© Matthias Plander

»Vier Jahreszeiten Hamburg«: Exzellenz in bester Alsterlage

Als Sinnbild hanseatischer Würde beherbergt das Luxushotel »Vier Jahreszeiten« seit über 125 Jahren Royals, Mächtige und Stars aus aller Welt. Den Grundstein für diesen Erfolg jedoch legte ein fleißiger Schwabe.

Es geht schon fürstlich los. Der beleibte Herr, der einen in roter Uniform am Haupteingang willkommen heißt, lupft lächelnd seine Dienstmütze, bevor er zum Kofferraum eilt, um sich des Gepäcks der Neuankömmlinge anzunehmen. Seine Herzlichkeit und sein Hamburger Schnack – in Wien würde man es Schmäh nennen – verleihen dem Empfang den Anschein von Selbstverständlichkeit. Seit 37 Jahren postiert Wagenmeister Michael Menck – so heißt der Mann – an fünf Tagen die Woche vor Hamburgs edelster Unterkunft, dem »Fairmont Vier Jahreszeiten«, und managt die An- und Abreise der Gäste. In dieser langen Zeit scheint ihm die Maxime des Hotels – unaufdringliche Zuvorkommenheit, unbedingte Verlässlichkeit und ausgeprägter Perfektionismus – in Fleisch und Blut übergegangen zu sein. Ein besseres Aushängeschild als Menck kann man sich nur schwer vorstellen.

Der Weg ins Innere des Luxushotels führt über einen roten Teppich, sieben Treppenstufen hinauf, durch eine Drehtür. Die Empfangshalle erstrahlt in weißem Marmor und edelster Holzvertäfelung. Linker Hand, hinter der verzierten Tür einer italienischen Kathedrale aus dem 17. Jahrhundert, liegt die »Jahreszeiten-Bar«. Mit gerade einmal 17 Plätzen, ein Teil von ihnen aus originalen Rolls-Royce-Ledersitzen gefertigt, dürfte dieses Etablissement zu den kleinsten seiner Art in der Hansestadt zählen. Umso größer ist dafür die Trinkfreude, der hier seit jeher gefrönt wird. Bestsellerautor Johannes Mario Simmel war einer der ersten Stammgäste. Er trank zwar ausschließlich Alkoholfreies, saugte an diesem Ort aber genug Stoff für seine Geschichten auf. Im aktuellen Falstaff Bar Guide hat die Bar die Top-Bewertung von vier Cocktailgläsern.

Die Lobby des »Vier Jahreszeiten«. Neben dem Eingang liegt über zwei Etagen und mit Blick auf die Binnenalster die kleinste Bar Hamburgs.
© Guido Leifhelm
Die Lobby des »Vier Jahreszeiten«. Neben dem Eingang liegt über zwei Etagen und mit Blick auf die Binnenalster die kleinste Bar Hamburgs.

Sophia Lorens Badezimmer

Direkt neben der Bar befindet sich die denkmalgeschützte Wohnhalle, in der nach englischem Vorbild »Teatime« zelebriert wird, versüßt mit feinsten Köstlichkeiten aus der hoteleigenen Konfiserie. Zu den weiteren Besonderheiten des Hauses zählen vier hauseigene Floristinnen, die sich das »Vier Jahreszeiten« als eines der wenigen Hotels weltweit noch leistet, gemäß der Devise: Luxus bedeutet, in Qualität zu investieren. Nicht weniger ernst genommen wird die folgende Regel: Für Gäste gibt es kein Nein. Wobei es bisweilen an die Grenzen der Kräfte gehen kann, diesem Grundsatz abstrichlos Folge zu leisten, wie so manche Geschichte veranschaulicht, die man sich hier im Haus zu erzählen weiß. 1963 etwa, bevor sie für einen Filmdreh zwei Monate im »Vier Jahreszeiten« unterkam, ließ Filmdiva Sophia Loren das zweite Bad ihrer Suite zur Küche umbauen, damit sie ihrem so verehrten Gatten Carlo Ponti während des gemeinsamen Aufenthalts selbst zubereitete Spaghetti kredenzen konnte. Ein anderes Mal kamen saudische Scheichs auf die Idee, deutsche Milchkühe für ihre heimische Zucht erstehen zu wollen. Irgendwo im Hamburger Umland wurden sie bei einem Bauern fündig. Den Export der Rindviecher mit zwei Sonderflügen nach Dschidda ließen sie anschließend vom »Jahreszeiten«-­Concierge organisieren, womit sie dessen eigentlichen Zuständigkeitsbereich hemmungslos überspannten.

