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Pierre Hermé: »Emotionen zu schaffen, das ist unsere Daseinsberechtigung«

Beim »Constance Festival Culinaire« stellen die besten Pâtissiers der Welt ihre Fähigkeiten unter tropischen Bedingungen unter Beweis. Unter der Schirmherrschaft des »Picassos der Pâtisserie« Pierre Hermé entstehen so wahre Schokoladenträume mitten auf Mauritius.

Zum Constance Festival Culinaire auf Mauritius ist jeder Quadratmeter der klimatisierten Pâtisserie in der Küche des Hotels »Belle Mare Plage« belegt. Die Scheiben beschlagen vor Luftfeuchte und Temperaturunterschied. Zwölf Leute tummeln sich hier, gießen konzentriert Schokolade, kochen fruchtige Gelees, halbieren akribisch fluffige Biskuit-Böden. Sechs von ihnen sind international bekannte Größen der Pâtisserie von Marc Ducobu oder Ophélie Bares aus Frankreich über Lok Hin Yam aus Hongkong bis zu Fabrizio Fiorani aus Rom. Sie coachen ihre zugelosten Kandidaten zwei Tage lang zu deren Wettbewerbsstücken, und fertigen auch selbst mit Ehrgeiz und Akribie ein Schokoladen-Schaustück an. In der Jury des Festivals sitzt schließlich u.a. Schirmherr Pierre Hermé höchst persönlich.

Ikone der Pâtisserie und Wettbewerbs-Schirmherr

Pierre Hermé, geboren 1961 in Colmar, ist eine Ikone und wird oft als »Picasso der Pâtisserie« bezeichnet. Diese Metapher ehrt seine künstlerische Innovation und seinen Einfluss in seinem Handwerk, ähnlich Picassos Revolution der Malerei. Hermé ist Meister der Geschmackskombinationen und Präsentation und hat die Grenzen traditioneller Pâtisserie durch das Einführen ungewöhnlicher Zutaten und die Schaffung neuer Geschmackserlebnisse erweitert. Der ein oder andere wird seine berühmten Macarons mit einer breiten Palette an Aromen bereits verkostet – oder zumindest in einer der exklusiven Boutiquen bewundert haben.

Der »Picasso der Pâtisserie«: Pierre Hermé
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Der »Picasso der Pâtisserie«: Pierre Hermé

Hermé ist auch als Präsident der »Coupe du Monde de la Pâtisserie« bekannt, einem führenden internationalen Wettbewerb. Und er unterstützt das Constance Festival Culinaire mit seiner Expertise, als Juror und als Schirmherr. Zum 17. Mal fand das renommierte Festival unter Palmen im März 2024 statt. »Ich finde es wesentlich, die Kompetenzen unserer Teams in der Küche, Pâtisserie und im Service zu fördern. Das Festival ist eine einzigartige Initiative, und ich kenne keine Hotelgruppe, die eine solche Initiative in dieser Form anbietet«, antwortet Hermé auf die Frage, warum er sich mit seiner Anwesenheit und seinem Namen beim Festival engagiere. Es sei eine Plattform, die es Fachleuten ermöglicht, von den Besten zu lernen und ihre Fähigkeiten auf ein höheres Niveau zu heben. Diese Wettbewerbe bieten nicht nur eine Bühne für das Können und die Kreativität der Teilnehmer, sondern auch für den Austausch von Wissen und Techniken.

Wettbewerbs-Bedingungen in den Tropen

Mit Schokolade arbeiten, das stellt nicht nur Privathaushalte vor klebrige Herausforderungen – auch in Restaurants ist die Pâtisserie oft eine eher stiefmütterlich behandelte Kunst, und eben ein eigenes Handwerk. Nicht umsonst sind Pâtisserie zumindest in Frankreich und anderen Ländern abseits Deutschlands längst die neuen Shootingstars, haben Millionen von Followern in den sozialen Medien und konstruieren aus der köstlichen Verbindung aus Kakao und Kakaobutter ganze Kunstwerke.

 

Ist das wirklich alles Schokolade?!

 

Hier auf Mauritius entstehen an nur einem Nachmittag durch die Hände der sechs eingeflogenen Profis Gebilde, die einen staunen lassen. Der Dodo, das mauritische Nationaltier, war die Vorgabe – kombiniert mit österlichen und tropischen Elementen. Filigrane Blumen und Palmblätter, glitzernde Seepferdchen, Bauklötzchen-Ananas und modernistische Gestaltungen mischen sich in den Ausstellungsstücken und man fragt sich als Betrachter: »Wie haben die das (so schnell) gemacht – und ist das wirklich alles Schokolade?!«

Die Durchführung von Pâtisserie-Wettbewerben unter tropischen Bedingungen stellt eine große Challenge dar. Hermé hebt hervor: »Die Zutaten, das Klima und der Raum, da in den Küchen oft wenig Platz ist. Für die Schokoladen-Schaustücke ist es wirklich eine Herausforderung, und obwohl die Küchen klimatisiert sind, erfordert es eine besondere Anpassungsfähigkeit, unter diesen Bedingungen zu arbeiten. Was dabei herausgekommen ist, ist außergewöhnlich!«

Die Rolle von Geschmack in der Pâtisserie des digitalen Zeitalters

Die Constance-Kandidaten arbeiten am Wettbewerbstag ohne die Hände ihrer renommierten Coaches. »Wir bewerten die künstlerische Kreation basierend auf der visuellen Schönheit, der technischen Fertigkeit und der Sorgfalt in der Präsentation. Beim Kuchen bewerten wir das Aussehen, den Schnitt und den Geschmack. Der Geschmack macht etwa zwei Drittel der Endnote aus«, erklärt Hermé, der an diesem Tag mit den anderen Jury-Mitgliedern insgesamt zwölf Kuchen und Desserts bewertet hat, neben der Schokoladen-Kunst, die bis dato nicht verkostet wurde.

 

C’est notre raison d’être

 

Geschmack, das ist bei all der Instagram-Präsenz der Pâtisserie-Stars ein Thema, das die Branche genauso umtreibt, wie die Bedeutung von Geschmack versus Plating-Kunst im Gourmet-Restaurant-Bereich. Die Pâtisserie tue sich zwar durch ihre Visualität leichter in ihrer Außendarstellung, meint Hermé – man dürfe ihren Zweck aber dennoch nicht verwechseln. »Die Pâtisserie ist viel visueller als das Kochen, oft fotogener als die allgemeine Küche. Daher profitiert die Patisserie auf sozialen Medien von dieser Sichtbarkeit und dieser Anziehungskraft. Aber das ultimative Ziel der Patisserie bleibt immer der Geschmack.«

Präzision, Wettbewerb und technisches Können haben die Tage in der Pâtisserie und zwischen den Kandidaten geprägt – und Pierre Hermé seinen Weg geebnet. Und doch ist die Zutat »Emotion« für ihn entscheidend: »Wir sagen immer, dass Salz zum Nähren und Zucker zum Vergnügen da ist. Tatsächlich besteht unser Beruf darin, Emotionen für diejenigen zu schaffen, die unsere Kuchen essen. Das ist unsere Daseinsberechtigung. C’est notre raison d’être.«


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Annette Sandner
Annette Sandner
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