Die Familie Neipperg soll den Lemberger am Beginn des 19. Jahrhunderts nach Württemberg gebracht haben.

Die Familie Neipperg soll den Lemberger am Beginn des  19. Jahrhunderts nach Württemberg gebracht haben.
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Tiefgründig mit Pepp: Best of Lemberger

Falstaff präsentiert 30 Lemberger, die Deutschlands Rotwein-Kosmos mächtig durcheinanderwirbeln.

Früher Austrieb und daher von Spätfrösten bedroht, anfällig für Verrieselung und Stiellähme – Mostgewichte niedriger und Säurewerte höher als beim Spätburgunder, in tiefen Böden Erträge bis zu 200 Hektoliter pro Hektar: Die weinbaulichen Merkmale des Lemberges lesen sich nicht gerade wie das Menü in einem Drei-Sterne-Restaurant. Und doch gehört der Lemberger zu den begabtesten Rotweinsorten Europas, im Burgenland in Österreich bringt er schon seit langem unter dem Namen »Blaufränkisch« wuchtige Spitzenweine hervor. In Ungarn heißt die Traube »Kékfrankos« – beide Bezeichnungen spielen darauf an, dass man die Traube früher für ein Mitglied der »fränkischen« Sortenfamilie hielt. Inzwischen haben Genanalysen jedoch herausgefunden, dass der Blaufränkisch/Lemberger von den Eltern Blaue Zimmettraube und Weißer Heunisch abstammt. Die Ursprungsregion wird im heutigen Slowenien verortet.

Wahrscheinlich kam die Traube am Beginn des 19. Jahrhunderts durch ein Mitglied der Familie von Neipperg aus Österreich nach Württemberg. Württemberg ist dann auch in Deutschland die wichtigste Lemberger-Herkunft, in den Top Ten unseres Tastings konnte nur ein einziger Wein aus einem anderen Gebiet mit der furiosen Frische und Saftigkeit der neuen Lemberger-Generation Württembergs mithalten: Der Blaufränkisch des Weinguts Burg Ravensburg wächst im badischen Kraichgau, Luftlinie 20 Kilometer entfernt vom schwäbischen Lemberger-Stammland am Heuchelberg. Im Rest Deutschlands gibt es nur kleine Lemberger-Inseln, fest etablieren konnte sich die Sorte etwa in Rheinhessen oder der Pfalz nie. Im internationalen Vergleich ragen die deutschen Vertreter mit Eleganz und Frische, aromatischer Komplexität und großer Strahlkraft heraus.

ZUM GANZEN TASTING

1. Platz

2018 Schlossberg Lemberger GG – 96 Falstaff-Punkte
Weingut Graf Neipperg, Schwaigern

13 Vol.-%, Leicht erdige Noten, nasser Wald, dunkle Kirsche, Heidelbeere, feiner Rauch, etwas Minze kommt auf. Erschließt sich am Gaumen als komplexe, dicht in sich verwobene Kreatur, dicht im Extrakt, reich an Spannung, mit einer superben Balance, feines und griffiges Tannin, mineralische Tönung. Eindringlich, groß.

graf-neipperg.de, 35 Euro

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2. Platz

2020 Herzogenberg Lemberger GG trocken – 95+ Falstaff-Punkte
Weingut Wöhrwag, Stuttgart-Untertürkheim

14 Vol.-%, Feine Würze in der Note mit balsamischen Tönen, etwas Rauch, reife Brombeeren, Schwarzkirschen, etwas Unterholz. Da wird am Gaumen nicht an Kraft und extraktgetragener Fülle gespart, saftig und fleischig, großzügig, mit reifen, geschmolzenen Gerbstoffen, mineralische Grundierung, komplex und mit guter Länge und Perspektive.

woehrwag.de, 27,50 Euro

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3. Platz

2016 Ruthe Lemberger GG – 95+ Falstaff-Punkte,
Weingut Graf Neipperg, Schwaigern

13 Vol.-%, Feine, vielschichtige Nase mit einem Hauch von Kräuterlikör, etwas Tinte, Espresso, Schwarzkirsche und schwarzem Pfeffer, Lorbeerblatt. Am Gaumen mit gutem Zug und agiler Säure, ein finessenreicher Wein, mit purer Frucht (rote Kirsche, auch Sauerkirsche) und feinkörnigem Gerbstoff, ziemlich elegant und zielstrebig.

graf-neipperg.de, 35 Euro

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Erschienen in
Falstaff Nr. 01/2023

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Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
Rainer Schäfer
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