Leute machen das Hotel

»Unmöglich« gibt’s nicht im Hotel »Vier Jahreszeiten«. Der geschäftsführende Hoteldirektor Ingo C. Peters ist dafür der lebende Beweis: Mit 19 Jahren fing er im Hotel »Vier Jahreszeiten« an – als Page. Seine Akademiker-Eltern schäumten, ihr Junge vergeude sein Abitur. Wie sehr sie sich irrten: Dass das Haus heute so gut dasteht, mit 156 luxuriösen Suiten, sieben Restaurants und dem mit 120.000 Flaschen und 1200 unterschiedlichen Positionen wohl am besten ausgestatteten Hotelweinkeller Europas, ist maßgeblich Peters Verdienst. Die finanziellen Möglichkeiten hierfür stellt Unternehmer Klaus Dohle, der die »HIT«-Verbrauchermarktkette aufbaute und das traditionsreiche Luxushaus an der Alster 2013 übernahm. Viele Millionen Euro steckte er seither in die Modernisierung.

Doch auch die Erfolgsstory des »Vier Jahreszeiten« begann wie so häufig alles andere als spektakulär. Als der schwäbische Hotelier Friedrich Haerlin es bei einer Zwangsversteigerung 1897 erwarb, war es ein schmales Haus mit nur elf Zimmern und drei Bädern, das trotz exquisiter Lage an der Binnenalster schon längere Zeit keinen Gewinn mehr verzeichnete.

Für Haerlin, so heißt es, soll es eher ein spontaner Kauf gewesen sein, und seine Frau Thekla hatte mit ihrer Überredungskunst daran offenbar keinen geringen Anteil. Eigentlich hatte ihr Gatte vor, in der Schweiz Fuß zu fassen, wo er sich zuvor auf verschiedenen Stationen großes Renommee erarbeitet hatte, doch seine Ehefrau sah ihre gemeinsame Zukunft eher in ihrer norddeutschen Heimat. Schnell stellte sich dies auch im geschäftlichen Sinne als die genau richtige Entscheidung heraus: Hamburg fing an zu florieren, Dampfschiffe fuhren von der Hansestadt nach New York, Jahr für Jahr verzeichnete die Alster-Metropole mehr Touristen – und die brauchten natürlich Kost und Logis. Fruchtbarer Boden für Haerlin. So erschloss der tüchtige Geschäftsmann vom Haus mit der Nummer 11 am neuen Jungfernstieg aus – seine Pläne von einem eigenen Grand-Hotel von Welt vor Augen – die umliegenden Gebäude, eins nach dem anderen.

Im Jahr 1932 übernahm Sohn Fritz Haerlin, dessen Gespür und Geschäftssinn dem seines Vaters in nichts nachstand die Geschicke. Er führte das »Vier Jahreszeiten« so erfolgreich weiter, dass es 1977, zum 80-jährigen Bestehen, als offiziell »zweitbestes Hotel der Welt« geehrt wurde, hinter dem »Oriental« in Bangkok.

Als im Jahr 1997 der heutige Direktor Ingo C. Peters die Führung des Hauses übernahm, lag ein eher unrühmliches Kapitel hinter dem »Vier Jahreszeiten«: Weil es keine Nachfolge in der Familie gab, verkauften die beiden Enkelinnen des Gründers das Hotel an einen japanischen Bauunternehmer. Von seinen angekündigten Renovierungsplänen setzte dieser jedoch kaum etwas um, zwang dem Haus stattdessen einen Sparkurs auf, der so strikt war, dass er das Hotel fast seinen gesamten Status kostete.

