liegl am Längsee, wo man jede Kärntner Nudel tatsächlich frisch in aufwendiger Handarbeit zubereitet, sind sehr selten geworden. »Meine Mutter hat das Rezept von ihrer Mutter, und jetzt bin ich an der Reihe«, erklärt Elisabeth Warmuth-Liegl, wieso sie weiterhin jede Nudel für ihre Gäste selbst zubereitet, nachdem sie mit Anfang 2017 die Küchenleitung von ihrer Mutter Alberta übernommen hat. Hier stimmt das allzu oft missbräuchlich verwendete Attribut »nach Omas Rezept« eben noch.
Ob sich der Aufwand lohnt, müssen schlussendlich die Gäste entscheiden, denn natürlich kosten frisch gemachte Nudeln mehr als ge-kaufte. Glücklicherweise erfreuen sich Gasthäuser wie das der Liegls in Kärnten nach wie vor großer Beliebtheit. Hier zeigt sich, dass es auch in einer Haubenküche sehr bodenständig zugehen kann. Gerade weil das Basisrezept so einfach ist, kommt es besonders auf die Güte der Zutaten an. Am wichtigsten ist der grobkörnige Bröseltopfen, der die Basis der Füllung darstellt.
Bei den Liegls kommt noch ein Drittel geriebene Kartoffeln dazu. In manchen Regionen Kärntens ist der Kartoffelanteil noch höher, in anderen wird darauf zur Gänze verzichtet. Nudelteig mit einfachen Zutaten zu füllen und daraus eine wohlschmeckende Mahlzeit zu machen, ist im südlichen Alpenraum seit Menschengedenken weit verbreitet. Die Idrijski Žlikrofi aus Slowenien erinnern nicht nur namentlich an die Südtiroler Schlutzkrapfen. In Italien nennt man die gefüllte Pasta Ravioli und in Kärnten Kas-nudeln, auch wenn der Topfen genau genommen kein Käse ist. All das sind regionale Spielarten des gleichen Themas.
Der Topfen und die Minze
Ein cremiger Magertopfen mag sich für den Fitness-Teller eignen, bei der Kärntner Nudel ist das Gegenteil gefragt. Nur grobkörniger Topfen gibt der Fülle die gewünschte Konsistenz, ein hoher Fettanteil ist als Geschmacksträger unverzichtbar.
Bei den Liegls kommen neben Topfen und Kartoffeln noch Lauch und Kerbel dazu. Und natürlich die Minze, die für den unverwechselbaren Geschmack der Kärntner Kasnudel verantwortlich ist. Deshalb schmecken Kasnudeln im Sommer übrigens auch viel besser als im Winter, weil es dann in unseren Breiten keine frische Minze gibt. »Getrocknete Minze hat viel weniger Geschmack. Friert man sie ein, verliert sich außerdem noch die Farbe. Eigentlich ist die Kasnudel also eine saisonale Spezialität. Wir züchten die Minze den Winter über im Haus und können so das ganze Jahr hindurch gute Kasnudeln anbieten, doch im Sommer schmecken sie einfach noch den Tick besser«, weiß Elisabeth Warmuth-Liegl.
Bei den Liegls werden die Kasnudeln zumeist relativ klein portioniert, eine Portion besteht üblicherweise aus fünf Stück. Es gibt aber auch Gegenden in Kärnten, wo die Nudeln fast faustgroß sind und eine Portion zumeist nur aus zwei Stück besteht. Der Verschluss der Nudeln – traditioneller-weise von Hand »gekrendelt« – variiert genauso von Tal zu Tal wie die Dicke des Teigs. Einig ist man sich nur, dass die fertig gegarten Nudeln mit brauner Butter übergossen gehören. Manchmal kommen noch ein bisschen Schnittlauch oder knusprige Speckwürfel drauf. Dazu serviert man am besten frischen Blattsalat.
Traditionell bis Kreativ
Je nachdem, was gerade verfügbar war, haben die Kärntner ihre Nudeln mit allem Möglichen gefüllt. Als besonders beliebt haben sich im Laufe der Jahre, die mit Selchfleisch gefüllten Kärntner Fleischnudeln herausgestellt. Bei den Liegls gibt es darüber hinaus auch regelmäßig Blutwurst-, Schwammerl- und Kürbisnudeln, die sich rein äußerlich nicht von den klassischen Kasnudeln unterscheiden – allerdings variieren die Beilagen.
Auch Albin und Günter Brunner vom gleichnamigen Kärntner Nudelhersteller in Lind an der Drau haben ihr Angebot mit verschiedenen Füllungen im Laufe der Jahre stark ausgeweitet. Heute gibt es neben den traditionellen Sorten auch Brunner-Nudeln mit Brokkoli/Spargel-, Tomaten/Mozzarella-, Spinat-, Steinpilz-, Bärlauch- und Kürbisfüllung. »Die Kärntner Nudel ist eines der köstlichsten vegetarischen Gerichte überhaupt und wird auch außerhalb Kärntens immer beliebter. So gut die klassische Kärntner Kasnudel auch ist – wir wollen den Konsumenten Abwechslung bieten«, erklärt Albin Brunner. Deshalb haben die beiden Brunner-Brüder vor zwei Jahren auch den Kärntner Nudel- Award ins Leben gerufen. Sie wollen Kärntner Köche ermutigen, ihrer Kreativität beim Thema Kärntner Nudel freien Lauf zu lassen. Den diesjährigen Nudel-Award hat Bernd Huber vom »Flattacher Hof« mit seiner Interpretation einer Piccata Milanese gewonnen. Die besten Rezepte der vergangenen beiden Jahre wurden vor Kurzem in Form eines eigenen Kochbuchs veröffentlicht.
Die Brunners beliefern nicht nur zahlreiche Kärntner Gasthäuser mit ihren Nudeln, sondern haben in den letzten Jahren auch den deutschen Markt Schritt für Schritt erobert. Vor allem mit ihren veganen Nudelspezialitäten haben sie dort Lokale begeistern können, denen es nicht unbedingt um Kärntner Regionalität geht. Und auch bei der Zubereitung der Kärntner Nudel geht man in Deutschland zumeist andere Wege. »In Kärnten schätzen wir es, wenn der Nudelteig leichte Wellen schlägt und nicht prall erscheint, deshalb kocht man bei uns die Nudeln im Salzwasser. Gart man sie über Dampf, werden sie praller und kompakter, was unsere deutschen Nachbarn bevorzugen«, weiß Albin Brunner.
Das süsse Finale
Neben der Kas- und der Fleischnudel zählt auch die Kletzennudel zur traditionellen Kärntner Nudel-Trilogie. Als Kletzen werden in Kärnten kleine, gedörrte Birnen bezeichnet, die sich nicht für den frischen Verzehr eignen. Kletzennudeln sind traditionellerweise etwas kleiner als ihre beiden pikanten Schwestern und werden vor dem Servieren mit Honigbutter und Zimt beträufelt. Auch wenn die Kletzennudeln ein verführer-isches Dessert sind, das Feinschmecker gerade deshalb begeistert, weil es nicht allzu süß ist, hat sich hier in den letzten Jahren ein kleines Problem entwickelt: In Kärnten wachsen kaum mehr Kletzen-Birnbäume, weshalb sogar die lokalpatriotischen Liegls auf Kletzen aus der benachbarten Steiermark zurückgreifen. Ein Kärntner Traditionsgericht bleiben die Kletzennudeln dennoch.
Das Originalrezept für Kärntner Kasnudeln zum Zuhause Nachkochen finden Sie hier.