Reinhard Gerer.

Reinhard Gerer.
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Spitzenkoch Reinhard Gerer verstorben

In wenigen Tagen, am 12. April, wäre er 70 Jahre alt geworden. Kollegen aus seinem engsten Freundeskreis wollten eine kleine Feier organisieren, nichts großes, denn Reinhard Gerer war schon seit längerer Zeit schwerkrank und litt unter einer Leberzirrhose.

In der Nacht auf Gründonnerstag ist Reinhard Gerer verstorbenDie Nachricht, so sehr sie nicht nur unter seinen engsten Freunden und Bekannten Betroffenheit auslöste, sie kam nicht allzu überraschendGerer war zuletzt von seiner Krankheit bereits schwer gezeichnet, überhaupt war die letzte Phase in seinem Leben eine eher tragische. 

Mit Reinhard Gerer ist nicht nur der wohl berühmteste und populärste Koch des Landes gegangen, er war in vielerlei Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung. Als Koch hatte er zwischenzeitlich alles erreicht, was man in dieser Hinsicht erreichen kann, am Zenit seiner Laufbahn wurde er zu einer Art österreichischer Paul Bocuse. Er war Österreichs erster Koch, der wie ein Popstar gefeiert wurde, mit einem Bekanntheitsgrad wie Falco oder Rainhard Fendrich. Und Gerer lebte auch zuweilen wie ein Popstar, mit allen Höhen und Tiefen, ein angepasstes Leben führte er nie, im Zweifelsfall entschied er sich beruflich, aber auch privat stets für das kompromisslose Auskosten aller Möglichkeiten, ob er sich dabei selber schadete, das war ihm weniger wichtig.

Begonnen hat seine schwindelerregende Karriere im Wiener Prater, wo er in der »Wieselburger Bierinsel« seine Lehrjahre absolvierte. Ausgebildet wurde er unter anderem auch von Werner Matt, dem Doyen der österreichischen Küche, der in den späten 1970er und 1980er Jahren im ehemaligen Restaurant »Prinz Eugen« Heerscharen von Jungköchen sein Know-how vermittelte. Als sich der junge Gerer – damals optisch eher einem rotzfrechen Hippie gleich bei Werner Matt in der Küche bewarb, meinte dieser: »Du kannst morgen anfangen, aber diese widerlich langen Haare müssen weg.« Gerer verabschiedete sich dem Vernehmen nach tatsächlich von seiner stolzen Haarpracht und stellte sich brav in die Küche. Es war wohl einer der wenigen Momente in seinem Leben, in dem er einem Druck von oben nachgegeben hatte. In späterer Folge sollte er das immer weniger tun, was sein Leben ereignisreicher, aber keineswegs einfacher machte.

Positiv aufgefallen war Gerer bereits 1982, als er von Richard Hedrich (ebenfalls ein Matt-Schüler) die Küchenleitung des kleinen Feinschmeckerrestaurants »Mattes« in der Wiener Innenstadt übernommen hatte. Das damals sehr gefragte Lokal gehörte der Architektengattin Ulla Holzbauer. 1984 eröffnete im Ringstraßenhotel »Bristol« das legendäre Restaurant und Gourmet-Schlachtschiff »Korso« mit Reinhard Gerer als Küchenchef. Eine durchaus spektakuläre Neugründung, denn zu dieser Zeit gab es in Wien nur ein vergleichbares Restaurant, in dem sich die bessere Wiener Gesellschaft traf: die »Drei Husaren« in der Wiener Innenstadt.

Gerer kochte sich im »Korso« zum Liebling der Prominenz empor und erhielt dafür zwischenzeitlich vier Hauben. Wer jemals im Korso ein von Gerer zubereitetes Beuschl gegessen hatte, der bekam eine Ahnung von der Genialität dieses Kochs, der gerade die »einfachen« Gerichte so zubereitete, wie sonst kein anderer. Gerer galt einige Zeit als Erneuerer der Wiener Küche, seinen kulinarischen Horizont erweiterte er unter anderem in den Küchen von Paul Bocuse, Eckart Witzigmann und Heinz Winkler.

Zu den härtesten Tiefschlägen in seinem Leben zählte die Zurückstufung des »Korso« im Gault Millau auf 14 Punkte. Aus einem Vier-Hauben-Restaurant wurde plötzlich ein Ein-Hauben-Lokal. Schon damals raunte die Wiener Gesellschaft, Gerer sei wesentlich öfters bei seinen Freunden am Wiener Naschmarkt anzutreffen als in der Küche des »Korso«. 2008 verließ Gerer das Restaurant, er übernahm später den »Magdalenenhof am Bisamberg« und kochte danach einige Zeit in einem Winziglokal in der Wiener Innenstadt. Jede Kochnische in einem Campingbus war größer als die Küche dieses Lokals, doch Gerer kratzte das wenig. Gesundheitlich schon etwas angeschlagen, zeigte er dort eindrucksvoll, dass er selbst mit einem Feuerzeug in der Hand besser kochen konnte, als so viele seiner Kollegen mit aufwendigen Induktionsherden und großem Küchenpersonal.

In den vergangenen Jahren wollte er noch einmal mit einem von ihm kreierten Hundefutter ein Zeichen setzen. Ein für einen derartigen Starkoch wie Reinhard Gerer eher zweifelhaftes Unterfangen, zu diesem Zeitpunkt waren in Gerers Leben die Grenzen zwischen Himmel und Hölle bereits fließend.

Gerer hat, ähnlich wie Eckart Witzigmann, unzählige Jungköche ausgebildet, viele davon verehrten ihn bis zuletzt wie einen Guru. Im Jahr 2000 erschien eines seiner besten Kochbücher mit dem Titel: »Der große Gerer«. Genau das wird er in alle Ewigkeit bleiben.

Herbert Hacker
Herbert Hacker
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