Ein Neuer Anfang

Als das Hotel »Vier Jahreszeiten« acht Jahre später an die Hotelgruppe Raffles überging, sah diese als letzten Ausweg nur noch einen Rettungsplan, der einer »Zerschlagung« gleichgekommen wäre: Das traditionsreiche Gourmetrestaurant »Haerlin«, das heute zwei Sterne trägt, sollte geschlossen und durch einen zentralen Speisesaal für alle drei Mahlzeiten ersetzt werden. Und die Räumlichkeiten des beliebten »Jahreszeiten-Grill« wollte man an eine Boutique oder einen Friseur vermieten.

Um die Pläne, die ihm so gar nicht schmeckten, abzuwenden, riskierte Peters draufgängerisch den gerade erst angetretenen Posten: »Hätte ich mich nicht durchgesetzt, wäre ich meinen Job dennoch los gewesen, denn das Hotel wäre untergegangen«, ist er überzeugt. Statt das gastronomische Angebot zu verkleinern, eröffnete Peters im Untergeschoss das erste Asian-Fusion-Restaurant Deutschlands, das »Doc Chengs«, das heutige »Nikkei Nine«. Und seine Strategie ging mehr als auf: So macht das Hotel »Vier Jahreszeiten« heute mit seiner Gastronomie – entgegen dem Branchentrend – den Großteil des Umsatzes: ganze 55 Prozent. Noch ungewöhnlicher ist nur, wie fest das Hotel dabei in der Stadt selbst verankert ist: 85 Prozent der Restaurantbesucher sind waschechte Hamburger, berichtet Peters.

Am 6. September fand übrigens die jüngste Neueröffnung statt: Der »Grill« wurde nach den Originalplänen von Emil Fahrenkamp aus dem Jahr 1926 renoviert und in ein zeitgemäßes Design überführt. Sämtliche Möbel, Stoffe, Teppiche, Lampen sowie das Geschirr und Besteck wurden eigens für den »Grill« von Manufakturen und kleinen Handwerksbetrieben angefertigt. Das Restaurant selbst wurde um den benachbarten »Ovalen Salon« erweitert, dieser mit handbemalten Tapeten versehen, die die exotische Welt des Hamburger Feenteichs zeigen. Den Hauptraum zieren wertvolle Malereien der international bekannten Künstlerin Jorinde Voigt, die eine Brücke in die Gegenwart schlagen.

Man sieht: Tradition ist nichts ohne Wandel – und für diese Weisheit gibt gerade das »Vier Jahreszeiten« ein absolut mustergültiges Beispiel.


Das »Haerlin«

Seit 1919 trägt das Spitzenrestaurant den Namen des damaligen Chefs, Hotelgründer Friedrich Haerlin. Seine Maxime, das »Haerlin« stehe als Aushängeschild für das gesamte Hotel, teilt heute auch Direktor Ingo C. Peters – was das »Haerlin« zu einem der besten Restaurants der Stadt macht.

Seit 2002 tragen die saisonalen und auf erstklassigen Produkten basierenden Menüs die Handschrift von Zwei-Sterne-Koch Christoph Rüffer, der Konstanz auf Topniveau garantiert. Ein ganz besonderes Highlight ist der »Chef’s Table« im Untergeschoss, an dem bis zu acht Gäste direkt hinter den Kulissen der imposanten Küche Rüffer und seinem Team über die Schulter blicken können.

Beim Betreten sollte man unbedingt die vier Porzellan-Putti beachten, die die vier Jahreszeiten verkörpern. 1934 wurden sie in der Nymphenburger Porzellanmanufaktur angefertigt und haben den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden.

Im aktuellen Falstaff Restaurantguide Deutschland hat das »Haerlin« eine Bewertung von 97 Punkten und vier Gabeln.

Adresse:
Neuer Jungfernstieg 9–14
20345, Hamburg, Deutschland
T: +49 40 34940, hvj.de


Nichts mehr verpassen!

Melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an.

Erschienen in
Falstaff Nr. 07/2023

Zum Magazin

Sebastian Späth
Sebastian Späth
Chefredakteur Deutschland
Mehr zum Thema