In Spanien hängt der Himmel voller Schinken.

In Spanien hängt der Himmel voller Schinken.
© Kevin Hellon / Shutterstock

Speck aus Marmorbecken: Schweine-Spezialitäten Europas

Geschützte Spezialitäten und hochpreisige Edelstücke stehen in der Gunst von Gourmets weit oben. Einige alte Traditionen sind dagegen weitestgehend aus dem kulinarischen Alltag verschwunden.

Angesichts der grassierenden Gesundheitswelle, trendigen Veggie-Menüs und Monaten komplett ohne Alkohol rät der Autor dieser Zeilen dringend dazu, im Privaten eine Gegenbewegung zu starten.

Zartschmelzender Lardo

Bestens geeignet dafür: Lardo di Colonnata. Ein paar dünn geschnittene Streifen von diesem weißen Speck in einer Pfanne auslassen, im Anschluss schnell gekochte Pasta darüber heben und geriebenen Parmesan, fertig ist ein köstliches Gericht, wie es kaum einfacher sein könnte. Diese geschützte Spezialität aus Italiens Norden, konkret aus der berühmten Marmorstadt Carrara, reift ein halbes Jahr in schweren marmornen Steinbecken, eingelegt mit frischen Kräutern, Gewürzen und Salz, bevor sie in Feinkostgeschäften teuer verkauft wird. Und sie ist ein Muster­beispiel für den Wandel einer früheren Arme-Leute-Zutat vom Schwein: vom energiereichen Essen der Arbeiter in den Steinbrüchen zu einer gefragten Delikatesse in gehobenen Restaurants (etwa in Kombination mit Steinbutt oder Hamachi).

Schweinisches Image

In den Küchen der europäischen Länder wurde das Schwein über Jahrhunderte sehr geschätzt, doch zuletzt hat sein Image etwas gelitten; schon der Fleischkonsum allgemein ist rückgängig, und während der Konsum etwa von Kalbs- und Rindfleisch noch halbwegs konstant bleibt, sank der Verzehr von Schwein etwa in Österreich zuletzt unter 50 Kilo und in Deutschland sogar von knapp 38 Kilo auf 32,8 Kilo pro Jahr. Wer Schweinefilet zum Grillen mit Freunden mitbringt, kann damit heute niemanden mehr begeistern. Schon viel eher gelingt das allerdings mit einem Special Cut wie dem butterzarten »Secreto Ibérico«, womöglich noch von einer alten Rasse wie dem aus Ungarn stammenden Mangalitza. Das bringt Geschmack. Grund: Das Publikum von heute ist gelangweilt und hat überdies dank der ständigen Verfügbarkeit kaum noch Bezug zur Herkunft des Tieres. Das kann man zu Recht bedauern – wer einmal eine Blutwurst probieren durfte, die nach dem Schlachten frisch produziert wurde, wird den Wohlgeschmack nicht mehr vergessen.

Hausschlachtung

Allein – wo gibt es noch Hausschlachtungen? Max Stiegl, der burgenländische Ausnahmekoch, hat schon vor mehr als zehn Jahren eine Marktlücke erkannt und bietet mit großem Erfolg die Teilnahme an einem Schlachtfest an, einem »Sautanz«, wie es in Österreich heißt. Zwölf Stunden lang kommen Koch und Gäste auf »Gut Purbach« zusammen und feiern das Ereignis, ein Schwein zu zerteilen und zu essen. Ganz so, wie es vor 100 Jahren noch in jedem Dorf üblich war. Es gibt Herz und geröstete Leber, Wurst und Schnitzel, alles vom Schwein wird genutzt. Ansonsten ist die vollständige Verwertung selten geworden, dafür muss man schon aufs Land fahren.

In Spanien, etwa in der Region Galizien, landen noch Ohren und Schweinsfüße im Eintopf, was merkwürdig surreal wirkt, wenngleich es das Normalste der Welt sein müsste. Der deutsche Koch Robert Rädel bietet in seinem Heidelberger Sternerestaurant einen sous-vide gegarten »Landschweinwedel« als Signature Dish an. So soll es sein!


 

Erschienen in
Falstaff Nr. 01/2023

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Philipp Elsbrock
Philipp Elsbrock
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