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Von Rokitanskys Reise durch Österreichs kosmopolitische Kulinarik

»Die österreichische Küche« von Marie von Rokitansky wurde 1897 veröffentlicht. Kurioserweise sind darin auch Rezepte für chinesisches Brot und indisches Curry enthalten. Der österreichische Gaumen – wohl seit jeher ein Kosmopolit.

Die kulinarische Landschaft Österreichs geht über die Grenzen hinaus, wie Marie von Rokitanskys Kochbuch »Die österreichische Küche« von 1897 zeigt. Für Amy Millet, eine in Wien lebende US-amerikanische Forscherin, war es das Buch, dass sie zur österreichischen Küche brachte: Österreicher:in zu sein bedeutete, einen weltbürgerlichen Geschmack zu besitzen.

Von Sachertorte bis zum indischen Curry

Rokitanskys Werk, das über 600 Seiten und 550 Rezepte umfasst, stellt herkömmliche Vorstellungen von der österreichischen Küche in Frage. Viele dieser in Frakturschrift verfassten Rezepte und Zutaten stammen aus Ländern jenseits der österreichischen Grenzen und zeugen von einem kosmopolitischen Geschmack und einer kosmopolitischen Perspektive, die die österreichische Identität definiert.

Eine Vision der österreichischen Identität

Marie von Rokitansky, Schwiegertochter von Beethovens Pathologen Carl von Rokitansky, vertrat zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine umfassende Sicht auf das Österreichische, die über Nationalismus und die imperialen Grenzen des Habsburgerreiches hinausging. Die kulturelle Identität, repräsentiert durch die traditionelle Küche, war eine österreichische, in doppelter Hinsicht: nationalistisch, jedoch eben auch durchaus weltgewandt. In dieser Zeit importierten die Habsburger Waren aus den Kolonien anderer Reiche und behielten einen imperialen Einfluss, obwohl sie selbst keine Kolonien besaßen.

Globale Einflüsse der österreichischen Cuisine

Obwohl die traditionelle »Wiener Küche« heute gemeinhin mit Österreich assoziiert wird, sind ihre globalen Einflüsse nicht von der Hand zu weisen. Österreichische Klassiker wie Faschierter Braten, Wiener Schnitzel und Sachertorte stehen neben ungarischen Gerichten wie Letscho, gefüllten Paprikaschoten, Szegediner Gulasch und russischen Spezialitäten wie Stschi-Suppe. Rokitanskys Rezepte enthalten Gewürze und Kräuter aus Westindien und der Karibik, wie »indisches Gewürzpulver«, Curry, Ingwer und Vanille. Dabei stehen sogar Gerichte wie »Chinesisches Brot« unter dem Banner der österreichischen Küche.

Kurioserweise sind die Ursprünge des kultigen Wiener Schnitzels umstritten: Geht es auf das oberitalienische »Cotoletta alla Milanese« zurück, von dem Feldmarschall Radetzky das Rezept aus Italien mit nach Österreich brachte? Es gibt zumindest keine validen Quellen – die Herkunft bleibt ein Rätsel. Was aus Rokitanskys Buch zurückbleibt, ist die Erinnerung daran, dass die österreichische Identität weit über nationale Grenzen hinausreicht. Und seien wir mal ehrlich! Nicht nur die Liebe geht durch den Magen: Kulinarik ist und bleibt identitätsstiftend.


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Ferdinand von Vopelius
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